„Ich habe von meinem Recht Gebrauch gemacht, meine Frau zu töten.“ – Stolpersteine der Integration

Der 32-jährige Iraker Jumaah K. erwürgte am 15. November 2015 im oberpfälzischen Laaber seine Ehefrau. Mit ihr und ihren gemeinsamen drei Kindern zwischen drei und acht Jahren kam er im Februar 2015 nach Deutschland und stellte einen Asylantrag. Die Familie war in einer dezentralen Asylunterkunft in Laaber untergebracht, einem Ort nordwestlich von Regensburg. Bei den Ermittlungen der Polizei sagte der Iraker den denkwürdigen Satz: „Ich habe von meinem Recht Gebrauch gemacht, meine Frau zu töten.“

Derartige Sätze hörten die bayerischen Polizisten üblicherweise nach einem Tötungsdelikt nicht. Jumaah K. hat sich selbst der Polizei gestellt und konnte schließlich nicht verstehen, warum er wegen dieser Tat ins Gefängnis sollte. Auch nach der Untersuchungshaft und seiner Verurteilung im Juli 2016 blieb ihm dieses unverständlich. Einsicht und Reue – Fehlanzeige.

Die Familientragödie kam nicht überraschend und offenbarte sich sehr schnell als ein Eifersuchtsdrama mit tödlichem Ausgang. Wegen Eifersucht und ehelicher Gewalt waren die Asylbewerber der Polizei und dem Jugendamt durchaus bekannt. Die Ehefrau hatte ihren Mann schon einmal wegen körperlichen Übergriffen angezeigt. Eine Flucht ins Frauenhaus stand zur Debatte. Zwei Tage vor der Tat war noch die Sozialbetreuerin des Jugendamtes im Haus der Familie.

Jumaah K. war im Irak Gymnasiallehrer für Sport und Fußball und jahrelang als Profifußballer aktiv. Die in jungen Jahren durch Zwangsheirat geschlossene Ehe lebte von Anfang unter dem Stigma arabischer Unmündigkeit und kollektivem Zwang. Gleichberechtigung von Mann und Frau – wie wir sie in westlichen Demokratien kennen – waren von Anfang nicht vorgesehen. Mit 16 Jahren wurde der jungen Frau durch die Zwangsheirat mit ihrem sechs Jahre älteren Jumaah K. ihr Schicksal zugewiesen. Schon im Irak war die junge Ehe von Gewalt und Eifersucht geprägt. Dies war schließlich auch der Grund, die Ausreise nach Deutschland zu wagen und Asyl zu beantragen. Doch nicht einmal ein Jahr währte das Leben der jungen Frau in Deutschland. Die Eifersucht und körperliche Gewalt des Ehemannes wüteten weiter und führten schließlich zu ihrem tragischen Ende im Eifersuchtsmord. Dass die drei kleinen Kinder während der Tat im Hause waren und wiederholt Zeugen der Gewalt zwischen Vater und Mutter wurden, ist an sich schon ein Trauma. Zu dieser Not kommt noch das Flüchtlingstrauma hinzu. Nun sind alle drei Kinder Vollwaisen: die Mutter ist tot, der Vater sitzt im Gefängnis.

Ist dies ein Eifersuchtsmord, wie er auch bei deutschen Ehepaaren vorkommen könnte? Worin liegt das Besondere und Aufrüttelnde dieses Familiendramas? Es ist zuallererst der schockierende Satz, mit dem der irakische Mann die Polizisten verblüffte: „Ich habe von meinem Recht Gebrauch gemacht, meine Frau zu töten.“ Seit Jahrzehnten werden deutsche Polizisten und Gerichte mit derartigen Aussagen konfrontiert. Als vor Jahrzehntenüberwiegend türkische Migranten nach Deutschland kamen, wurde die deutsche Öffentlichkeit erstmals mit dieser radikalen Andersheit konfrontiert: Ehrenmorde, Blutrache oder eben Sätze wie jener von Jumaah K. verdeutlichen die grundlegende Differenz: die Scharia oder die Aussagen des Korans werden von nicht wenigen Muslimen über das Grundgesetz und über das in unserem Land geltende Strafrecht gestellt. Es ist eben gerade ein Irrglaube, wenn Jumaah K. vermutet, er habe dieses Recht. Er hat es zumindest nicht hier in Deutschland. Deshalb wurde er zu lebenslänglichem Gefängnis wegen versuchten geheimtückischen Mordes und Totschlags verurteilt. Ob er es nun für gerechtfertigt hält oder nicht.

An der Mordtat aus Laaber wird deutlich, dass zwei wesentliche Faktoren die Integration arabischer Flüchtlinge erschweren:
Erstens die fehlende Bereitschaft, im Rechtsverständnis das Grundgesetz und das deutsche Strafrecht als höchste Instanz anzuerkennen und zweitens die in arabischen Ländern weitgehend nicht vorhandene Gleichberechtigung von Mann und Frau. Diese radikalen Differenzen dürften sich in der Zukunft als Stolpersteine für die Integration erweisen. Es muss vermutlich ein jahrzehntelanger Lernprozess stattfinden, bis die meisten muslimischen Flüchtlinge diese deutschen Realitäten besser verstehen, innerlich anerkennen und sich schließlich auch daran halten. Zumindest wenn sie in Deutschland bleiben wollen.

Korrespondenzadresse:
Professor Dr. med. H. Csef
Schwerpunktleiter Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Zentrum für Innere Medizin
Medizinische Klinik und Poliklinik II
Oberdürrbacher Straße 6
97080 Würzburg
E-Mail-Adresse: Csef_H@ukw.de

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Über Herbert Csef 149 Artikel
Prof. Dr. Herbert Csef, geb. 1951, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker. Studium der Psychologie und Humanmedizin an der Universität Würzburg, 1987 Habilitation. Seit 1988 Professor für Psychosomatik an der Universität Würzburg und Leiter des Schwerpunktes Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums. Seit 2009 zusätzlich Leiter der Interdisziplinären Psychosomatischen Tagesklinik des Universitätsklinikums. Seit 2013 Vorstandsmitglied der Dr.-Gerhardt-Nissen-Stiftung und Vorsitzender im Kuratorium für den Forschungspreis „Psychotherapie in der Medizin“. Viele Texte zur Literatur.

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