I.
Ich gehöre nicht zu den Klimaskeptikern (was immer der
negativ besetzte Begriff heißen soll), denn ich erinnere mich mit leichter
Wehmut an jene Jahre, in denen der Winter alljährlich verlässlich
Winterfreuden bereitete. Seit Jahren nun schon sind die Wochen und Tage des
Vergnügens im Schnee und auf dem Eis – nicht nur im mitteleuropäischen
Flachland ungewiss und rar geworden. Unwiderlegbar schmilzt das Eis in der
Arktis, nicht so eindeutig auch im antarktischen Süden.
Als
Laie in Sachen Klimaforschung, Meteorologie und Sonneneruptionen halte ich mich
an die Partei der Wissenschaft (bolzhestvo) und die Klimakonferenzen,
die den von mir und der wachsenden Menschheit verursachten CO₂-Ausstoß für die
globale Erwärmung verantwortlich machen. Andererseits gehöre ich nicht zu
den bedingungslosen Verfechtern erneuerbaren Energien, und dies nicht allein
aus deutsch-romantischen, landschaftsästhetischen Gründen oder als Natur-,
Vogel- und Insektenfreund.
Meine Vorbehalte
gegenüber den weltrettenden erneuerbarenEnergien entspringen – von
Experten wie Hans Joachim Schellnhuber oder Papst Franziskus leicht als
laienhaft abzutun – gewissen Überlegungen. Dazu gehören – im Hinblick auf
Haushalte mit bescheidenem Einkommen – die permanent steigenden
Strompreise für die hoch subventionierten Windparks und Solarfarmen. Zu fragen
ist auch nach den energietechnischen und sonstigen ökologischen Kosten der
klimarettenden Technologien. Mit welchem Energieaufwand, mit welchen
Rohstoffen und mit welchen Methoden werden in China unsere Solarpaneele
produziert? Die Antwort lautet: Ungeachtet des Beitritts zum Pariser
Klimaabkommen plant und baut China außer Atomkraftwerken jedes Jahr zahllose
Kohlekraftwerke, befeuert mit Kohle aus eigenen Lagerstätten, aus Australien
und aus Südafrika.
Zu fragen ist nach dem ökologisch
bedenklichen Input einer Windkraftanlage, von den monströsen Betonfundamenten
bis zu den Rotoren aus überwiegend nicht recyclebaren Materialien. Nach zwanzig
Jahren sind die Dinger bekanntlich nicht mehr tauglich und müssen
„entsorgt“ werden. Zuletzt: Wie groß sind die Umweltschäden beim
Abbau von Lithium – unentbehrlich für die Produktion unserer Unzahl von
elektronischen Geräten, Elektroautos etc. – in Chiles Atacamawüste,
in Bolivien (im Falle eines neuen Vertrags nach Evo Morales´ Abgang) oder in
Afghanistan (nach dessen endlicher Befriedung)?
Von derlei Fragen bleibt die Sorge um
das Klima – sie hat derzeit offenbar die Sorge um den Frieden als vorrangiges
Thema abgelöst – unberührt. Sie bildet das Kernstück der
ökologischen Moral. Gleichwohl verträgt sich diese gut mit unserem komfortablen
Lebensstil. Mehr noch: Die zu apokalyptischer Angst gesteigerte Besorgnis
befähigt die besser situierten Gesellschaftsgruppen, die Widersprüche in ihrem
postmaterialistischen Wertesystem zu übersehen.
II.
Das immer noch
strukturschwache Brandenburg freut sich über die von Tesla-Chef Elon Musk
angekündigte Gigafactory, in der jährlich 150 000 Elektrofahrzeuge produziert
werden sollen. Die Milliardeninvestition soll bis zu 10 000 neue Jobs schaffen.
Das riesige Werk bei Grünheide soll auf 300 ha (= 3 km²) errichtet werden, was
die Rodung von 70 ha Kiefernwald erforderlich macht. Die grüne Heide wird
erheblich reduziert. Der Großunternehmer Musk indes denkt und handelt grün: Die
gesamte Produktionsstätte will er mit erneuerbaren Energien betreiben,
andernorts, auf einem 210 ha umfassenden Terrain, sollen Bäume gepflanzt
werden.
Über die geplante Großinvestition freut
sich nicht nur Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Auch Berlin
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) ist begeistert: „Das ist
sensationell! Willkommen in der Metropolregion. Wer Visionen hat, kommt nach
Berlin.“
Zaghafter Widerspruch kommt von den beiden maßgeblichen
Naturschutzverbänden. Die Klimareferentin des BUND monierte, dass Tesla
bei Grünheide nur SUV-Luxusautos (SUV = sport utility vehicle) bauen
wolle. Ihre Umweltorganisation befürworte den Bau von Elektrobussen für den
Personennahverkehr. Der Naturschutzbund Nabu sorgt sich um Wald und Tierwelt.
Auf dem für die Großfabrik vorgesehenen Gelände siedelten geschützte Reptilien,
Baumfalken sowie Fledermäuse. Die Nabu-Sprecherin äußerte zudem ihre Skepsis
hinsichtlich der zum Ausgleich versprochenen Aufforstung.
https://herbert-ammon.blogspot.com/2019/11/postmaterialistische-werte-und-tesla-in.html