George Bush ist es allemal – Guido Westerwelle sowieso, die Kanzlerin ist in ungetrübter und fast unantastbarer Heiligkeit die Herrscherin über ihr Königreich und regiert aus dem Reich der Mitte über ihre Vasallen – fast wie einst der Basta-Kanzler Gerhard Schröder, der sowieso der allergrößte war, erst recht und dann aber richtig, als der mit kubanischer Zigarre ausgerüstet im Zentrum der Macht, im Kanzleramt, flanierte – die Welt war ihm da bloß noch ein Anhängsel seiner schon längst empfundenen Unsterblichkeit.
Und gäbe es sie nicht, die Begriffe Egoismus und Übermensch, hätte nicht Nietzsche von einem derartigen Wesen im Also sprach Zarathustra berichtet, wir dächten Egoismus und Übermensch seien unsere höchst eigenen Erfindungen. Auch Richard David Precht hat in seinem neuen Buch – Die Kunst, kein Egoist zu sein – Warum wir gerne gut sein wollen und was uns davon abhält – dies bemerkt und widmet sich diesem Thema in aller Ausführlichkeit, wobei er davon überzeugt ist, was auch nicht bestritten werden soll, daß Egoismus nicht immer schlecht und Altruismus nicht immer gut sei – eigentlich banal, eben Precht.
Und in Zeiten des rasanten Informationstrubels wird es für das individuelle Ich auch tatsächlich recht eng, verliert es doch permanent, wenn es nicht versucht, sich medial dagegen aufzurichten, seinen letzten Rest an personaler Würde, geht einfach unter, wird vergessen.
Dieses Vergessen wird im Trubel der ewigen Beschleunigung, der Dromologie, wie dies einst Paul Virilio beschrieben hatte, zum Wettlauf gegen das Ich. Ja, der drohende Selbstverlust zwingt umgekehrt zur Selbstbehauptung. Denn überall, wo sich das Einzelich zu behaupten glaubte, so lernt es schnell hinzu, ist dieser Platz schon von anderen besetzt, wo einst Heimat war nun allenthalben Fremde. Im alltäglichen Miteinander zählen nicht mehr der Andere, wie Emanuel Lévinas formulierte, oder das „Du“ Bubers, sondern nur noch man selbst und sein Projekt; und immer hat der Andere ein besseres Projekt, ist besser aufgestellt, hat mehr Kontakte, über die er verfügt. Und Facebook und die virtuellen Freunde, das ist eben einer dieser Ersatzplätze, diese Projektionsfläche für die verlorenen „Iche“, die Vielzahl von Blogs schreibt dann die Selbstermächtigung fort, füttert das Netz mit persönlichsten Belanglosigkeiten zu riesigen Blasen der Selbststilisierung.
Selbstreferenz ersetzt so die eigene Macht- und Wirkungslosigkeit, wird zur Kompensation einer erfühlten Leere, zwingt zu einem gesteigerten, übersteigerten, und damit verzweifelten Man-selbst-Sein-zu-Wollen – hurra, wie sind die Größten!
Und das Internet hat zusehends maßgeblichen Anteil an dieser Erfolgsgeschichte der Größten. Vielleicht wird es, mehr als das es nützliche Informationen in Zukunft liefert, letztendlich zu einem „Informations“-Giganten für all jene, die nur noch gegen ihr Vergessen-Werden anschreiben. Für diese ist es heute bereits zum realistischen Mythos der Selbstvergewisserung geworden, unkritisch, Bytes erheischend und in den gewaltigen Chor der anderen Einsamen einstimmend, einander übertreffend, eine gigantische Selbsterhaltungsmaschine ins Werk setzend.
Nur was zumeist dabei vergessen wird, ist, daß der unsichtbare Konkurrent im Netz nicht mehr liest, nicht das konsumiert, was der Andere schreibt, sondern nur noch produziert, denn ein möglicher Blick auf den Anderen würde letztendlich die eigene Inszenierung stören. Der Größte bleibt so der Unreflektierteste. Und das Netz wird zum Müllhaufen der Geschichte der Größten, die zusehends die Geschichte der Allerkleinsten schreiben.
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