Der niederländische Theologe und Jurist Hugo Grotius hatte mit seinem Werk „De jure belli ac pacis libri tres“ einen weitgehenden Einfluss auf die spätere Formulierung des internationalen Rechtes.[1] Dabei wurde er durch den Achzigjährigen Krieg zwischen Spanien und den Niederlanden sowie den 30jährigen Krieg zwischen katholischen und protestantischen europäischen Staaten beeinflusst. Er war davon beseelt, solche Konflikte auf der Grundlage eines juristischen und politischen Konsenses für die Zukunft zu vermeiden.
Hugo Grotius (1583-1645) wurde nach einer juristischen Ausbildung 1613 Ratspensionär von Rotterdam. Er wurde als Armenianer und Gefolgsmann Oldenbarnevelts in dessen Sturz verwickelt und 1619 zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt. Während der Haft schrieb er eines der wichtigsten Werke über die niederländische Rechtsgeschichte „(Inleidinge tot de Hollandsche rechtsgeleertheid)“, das 1631 herausgegeben wurde. Grotius floh 1621 aus seiner Haft und ließ sich bis 1631 in Paris nieder, wo 1625 sein Hauptwerk „De jure belli ac pacis libri tres“ erschien. Zwischen 1635 bis 1645 war er schwedischer Gesandter in Paris.
Der Grundgedanke des Werkes liegt darin, dass der Krieg und die Ausübung von Gewalt dort rechtens sind, wo eine Rechtsforderung besteht, aber kein Gericht vorhanden ist, bei dem es verhandelt werden könnte. Rechtens wäre in diesem Sinne: die Verteidigung des Eigentums einzelner oder einer bestimmten Gruppe, der Erwerb dessen, was dem einzelnen oder der Gruppe schuldig geblieben ist sowie die Bestrafung von Verbrechen. Diese „gerechten Kriege“ aber müssen in der Art der Kriegserklärung und der Kriegsführung den Gesetzen des Natur- und Völkerrechts unterworfen werden. Da die Staaten im Unterschied zu den Einwohnern der Staaten keine höhere Gewalt über sich haben, können sie ihre Streitigkeiten vor kein Gericht bringen. Um diese zu beseitigen, nennt Grotius drei Wege, die einen Krieg verhindern sollten:[2]
–Die Aussprache (Colloquium)
–Das Abkommen (compromissum)
–Das Los (sors)
Besonderen Nachdruck verleiht Grotius seinem Hinweis auf das Abkommen, wobei er unter dem compromissum ein Schiedsverfahren versteht, das er als ständige Einrichtung empfiehlt. Es ist notwendig, dass die größeren und machtvollen Staaten Zusammenkünfte abhielten, wo Unbeteiligte, die sich nicht bestechen lassen, die Streitigkeiten der anderen schlichten. Weiterhin sollte eine Ordnung geschaffen werden, auf deren Grundlage die streitenden Parteien dazu gezwungen werden, unter gerechten Bedingungen Frieden zu schließen.
Grotius stellt sich die Aufgabe, dem Krieg entgegenzuwirken und ihn durch andere Mittel zu ersetzen.[3] Im Falle der Nichtvermeidung eines Krieges erkennt Grotius ihn als ein rechtmäßiges Mittel in der Auseinandersetzung zwischen Staaten an. Er möchte aber alle Möglichkeiten ausschöpfen, den Krieg in seinem gesamten Verlaufe in den Rahmen einer Rechtsordnung zu bannen. Er sieht einen andauernden Frieden als Idealzustand an und zwar aus den Gründen der Menschlichkeit und des Nutzens.
Im Gedanken an dieses Ziel entwickelt Grotius sein völkerrechtliches System. Er versucht, seiner Theorie einen Grad der Verallgemeinerung zu geben. Er vergleicht diese mit einem mathematischen Verfahren, das mit Figuren arbeitet, die sie von den Körpern abgelöst haben. Grotius schreibt: „Es entspricht nur dem Recht der Natur, Verträge zu halten. Denn irgendein Weg, sich zu verpflichten, ist für den Menschen notwendig, und ein natürlicherer als der Vertrag läßt sich nicht auffinden. (…) Denn die, welche sich einer Gemeinschaft anschließen und einem oder mehreren unterwerfen, versprachen entweder ausdrücklich oder stillschweigend, wie man nach der Natur der Sache annehmen muß, daß sie befolgen werden, was entweder die Mehrheit der Genossen oder die, welchen die Macht übertragen war, festsetzen würden.“[4]
Die Autorität des allgemeinen Konsenses wie die Beweiskraft der Methode dient Grotius dazu, die geistige Grundlage der Rechtsordnung zu schaffen, mit deren Hilfe er den Krieg dem Recht unterwerfen will. Er trifft die Unterscheidung zwischen dem Zustand der Menschen in einer Gesellschaftsordnung und einem Zustand der natürlichen Freiheit. Am Anfang stand ein Zustand, in dem die Menschen alles gemeinsam besitzen. Dann ist es laut Grotius in der Menschheitsgeschichte aus äußeren und inneren Ursachen zu einer Teilung der Güter wie zu Auseinandersetzungen zwischen den Menschen gekommen. Die Gleichheit verschwand, es bildete sich Eigentum.
Anthropologisch erkennt Grotius ein Verlangen des Menschen nach Gesellschaft und Gemeinschaft, die von einer vernunftsmäßigen Ordnung und Gesetzen bestimmt ist. Der Mensch hat die Fähigkeit zu einem Denken und Handeln, das sich nach allgemeinen Sätzen richtet. Diese dem menschlichen Geist gemäße Sorge für die Gesellschaft ist die Quelle dessen, was Recht genannt wird. Der menschlichen Natur entspricht es auch, dem richtigen Urteil zu folgen. Was einem solchem Urteil widerspricht, das ist auch gegen das Gesetz der Natur, d.h. der Natur des Menschen. Gemäß Grotius gilt auch das Naturrecht, wenn es keinen Gott gäbe: „Das Naturrecht ist so unveränderlich, daß selbst Gott es nicht verändern kann. Denn obgleich die Macht Gottes unermeßlich ist, so kann man doch manches ausführen, worauf sie sich nicht erstreckt. (…) So wenig also Gott bewirken kann, daß zweimal zwei nicht vier sind, ebenso wenig kann er bewirken, daß das nach seiner inneren Natur Schlechte nicht schlecht ist.“[5] Das ius naturale geht aus dem Wesen des Menschen hervor; es kann aber Gott zugeschrieben werden, der als Schöpfer in den Menschen die Grundgesetze hineingelegt hat.
Wer sich einer Gemeinschaft anschließt, sich einem oder mehreren Menschen unterordnet, verspricht, aus der Natur der Sache heraus, zu befolgen, was die Mehrheit beschlossen hat. Er bezeichnet die menschliche Natur als die Mutter des natürlichen Rechts. Die Gesetze und Verträge haben aber auch einen utilitaristischen Charakter. Der Schöpfer der Natur will, dass die Menschen als einzelne schwach sind und vieler Dinge zur vernünftigen Lebensführung entbehren, damit die Pflege der Gemeinschaft eine hohe Stellung einnimmt. Daher haben die Gesetzgeber die Pflicht, auf den Nutzen in ihrer Gesetzgebung zu achten. Grotius folgert nun, dass ebenso wie die Gesetze der Bürgerschaft auf den Nutzen der einzelnen Menschen zielen, so zwischen Staaten aus der Zustimmung Rechte hervorgehen sollten, die nicht mehr auf den Nutzen einzelner, sondern den Nutzen der Gesamtheit gerichtet sind: „Wie nun das Recht eines jeden Staates auf den Nutzen des Staates eingerichtet ist, so hat sich auch unter allen oder mehreren Staaten durch Übereinkommen ein Recht bilden können. Das so entstehende Recht wird nicht den Nutzen einzelner Genossenschaften, sondern nur den des großen Ganzen berücksichtigt haben.“[6] Selbst die größten und mächtigsten Staaten kommen ohne Bündnisse nicht aus; diese werden unsicher, wenn es zwischen den Staaten nicht dieselbe Rechtsverbindlichkeit wie innerhalb der Staaten gibt.
Eine wichtige Frage, die im Zentrum von Grotius‘ Denken stand, war die des Rechtes zum Widerstand gegen die Staatsgewalt. Grotius versuchte sie zu beantworten, indem er von seiner Theorie des status naturalis ausging. Ihm weist er das Recht des einzelnen zu, sich als einzelner selbst gegen ein Unrecht zu wehren. Dieses allgemeine Widerstandsrecht aller spricht er jedoch den Menschen nach der Bildung eines Staatswesens ab, da dies zur Erhaltung von Frieden, Sicherheit und Ordnung geschaffen worden ist. Grotius billigt dem einzelnen auch nicht das Recht zu, im Zweifelsfalle einen auswärtigen Eroberer mit Gewalt zu stürzen oder zu töten. Er zieht jede Form des Friedens, auch um den Preis einer Gewaltherrschaft, dem Risiko der Unruhe oder Unordnung vor.
Literatur:
–Grotius, H.: Drei Bücher vom Recht des Krieges und des Friedens, Tübingen 1950
–Meder, S.: Rechtsgeschichte, Köln 2005
–Mühlegger, F.: Hugo Grotius. Ein christlicher Humanist in politischer Verantwortung, Berlin/New York 2007
–Tiemann, H.: Das Völkerrecht in Geschichte und Gegenwart, München 1994
[1] Meder, S.: Rechtsgeschichte, Köln 2005, S. 243
[2] Tiemann, H.:Das Völkerrecht in Geschichte und Gegenwart, München 1994, S. 76f
[3] Mühlegger, F.: Hugo Grotius. Ein christlicher Humanist in politischer Verantwortung, Berlin/New York 2007, S. 24
[4] Grotius, H.: Drei Bücher vom Recht des Krieges und des Friedens, Tübingen 1950, S. 34
[5] Ebd., S. 50
[6] Ebd., S. 35
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