35. INTERNATIONALES FILMFEST MÜNCHEN: HOMMAGE REINHARD HAUFF
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- Das 35. FILMFEST MÜNCHEN (22.06.-01.07.2017) widmet dem deutschen Regisseur Reinhard Hauff eine Hommage
- Gezeigt werden 13 Werke, die von 1968 bis 1989 entstanden sind
Reinhard Hauff ist der vielleicht unbekannteste bekannte deutsche Regisseur. In den Siebzigerjahren war er Teil des kreativen Kreises, der den Neuen Deutschen Film begründete: Er gründete mit Volker Schlöndorff und Eberhard Junkersdorf die Produktionsfirma Bioskop-Film. Gemeinsam schufen sie neue Perspektiven für ein politisches und sozial relevantes Kino.
„Reinhard Hauff war ein Seismograf seiner Zeit. Und dabei radikal solidarisch mit den Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden“, sagt Festivalleiterin Diana Iljine: „Seine Filme sind bis heute aktuell. Besonders spannend ist es, dass man bei ihm im Blick zurück das Neue im Alten entdecken kann. Genau das möchte die Hommage zeigen.“
1939 in Marburg geboren, kam der Sohn eines Juristen für sein Germanistikstudium nach München und landete recht schnell beim Fernsehen. Für die Bavaria Atelier GmbH machte Hauff in den Sechzigerjahren zunächst klassische Unterhaltungsformate. Er galt als „große Hoffnung“ für das deutsche Fernsehen, wie es sein TV-Mentor, der Show-Regisseur Michael Pfleghar, einst formulierte. Unterhaltung und Humor bleiben bei Hauff stets ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit. Auf die Frage, was ihm wichtiger sei, Message oder Entertainment, sagte er einmal: „Natürlich Entertainment. Sonst kann ich den Leuten ja gleich einen Zettel hinschieben, auf dem steht ‚ich bin der Meinung, dass…‘.“
Hauff wollte aber immer zum Film. Er fing an, Sozialreportagen fürs Fernsehen zu adaptieren, arbeitete mit bedeutenden Autoren wie Martin Sperr, Burkhard Driest, Martin Walser, Franz-Josef Degenhardt, Peter Schneider, Volker Ludwig, Christel Buschmann, Stefan Aust. Schließlich wurde er zu einem der wichtigsten Regisseure seiner Zeit, der zwischen 1968 und 1989 sein wandlungsreiches und immer kritisch engagiertes Ouvre vorlegte, das bis heute jede Menge Aktualität transportiert.
In Hauffs frühem Anti-Heimatfilm „Mathias Kneissl“ (1971) mischt der legendäre bayerische Räuber Kneissl eine verstaubte Dorfgemeinde auf, dagegen revoltieren in „Paule Pauländer“ (1975) und „Der Hauptdarsteller“ (1977) Söhne gegen ihre Väter. In „Messer im Kopf“ (1978) steckt der junge Bruno Ganz in einer Identitätskrise, ähnlich wie Marius Müller-Westernhagen im Grenzdrama „Der Mann auf der Mauer“ (1982). Während der eine nach einem Kopfschuss sein Gedächtnis verliert, kann sich letzterer nicht zwischen der DDR und der Bundesrepublik entscheiden.
Für Furore sorgte in den Achtzigern vor allem Hauffs Prozessfilm „Stammheim – Baader-Meinhof vor Gericht“ (1986). Darin verdichtet Hauff die komplexe RAF-Geschichte auf Stefan Austs Gerichtsprotokolle und bekam dafür 1986 den Goldenen Bären auf der Berlinale verliehen: „Ich habe meine Arbeit immer auch als moralische Verpflichtung empfunden, für politische Veränderungen einzutreten „, so Hauff. „In diese Aufgabe sind wir durch die Zeitläufe damals hineingewachsen.“
Zurück zu seinen Anfängen in der Unterhaltungsbranche fand Hauff mit einem seiner letzten Filme, „Linie 1“ (1987), der Verfilmung des Hit-Musicals vom Grips-Theater. Aber auch hier wirft er einen sozialkritischen Blick auf Berlin, wo sich allerlei Gesindel in der U-Bahn trifft und die naive Sunnie die harte Großstadtrealität erlebt.
Danach hat Reinhard Hauff sein Filmwissen an den Nachwuchs weitergegeben: als Direktor der Deutschen Film und Fernsehakademie Berlin (DFFB) von 1993 bis 2005. Im Rahmen der Hommage werden auf dem FILMFEST MÜNCHEN 2017 folgende Filme von Reinhard Hauff gezeigt:
Wilson Pickett-Show
Deutschland 1968, 44 min.
Janis Joplin
Deutschland 1969, 44 min.
Mathias Kneissl
Deutschland 1971, 91 min.
mit Hans Brenner, Ruth Drexel, Hannah Schygulla, Eva Mattes
Die Verrohung des Franz Blum
Deutschland 1973, 104 min.
mit Jürgen Prochnow, Burkhard Driest
Zündschnüre
Deutschland 1974, 102 min.
Paule Pauländer
Deutschland 1975, 95 min.
Der Hauptdarsteller
Deutschland 1977, 91 min.
mit Michael Schweiger, Mario Adorf, Hans Brenner, Vadim Glowna
Messer im Kopf
Deutschland 1978, 109 min.
mit Bruno Ganz, Angela Winkler, Hans Brenner
Der Mann auf der Mauer
Deutschland 1982, 100 min.
mit Marius Müller-Westernhagen
10 Tage in Calcutta
Deutschland 1984, 82 min.
Stammheim – Baader-Meinhof vor Gericht
Deutschland 1986, 100 min.
mit Ulrich Tukur, Therese Affolter
Linie 1
Deutschland 1987, 96 min.
Blauäugig
Deutschland 1989, 88 min.
mit Götz George, Miguel Ángel Solá
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