Historisches Gedenken, Hypothesen und Fakten. Anmerkungen zur Kritik der Russischen Revolution

Winterlandschaft, Foto: Stefan Groß

I.

Gedenkjahre inspirieren in vielschichtiger Weise zum Nachdenken über Geschichte und Politik: zur Einsicht in die Komplexität eines jeden historischen Zusammenhangs, zur Schwierigkeit einer »exakten«, faktengerechten Rekonstruktion vergangenen Geschehens, sodann zum Urteilen, verknüpft mit Werturteilen, über Akteure und Fakten. Historische Urteile sind sodann verquickt mit Hypothesen, weithin identisch mit Geschichte im Irrealis: »Was wäre gewesen, wenn…« Nur späten Hegelianern oder politisch Rechtgläubigen erschließt sich der Sinn des Vergangenen. Jüngstes Beispiel für die vergebliche Suche nach wünschbaren Alternativen in der Vergangenheit ist das 100jährige Gedenken an die Russische Revolution im Kriegsjahr 1917.

II.

Nachdem – spätestens seit dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums – Begriff und Glanz der Oktoberrevolution verblasst sind, gilt die Sympathie liberaler Historiker und Kommentatoren der Februarrevolution. Ein Beispiel dafür ist der Aufsatz des einstigen Frankfurter ›68er‹ Jungrevolutionärs und späteren Herausgebers der Welt, Thomas Schmid. Nach Lektüre der »ohne Zweifel geschönten« Memoiren Alexander Kerenskijs, des anno 1940 im New Yorker Exil verstorbenen Gegenspielers der Bolschewiki, kommt er zu folgendem Resümee: »Noch immer überlagert die russische Oktoberrevolution die vorangegangene Februarrevolution des Jahres 1917. Zu Unrecht. Denn mit der Februarrevolution begann – für ein halbes Jahr – die einzige Phase der russischen Geschichte, in der ernsthaft für die Begründung von Republik und Demokratie gekämpft wurde.« (https://www.welt.de/debatte/kommentare/article170374473/Alexander-Kerenski-der-letzte-Buergerliche.html)

Schmid sieht in Kerenskij einen ›Menschenfreund‹, der aber ›kein Menschenkenner‹ gewesen sei, und darum seinen größten Fehler beging, als er den General Kornilow zum Obersten Befehlshaber ernannte. Durch den Anfang September 1917 (gregorianischer Kalender) unternommenen Putschversuch des Generals Kornilow seien die bis dato schwachen, im Juli mit einem ersten Aufstand gescheiterten Bolschewiken erneut zum Zuge gekommen. Das ist chronologisch und in der Sache zutreffend, enthält dennoch ein Fehlurteil.

Zwar erwähnt Schmid die von der liberal-sozialistischen Provisorischen Regierung dilatorisch behandelte Agrarfrage als ein Moment des Scheiterns der mit der Februarrevolution assoziierten demokratischen Hoffnungen. Den grundlegenden Fehler, den Kerenskij – zuvor Justizminister in der Provisorischen Regierung, ab 1. Juni (greg. Kal.) Kriegs- und Marineminister – beging, als er anstelle einer Friedensinitiative Anfang Juli 1917 den verbündeten Westmächten zu Gefallen, aber eben auch aus patriotischer Überzeugung eine neue Offensive – die nach wenigen Tagen gescheiterte »Kerenskij-Offensive« – eröffnete, benennt er nicht. Stattdessen kommentiert er Kerenskijs fatales Festhalten am Krieg in positiver Wendung. Seine Regierung – ab 21. Juli (greg. Kal.) fungierte Kerenskij als Ministerpräsident – sei den »verbündeten Regierungen Regierungen Frankreichs und Englands voraus (gewesen)«. Denn er habe anders als seine Verbündeten keine »imperialen« – besser imperialistischen – Ziele mehr verfolgt, sondern erklärt, »dass es nicht das Ziel des freien Russlands ist, über andere Nationen zu herrschen, nach ihren nationalen Besitztümern zu greifen oder gewaltsam fremde Völker zu erobern«.

Das Zitat – eine Selbstinterpretation – wird weder den Motiven Kerenskijs noch den historischen Details gerecht. Erst nach dem Zusammenbruch der Offensive ernannte Kerenskij, bedrängt vom Verlangen der ›Volksmassen‹ nach Frieden, von kriegsmüden, illoyalen Truppen sowie von den Bolschewiki, als Nachfolger von General A.A. Brussilow – später Berater der Roten Armee – Lawr G. Kornilow, erfolgreich als einziger an seinem Frontabschnitt, zum Oberbefehlshaber. Sein Name steht für den mit Hilfe der Bolschewiki abgewehrten konterrevolutionären Putsch. Der Historiker Georg von Rauch bezweifelt indes, dass Kornilow – er kam in der Anfangsphase des Bürgerkriegs im April 1918 als General der ›Weißen‹ zu Tode – in dieser Phase, als es auch Kerenskij darum ging, den Petrograder Sowjet zu entmachten, auf die Restauration der Monarchie zielte. (Georg von Rauch, Geschichte des bolschewistischen Russland, Fischer Bücherei, 62-64).

In Kerenskijs ›demokratischer‹ Regierung fungierte als faktischer Leiter des Kriegsministeriums sowie als politischer Kommissar des Oberkommandos der Terrorist Boris W. Sawinkow. In dessen Persönlichkeit – gleichsam die Inkarnation eines revolutionären Nihilisten – begegnen uns alle Paradoxien der Russischen Revolution. Sein Name tauchte jüngst aus dem historischen Dunkel wieder auf durch die Publikation seines Bürgerkriegsromans Das fahle Pferd. Sawinkow, vehementer Feind der Bolschewiki, beging nach seiner Verhaftung 1924 Selbstmord.

In mehrfacher Hinsicht erscheint somit Thomas Schmids historisch-politische Parteinahme für Kerenskij problematisch. Mit ihrer Entscheidung zur Fortsetzung des Krieges an der Seite der Entente bereiteten die ›Sozialpatrioten‹ – dies die verächtliche Formel Lenins – ihren eigenen Untergang vor. Es handelte sich nicht nur um eine Fehlentscheidung im Hinblick auf die noch ungebrochene Stärke der Mittelmächte, sondern um die Missachtung eben jener Umstände, die zur Februarrevolution geführt und die Chance einer demokratischen Staatsordnung eröffnet hatten.

Unberührt von dieser Feststellung bleibt die Frage, wie Friedenssignale seitens der Provisorischen Regierung bei der siegesgewissen deutschen Führung angekommen worden wären. Die OHL hätte einen Diktatfrieden – wie ein Jahr später im Frieden von Brest-Litowsk (3. März 1918) gegenüber den Bolschewiki – durchzusetzen versucht. Immerhin wäre Russland die Oktoberrevolution, die Machtübernahme der Bolschewiki, der Bürgerkrieg, Millionenopfer – und Stalin erspart geblieben. Man kann den Faden im Hinblick auf die Chancen eines Friedens – und der Demokratie – im 20. Jahrhundert weiterspinnen…

III.

In Globkult vom 16. November 2017 befasst sich Holger Czitrich-Stahl mit den »Lehren aus den russischen Revolutionen von 1917«. Anstelle einer scharfen Trennung des Revolutionszyklus »in eine gute und eine böse Revolution« verfolgt der Autor eine Sichtweise, in der die beiden Grundströmungen der russischen Revolution – die demokratische und die sozialistische – zusammen gesehen werden. Entgegen der historisch-faktischen Realität – vom Oktoberumsturz zur Diktatur der Bolschewiki – stellt der Autor als wünschbares, historisch leider verfehltes Ziel den Idealtypus der sozialen – nicht etwa sozialistischen? – Demokratie vor Augen.

Dass das Wünschbare nicht Wirklichkeit werden konnte, bedarf der Begründung im Faktischen. Czitrich-Stahls Begründung lautet: »Weil die Menschewiki die Demokratie nicht sofort sozial ausgestalteten, scheiterten sie schnell. Weil die Kommunisten die Demokratie dem Klassenkampf von oben opferten, scheiterten auch sie.«

Zur Kritik dieser Begründung – mehr These als Argument – weiter unten. Zunächst zwei Korrekturen zur Person und Rolle Kerenskijs. Der aus derselben Stadt Simbirsk und demselben bürgerlichen Milieu wie Lenin entstammende Kerenskij war kein Menschewik, somit kein marxistisch orientierter Sozialdemokrat, sondern gehörte ab 1912 als Vertreter der »Trudowiki«, einer agrarsozialistischen Gruppierung, der Duma an. Im Februar 1917 schloss er sich den – aus dem russischen Anarchismus stammenden, programmatisch diffusen – Sozialrevolutionären (SR) an. Im April unter dem Liberalen Pawel W. Miljukow (Chef der ›Kadetten‹ / Konstitutionelle Demokraten) Justizminister, wechselte Kerenskij Anfang Juni im zweiten Kabinett des Fürsten Lwow vom Justiz- ins Kriegsministerium (s.o.) und stand bereits im Juli – nicht erst »vom Augustende« an – an der Spitze der jetzt sozialistisch-liberalen Provisorischen Regierung.

Damit rückt erneut Kerenskijs doppeltes Versagen – die Fortsetzung des Krieges sowie die Vertagung der Agrarfrage – der Kern der ›sozialen Ausgestaltung‹ im bäuerlichen Russland – in den Vordergrund. Man verschob alle zentralen Fragen auf die Wahlen und den Zusammentritt der Konstituante, während im Westen die Front zusammenbrach, sich die Versorgung in den Städten verschlechterte und auf dem Land die Plünderungen und Landbesetzungen einsetzen. In dieser Phase erhielten die Bolschewiki dank ihrer radikalen Parolen (›Frieden! Brot! Land! Alle Macht den Räten!‹) Zulauf, was Trotzki, inzwischen Vorsitzender des Petrograder Sowjets, und Lenin – seit dem gescheiterten Juliputsch der Bolschewiki versteckt in Finnland – zu ihrem Coup am 24./25. Oktober (julian. Kal.; 6./7.Nov. nach gregor. Kal.) beflügelte.

Czitrich-Stahl ruft Karl Kautsky und Rosa Luxemburg als Kritiker der von Lenin und Trotzkij – mit der Auflösung der Konstituante (gewählt vier Wochen nach der Oktoberrevolution) am 19. Januar 1918 (gregor. Kal.) – unverblümt etablierten Diktatur der Bolschewiki auf. Im Falle Kautskys ist dessen Bekenntnis zur Demokratie als Voraussetzung der Entwicklung zum Sozialismus eindeutig. Nicht zufällig traf den ›Zentristen‹ Kautsky schon in den Jahren zuvor Lenins Verachtung. In der Ablehnung der Leninschen ›Diktatur des Proletariats‹ anno 1918 sowie in den Folgejahren demonstrierte Kautsky sein Verständnis von Demokratie als eines gewaltfreien, Minderheiten respektierenden Prozesses.

Was Rosa Luxemburgs Position betrifft, bezieht sich Czitrich-Stahl auf das »berühmte Freiheitszitat« in ihrer – im Herbst 1918 noch im Gefängnis in Breslau verfassten, erst 1922 von Paul Levi veröffentlichten – Schrift Zur russischen Revolution (nachfolgend zitiert aus: (https://www.marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg/1918/russrev/index.htm). Sie habe »vorausschauend befürchtet«, die Oktoberrevolution werde unter der Sowjetdiktatur in die Schreckensherrschaft der Französischen Revolution münden.

IV.

Manfred Scharrer hat wiederholt Zweifel an der politischen Eindeutigkeit von Luxemburgs Position vorgetragen (Manfred Scharrer, Freiheit ist immer… die Legende von Rosa und Karl, Berlin 2002; siehe vom selben Autor auch: Diktatur ist die wahre Demokratie. Rosa Luxemburg in der November-Revolution, http://www.manfred-scharrer.de/Manfred_Scharrer/Downloads_files/Rosaimnovember.pdf). Tatsächlich ergibt sich nach Lektüre ihrer (eingangs ausdrücklich gegen »den fleißigen Mann Kautsky« gerichteten ) Schrift – sie trägt an einigen Stellen noch Züge eines Rohentwurfs – ein widersprüchliches Bild. Als Kern von Luxemburgs Kritik an Lenin und Trotzkij und als Ausweis ihrer freiheitlichen Gesinnung gilt das von Czitrich-Stahl hervorgehobene Freiheitszitat (im Original eine nicht zuzuordnende Randbemerkung): »Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer nur Freiheit des anders Denkenden. Nicht wegen des Fanatismus der ›Gerechtigkeit‹, sondern weil all das Belehrende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die ›Freiheit‹ zum Privilegium wird.« (Ibid., Teil IV)

Die Schrift enthält in der Tat eine ganze Reihe von Passagen, die deutliche Kritik am Vorgehen Lenins und Trotzkijs üben. Diese Kritik bezieht sich jedoch nicht nur auf die Beseitigung der Konstituante, die Luxemburg – zusammen mit dem Festhalten am allgemeinen Wahlrecht – als demokratische Institution verteidigt. Ihren Begriff von der ›Diktatur des Proletariats‹ (als Klassenherrschaft des Proletariats) will sie geschieden wissen von der von den Bolschewiki durchgesetzten Diktatur. Deren Praxis – sie nennt als Beispiel »das Verschieben der Sowjet-Kongresse von drei auf sechs Monate« – müsse zwangsläufig in eine ›Cliquenwirtschaft‹ münden, »aber nicht [in] die Diktatur des Proletariats, sondern [in] die Diktatur einer Handvoll Politiker, d.h. Diktatur im bürgerlichen Sinne, im Sinne der Jakobinerherrschaft … Ja noch weiter: solche Zustände müssen eine Verwilderung des öffentlichen Lebens zeitigen: Attentate, Geiselerschießungen usw. Das ist ein übermächtiges objektives Gesetz, dem sich keine Partei zu entziehen vermag.« (Ibid.)

An anderer Stelle, auf einem beigelegten losen Blatt, ist folgende Notiz zum Thema ›Terror‹ – die Bolschewiki dekretierten nach Vorbild der Jakobiner bereits im Dezember 1918 den Terror als Instrument der Revolution – zu finden: »Und doch ist auch in dieser Beziehung der Terror ein stumpfes, ja zweischneidiges Schwert. Die drakonischste Feldjustiz ist ohnmächtig gegen Ausbrüche des lumpenproletarischen Unwesens. Ja, jedes dauernde Regiment des Belagerungszustandes führt unweigerlich zur Willkür, und jede Willkür wirkt depravierend auf die Gesellschaft. Das einzige wirksame Mittel in der Hand der proletarischen Revolution sind auch hier: radikale Maßnahmen politischer und sozialer Natur, rascheste Umwandlung der sozialen Garantien des Lebens der Masse und – Entfachung des revolutionären Idealismus, der sich nur in uneingeschränkter politischer Freiheit durch intensiv aktives Leben der Massen auf die Dauer halten lässt.«

Aus derlei Sätzen, getragen von revolutionärem Optimismus sowie idealistischem Vertrauen in die ›Massen‹ spricht hinsichtlich der »so reichlichen Anwendung des Terrors durch die Räteregierung« (Ibid., Teil IV) kritische Distanz. An anderen Stellen scheint indes eine andere, von marxistischer Geschichtslogik diktierte, positivere Sichtweise jakobinischer Diktatur durch. Da heißt es: »Die Machtergreifung der Jakobiner erwies sich hier nach vierjährigen Kämpfen als das einzige Mittel, die Errungenschaften der Revolution zu retten, die Republik zu verwirklichen, den Feudalismus zu zerschmettern, die revolutionäre Verteidigung nach innen wie nach außen zu organisieren, die Konspiration der Konterrevolution zu erdrücken, die revolutionäre Welle aus Frankreich über ganz Europa zu verbreiten.« Und weiter, gegen »Kautsky und seine russischen Gesinnungsgenossen« (die Menschewiki) zielend: »Die wirkliche Alternative zu der Jakobiner-Diktatur, wie sie der eherne Gang der geschichtlichen Entwicklung im Jahre 1793 stellte, [wäre] nicht die ›gemäßigte‹ Demokratie, sondern – Restauration der Bourbonen [gewesen]! Der ›goldene Mittelweg‹ lässt sich eben in keiner Revolution aufrechterhalten…« (Ibid., Teil II). Eine solche Rechtfertigung der Diktatur – zum höheren Zweck der Geschichte – impliziert die Hinnahme des Terrors, zumindest post eventum im Blick auf die Französische Revolution.

Ohne Einschränkung bejaht Rosa Luxemburg den revolutionären Griff der Bolschewiki zur Macht. Sie hätten »die berühmte Frage nach der ›Mehrheit des Volkes‹, die den deutschen Sozialdemokraten seit jeher wie ein Alp auf der Brust liegt«, auf ihre Weise gelöst. (Ibid.) Die deutschen Sozialdemokraten figurieren »als eingefleischte Zöglinge des parlamentarischen Kretinismus«. Mit solchen Worten werden demokratische Bekenntnisse wie »daß ohne freie, ungehemmte Presse, ohne ungehindertes Vereins- und Versammlungsleben gerade die Herrschaft breiter Volksmassen völlig undenkbar ist«, wieder in Frage gestellt. Denn wie wäre die von Luxemburg angestrebte ›sozialistische Demokratie‹ zu verwirklichen, wenn die ›Volksmassen‹ bei freien Wahlen die bürgerliche Variante der Demokratie bevorzugten?

Luxemburgs spitzt ihre Kritik an Lenin an zwei weiteren Punkten zu. Bekannt ist ihre Ablehnung des von den Bolschewiki proklamierten Selbstbestimmungsrechts der Nationen – für die Kosmopolitin Luxemburg »nichts als hohle kleinbürgerliche Phraseologie und Humbug«. Separatistische Bestrebungen hätten die Bolschewiki »mit eiserner Hand, deren Gebrauch in diesem Falle wahrhaft im Sinne und Geist der proletarischen Diktatur lag, im Keime ersticken« sollen, statt ›die Massen‹ mit der Selbstbestimmungsparole zu verwirren.

Weniger oft wird in der Literatur auf Rosa Luxemburgs Ablehnung der maßgeblich von Lenins Revolutionsparolen inspirierten Agrarrevolution, sprich: der von Gewalt gekennzeichneten Aneignung des Gutsbesitzes sowie Staats- und Kirchenlandes durch die Bauern in Erinnerung gebracht. »Die unmittelbare Landergreifung durch die Bauern [hat] mit sozialistischer Wirtschaft meist gar nichts gemein.« Luxemburg zeiht Lenin der Preisgabe seines »eigenen Agrarprogramms vor der Revolution«. Sozialismus gründe auf der »Nationalisierung des großen und mittleren Grundbesitzes, Vereinigung der Industrie und der Landwirtschaft.« Jetzt betreibe Lenin in der Agrarfrage »Dezentralisation und Privateigentum«. Mit seiner »Agrarreform hat [er] dem Sozialismus auf dem Land eine neue mächtige Volksschicht von Feinden geschaffen, deren Widerstand viel gefährlicher und zäher sein wird, als es derjenige der adligen Großgrundbesitzer war.« Eine zutreffende Prognose, die indes offen lässt, wie Rosa Luxemburg, bürgerlich-elitär in ihrer Verachtung für die »Idiotie des Landlebens« (Karl Marx), den Sozialismus auf dem Lande ins Werk gesetzt hätte. Es bleibt festzustellen, dass die klassische Sozialdemokratie, geprägt vom Bild der industriellen Revolution, für Agrarfragen – nicht nur in einem Land wie Russland – wenig Interesse zeigte.

V.

Der Exkurs zu Rosa Luxemburgs Schrift zur Russischen Revolution lenkt den Blick auf ihr Schicksal – die Ermordung durch Freikorpsleute nach Scheitern des Spartakusaufstandes am 15. Januar 1919. Ihre historische Tragik besteht darin, dass sie – in der Vorphase des Aufstandes moderater agierend als Karl Liebknecht – vor den Konsequenzen ihres theoretischen Radikalismus zurückschreckte, aber vom Strudel der Ereignisse mitgerissen wurde. In den Gründungstagen der KPD (29. Dezember 1918 – 01.Januar 1919) trat sie gegen den von der Mehrheit befürworteten Boykott für die Beteiligung an den vom Reichsrätekongress (16.-21.12.1918) mit großer Mehrheit beschlossenen Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung hervor, wenngleich mit der Begründung, die Nationalversammlung als Tribüne zur »Erziehung der Massen [sc. zu nutzen]…Wir wollen innerhalb der Nationalversammlung ein siegreiches Zeichen aufpflanzen, gestützt auf die Aktion von außen. Wir wollen dieses Bollwerk von innen heraus sprengen.« (Rosa Luxemburg: Reden, Kapitel 57: Zur Beteiligung der KPD an den Wahlen zur Nationalversammlung, http://gutenberg.spiegel.de/buch/reden-2089/1)

Als am 5./6. Januar die Radikalen im Umfeld des Spartakusbundes zur Erhebung gegen die Regierung Ebert – und das von der Mehrheitssozialdemokratie verfolgte ›konterrevolutionäre‹ Konzept einer bürgerlich-parlamentarischen Demokratie – riefen und sich Liebknecht an ihre Spitze stellte, suchte Rosa Luxemburg noch nach einem Ausweg durch Verhandlungen mit Friedrich Ebert. Es kam nicht mehr dazu.

Zwischen dem Fortgang der Russischen Revolution – von der Februarrevolution zur Oktoberrevolution, Bürgerkrieg, Hungersnot, Neue Ökonomische Politik (NEP) und Aufstieg Stalins – und der Geschichte der Weimarer Republik – Novemberrevolution, Aufstände und Freikorps, Links- und Rechtsradikalismus, Aufstieg der NSDAP ab 1930 – besteht ein enger Zusammenhang. Ob ohne den Tod der kommunistischen Märtyrer Rosa und Karl das nachfolgende Unheil in Deutschland, Russland und Europa hätte abgewehrt können, erscheint als Frage allzu spekulativ.

Eindeutig zu beantworten ist die Frage nach den Wurzeln allen Unheils des vergangenen Jahrhunderts. Sie liegen in den Augusttagen 1914. Die europäische Sozialdemokratie konnte den »Selbstmord Europas« (Paul Ricoeur) nicht verhindern. Erst durch den Weltkrieg kamen die Kerenskij und Lenin, die Kontrahenten in der Russischen Revolution, zum Zuge. Andere Lehren sind aus der russischen Geschichte des Jahres 1917 kaum zu gewinnen, wohl aber aus der Vorgeschichte: aus der Dialektik von Autokratie, unvollendeten Reformen, Radikalismus, Terror, Kriegen und Revolution.

Zuerst erschienen in: Iablis 2017:

https://www.iablis.de/iablis/themen/2017-die-leidgepruefte-demokratie/forum-2017/394-historisches-gedenken,-hypothesen-und-fakten-anmerkungen-zur-kritik-der-russischen-revolution

Historisches Gedenken, Hypothesen und Fakten. Anmerkungen zur Kritik der Russischen Revolution

Herbert Ammon

I.

Gedenkjahre inspirieren in vielschichtiger Weise zum Nachdenken über Geschichte und Politik: zur Einsicht in die Komplexität eines jeden historischen Zusammenhangs, zur Schwierigkeit einer »exakten«, faktengerechten Rekonstruktion vergangenen Geschehens, sodann zum Urteilen, verknüpft mit Werturteilen, über Akteure und Fakten. Historische Urteile sind sodann verquickt mit Hypothesen, weithin identisch mit Geschichte im Irrealis: »Was wäre gewesen, wenn…« Nur späten Hegelianern oder politisch Rechtgläubigen erschließt sich der Sinn des Vergangenen. Jüngstes Beispiel für die vergebliche Suche nach wünschbaren Alternativen in der Vergangenheit ist das 100jährige Gedenken an die Russische Revolution im Kriegsjahr 1917.

II.

Nachdem – spätestens seit dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums – Begriff und Glanz der Oktoberrevolution verblasst sind, gilt die Sympathie liberaler Historiker und Kommentatoren der Februarrevolution. Ein Beispiel dafür ist der Aufsatz des einstigen Frankfurter ›68er‹ Jungrevolutionärs und späteren Herausgebers der Welt, Thomas Schmid. Nach Lektüre der »ohne Zweifel geschönten« Memoiren Alexander Kerenskijs, des anno 1940 im New Yorker Exil verstorbenen Gegenspielers der Bolschewiki, kommt er zu folgendem Resümee: »Noch immer überlagert die russische Oktoberrevolution die vorangegangene Februarrevolution des Jahres 1917. Zu Unrecht. Denn mit der Februarrevolution begann – für ein halbes Jahr – die einzige Phase der russischen Geschichte, in der ernsthaft für die Begründung von Republik und Demokratie gekämpft wurde.« (https://www.welt.de/debatte/kommentare/article170374473/Alexander-Kerenski-der-letzte-Buergerliche.html)

Schmid sieht in Kerenskij einen ›Menschenfreund‹, der aber ›kein Menschenkenner‹ gewesen sei, und darum seinen größten Fehler beging, als er den General Kornilow zum Obersten Befehlshaber ernannte. Durch den Anfang September 1917 (gregorianischer Kalender) unternommenen Putschversuch des Generals Kornilow seien die bis dato schwachen, im Juli mit einem ersten Aufstand gescheiterten Bolschewiken erneut zum Zuge gekommen. Das ist chronologisch und in der Sache zutreffend, enthält dennoch ein Fehlurteil.

Zwar erwähnt Schmid die von der liberal-sozialistischen Provisorischen Regierung dilatorisch behandelte Agrarfrage als ein Moment des Scheiterns der mit der Februarrevolution assoziierten demokratischen Hoffnungen. Den grundlegenden Fehler, den Kerenskij – zuvor Justizminister in der Provisorischen Regierung, ab 1. Juni (greg. Kal.) Kriegs- und Marineminister – beging, als er anstelle einer Friedensinitiative Anfang Juli 1917 den verbündeten Westmächten zu Gefallen, aber eben auch aus patriotischer Überzeugung eine neue Offensive – die nach wenigen Tagen gescheiterte »Kerenskij-Offensive« – eröffnete, benennt er nicht. Stattdessen kommentiert er Kerenskijs fatales Festhalten am Krieg in positiver Wendung. Seine Regierung – ab 21. Juli (greg. Kal.) fungierte Kerenskij als Ministerpräsident – sei den »verbündeten Regierungen Regierungen Frankreichs und Englands voraus (gewesen)«. Denn er habe anders als seine Verbündeten keine »imperialen« – besser imperialistischen – Ziele mehr verfolgt, sondern erklärt, »dass es nicht das Ziel des freien Russlands ist, über andere Nationen zu herrschen, nach ihren nationalen Besitztümern zu greifen oder gewaltsam fremde Völker zu erobern«.

Das Zitat – eine Selbstinterpretation – wird weder den Motiven Kerenskijs noch den historischen Details gerecht. Erst nach dem Zusammenbruch der Offensive ernannte Kerenskij, bedrängt vom Verlangen der ›Volksmassen‹ nach Frieden, von kriegsmüden, illoyalen Truppen sowie von den Bolschewiki, als Nachfolger von General A.A. Brussilow – später Berater der Roten Armee – Lawr G. Kornilow, erfolgreich als einziger an seinem Frontabschnitt, zum Oberbefehlshaber. Sein Name steht für den mit Hilfe der Bolschewiki abgewehrten konterrevolutionären Putsch. Der Historiker Georg von Rauch bezweifelt indes, dass Kornilow – er kam in der Anfangsphase des Bürgerkriegs im April 1918 als General der ›Weißen‹ zu Tode – in dieser Phase, als es auch Kerenskij darum ging, den Petrograder Sowjet zu entmachten, auf die Restauration der Monarchie zielte. (Georg von Rauch, Geschichte des bolschewistischen Russland, Fischer Bücherei, 62-64).

In Kerenskijs ›demokratischer‹ Regierung fungierte als faktischer Leiter des Kriegsministeriums sowie als politischer Kommissar des Oberkommandos der Terrorist Boris W. Sawinkow. In dessen Persönlichkeit – gleichsam die Inkarnation eines revolutionären Nihilisten – begegnen uns alle Paradoxien der Russischen Revolution. Sein Name tauchte jüngst aus dem historischen Dunkel wieder auf durch die Publikation seines Bürgerkriegsromans Das fahle Pferd. Sawinkow, vehementer Feind der Bolschewiki, beging nach seiner Verhaftung 1924 Selbstmord.

In mehrfacher Hinsicht erscheint somit Thomas Schmids historisch-politische Parteinahme für Kerenskij problematisch. Mit ihrer Entscheidung zur Fortsetzung des Krieges an der Seite der Entente bereiteten die ›Sozialpatrioten‹ – dies die verächtliche Formel Lenins – ihren eigenen Untergang vor. Es handelte sich nicht nur um eine Fehlentscheidung im Hinblick auf die noch ungebrochene Stärke der Mittelmächte, sondern um die Missachtung eben jener Umstände, die zur Februarrevolution geführt und die Chance einer demokratischen Staatsordnung eröffnet hatten.

Unberührt von dieser Feststellung bleibt die Frage, wie Friedenssignale seitens der Provisorischen Regierung bei der siegesgewissen deutschen Führung angekommen worden wären. Die OHL hätte einen Diktatfrieden – wie ein Jahr später im Frieden von Brest-Litowsk (3. März 1918) gegenüber den Bolschewiki – durchzusetzen versucht. Immerhin wäre Russland die Oktoberrevolution, die Machtübernahme der Bolschewiki, der Bürgerkrieg, Millionenopfer – und Stalin erspart geblieben. Man kann den Faden im Hinblick auf die Chancen eines Friedens – und der Demokratie – im 20. Jahrhundert weiterspinnen…

III.

In Globkult vom 16. November 2017 befasst sich Holger Czitrich-Stahl mit den »Lehren aus den russischen Revolutionen von 1917«. Anstelle einer scharfen Trennung des Revolutionszyklus »in eine gute und eine böse Revolution« verfolgt der Autor eine Sichtweise, in der die beiden Grundströmungen der russischen Revolution – die demokratische und die sozialistische – zusammen gesehen werden. Entgegen der historisch-faktischen Realität – vom Oktoberumsturz zur Diktatur der Bolschewiki – stellt der Autor als wünschbares, historisch leider verfehltes Ziel den Idealtypus der sozialen – nicht etwa sozialistischen? – Demokratie vor Augen.

Dass das Wünschbare nicht Wirklichkeit werden konnte, bedarf der Begründung im Faktischen. Czitrich-Stahls Begründung lautet: »Weil die Menschewiki die Demokratie nicht sofort sozial ausgestalteten, scheiterten sie schnell. Weil die Kommunisten die Demokratie dem Klassenkampf von oben opferten, scheiterten auch sie.«

Zur Kritik dieser Begründung – mehr These als Argument – weiter unten. Zunächst zwei Korrekturen zur Person und Rolle Kerenskijs. Der aus derselben Stadt Simbirsk und demselben bürgerlichen Milieu wie Lenin entstammende Kerenskij war kein Menschewik, somit kein marxistisch orientierter Sozialdemokrat, sondern gehörte ab 1912 als Vertreter der »Trudowiki«, einer agrarsozialistischen Gruppierung, der Duma an. Im Februar 1917 schloss er sich den – aus dem russischen Anarchismus stammenden, programmatisch diffusen – Sozialrevolutionären (SR) an. Im April unter dem Liberalen Pawel W. Miljukow (Chef der ›Kadetten‹ / Konstitutionelle Demokraten) Justizminister, wechselte Kerenskij Anfang Juni im zweiten Kabinett des Fürsten Lwow vom Justiz- ins Kriegsministerium (s.o.) und stand bereits im Juli – nicht erst »vom Augustende« an – an der Spitze der jetzt sozialistisch-liberalen Provisorischen Regierung.

Damit rückt erneut Kerenskijs doppeltes Versagen – die Fortsetzung des Krieges sowie die Vertagung der Agrarfrage – der Kern der ›sozialen Ausgestaltung‹ im bäuerlichen Russland – in den Vordergrund. Man verschob alle zentralen Fragen auf die Wahlen und den Zusammentritt der Konstituante, während im Westen die Front zusammenbrach, sich die Versorgung in den Städten verschlechterte und auf dem Land die Plünderungen und Landbesetzungen einsetzen. In dieser Phase erhielten die Bolschewiki dank ihrer radikalen Parolen (›Frieden! Brot! Land! Alle Macht den Räten!‹) Zulauf, was Trotzki, inzwischen Vorsitzender des Petrograder Sowjets, und Lenin – seit dem gescheiterten Juliputsch der Bolschewiki versteckt in Finnland – zu ihrem Coup am 24./25. Oktober (julian. Kal.; 6./7.Nov. nach gregor. Kal.) beflügelte.

Czitrich-Stahl ruft Karl Kautsky und Rosa Luxemburg als Kritiker der von Lenin und Trotzkij – mit der Auflösung der Konstituante (gewählt vier Wochen nach der Oktoberrevolution) am 19. Januar 1918 (gregor. Kal.) – unverblümt etablierten Diktatur der Bolschewiki auf. Im Falle Kautskys ist dessen Bekenntnis zur Demokratie als Voraussetzung der Entwicklung zum Sozialismus eindeutig. Nicht zufällig traf den ›Zentristen‹ Kautsky schon in den Jahren zuvor Lenins Verachtung. In der Ablehnung der Leninschen ›Diktatur des Proletariats‹ anno 1918 sowie in den Folgejahren demonstrierte Kautsky sein Verständnis von Demokratie als eines gewaltfreien, Minderheiten respektierenden Prozesses.

Was Rosa Luxemburgs Position betrifft, bezieht sich Czitrich-Stahl auf das »berühmte Freiheitszitat« in ihrer – im Herbst 1918 noch im Gefängnis in Breslau verfassten, erst 1922 von Paul Levi veröffentlichten – Schrift Zur russischen Revolution (nachfolgend zitiert aus: (https://www.marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg/1918/russrev/index.htm). Sie habe »vorausschauend befürchtet«, die Oktoberrevolution werde unter der Sowjetdiktatur in die Schreckensherrschaft der Französischen Revolution münden.

IV.

Manfred Scharrer hat wiederholt Zweifel an der politischen Eindeutigkeit von Luxemburgs Position vorgetragen (Manfred Scharrer, Freiheit ist immer… die Legende von Rosa und Karl, Berlin 2002; siehe vom selben Autor auch: Diktatur ist die wahre Demokratie. Rosa Luxemburg in der November-Revolution, http://www.manfred-scharrer.de/Manfred_Scharrer/Downloads_files/Rosaimnovember.pdf). Tatsächlich ergibt sich nach Lektüre ihrer (eingangs ausdrücklich gegen »den fleißigen Mann Kautsky« gerichteten ) Schrift – sie trägt an einigen Stellen noch Züge eines Rohentwurfs – ein widersprüchliches Bild. Als Kern von Luxemburgs Kritik an Lenin und Trotzkij und als Ausweis ihrer freiheitlichen Gesinnung gilt das von Czitrich-Stahl hervorgehobene Freiheitszitat (im Original eine nicht zuzuordnende Randbemerkung): »Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer nur Freiheit des anders Denkenden. Nicht wegen des Fanatismus der ›Gerechtigkeit‹, sondern weil all das Belehrende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die ›Freiheit‹ zum Privilegium wird.« (Ibid., Teil IV)

Die Schrift enthält in der Tat eine ganze Reihe von Passagen, die deutliche Kritik am Vorgehen Lenins und Trotzkijs üben. Diese Kritik bezieht sich jedoch nicht nur auf die Beseitigung der Konstituante, die Luxemburg – zusammen mit dem Festhalten am allgemeinen Wahlrecht – als demokratische Institution verteidigt. Ihren Begriff von der ›Diktatur des Proletariats‹ (als Klassenherrschaft des Proletariats) will sie geschieden wissen von der von den Bolschewiki durchgesetzten Diktatur. Deren Praxis – sie nennt als Beispiel »das Verschieben der Sowjet-Kongresse von drei auf sechs Monate« – müsse zwangsläufig in eine ›Cliquenwirtschaft‹ münden, »aber nicht [in] die Diktatur des Proletariats, sondern [in] die Diktatur einer Handvoll Politiker, d.h. Diktatur im bürgerlichen Sinne, im Sinne der Jakobinerherrschaft … Ja noch weiter: solche Zustände müssen eine Verwilderung des öffentlichen Lebens zeitigen: Attentate, Geiselerschießungen usw. Das ist ein übermächtiges objektives Gesetz, dem sich keine Partei zu entziehen vermag.« (Ibid.)

An anderer Stelle, auf einem beigelegten losen Blatt, ist folgende Notiz zum Thema ›Terror‹ – die Bolschewiki dekretierten nach Vorbild der Jakobiner bereits im Dezember 1918 den Terror als Instrument der Revolution – zu finden: »Und doch ist auch in dieser Beziehung der Terror ein stumpfes, ja zweischneidiges Schwert. Die drakonischste Feldjustiz ist ohnmächtig gegen Ausbrüche des lumpenproletarischen Unwesens. Ja, jedes dauernde Regiment des Belagerungszustandes führt unweigerlich zur Willkür, und jede Willkür wirkt depravierend auf die Gesellschaft. Das einzige wirksame Mittel in der Hand der proletarischen Revolution sind auch hier: radikale Maßnahmen politischer und sozialer Natur, rascheste Umwandlung der sozialen Garantien des Lebens der Masse und – Entfachung des revolutionären Idealismus, der sich nur in uneingeschränkter politischer Freiheit durch intensiv aktives Leben der Massen auf die Dauer halten lässt.«

Aus derlei Sätzen, getragen von revolutionärem Optimismus sowie idealistischem Vertrauen in die ›Massen‹ spricht hinsichtlich der »so reichlichen Anwendung des Terrors durch die Räteregierung« (Ibid., Teil IV) kritische Distanz. An anderen Stellen scheint indes eine andere, von marxistischer Geschichtslogik diktierte, positivere Sichtweise jakobinischer Diktatur durch. Da heißt es: »Die Machtergreifung der Jakobiner erwies sich hier nach vierjährigen Kämpfen als das einzige Mittel, die Errungenschaften der Revolution zu retten, die Republik zu verwirklichen, den Feudalismus zu zerschmettern, die revolutionäre Verteidigung nach innen wie nach außen zu organisieren, die Konspiration der Konterrevolution zu erdrücken, die revolutionäre Welle aus Frankreich über ganz Europa zu verbreiten.« Und weiter, gegen »Kautsky und seine russischen Gesinnungsgenossen« (die Menschewiki) zielend: »Die wirkliche Alternative zu der Jakobiner-Diktatur, wie sie der eherne Gang der geschichtlichen Entwicklung im Jahre 1793 stellte, [wäre] nicht die ›gemäßigte‹ Demokratie, sondern – Restauration der Bourbonen [gewesen]! Der ›goldene Mittelweg‹ lässt sich eben in keiner Revolution aufrechterhalten…« (Ibid., Teil II). Eine solche Rechtfertigung der Diktatur – zum höheren Zweck der Geschichte – impliziert die Hinnahme des Terrors, zumindest post eventum im Blick auf die Französische Revolution.

Ohne Einschränkung bejaht Rosa Luxemburg den revolutionären Griff der Bolschewiki zur Macht. Sie hätten »die berühmte Frage nach der ›Mehrheit des Volkes‹, die den deutschen Sozialdemokraten seit jeher wie ein Alp auf der Brust liegt«, auf ihre Weise gelöst. (Ibid.) Die deutschen Sozialdemokraten figurieren »als eingefleischte Zöglinge des parlamentarischen Kretinismus«. Mit solchen Worten werden demokratische Bekenntnisse wie »daß ohne freie, ungehemmte Presse, ohne ungehindertes Vereins- und Versammlungsleben gerade die Herrschaft breiter Volksmassen völlig undenkbar ist«, wieder in Frage gestellt. Denn wie wäre die von Luxemburg angestrebte ›sozialistische Demokratie‹ zu verwirklichen, wenn die ›Volksmassen‹ bei freien Wahlen die bürgerliche Variante der Demokratie bevorzugten?

Luxemburgs spitzt ihre Kritik an Lenin an zwei weiteren Punkten zu. Bekannt ist ihre Ablehnung des von den Bolschewiki proklamierten Selbstbestimmungsrechts der Nationen – für die Kosmopolitin Luxemburg »nichts als hohle kleinbürgerliche Phraseologie und Humbug«. Separatistische Bestrebungen hätten die Bolschewiki »mit eiserner Hand, deren Gebrauch in diesem Falle wahrhaft im Sinne und Geist der proletarischen Diktatur lag, im Keime ersticken« sollen, statt ›die Massen‹ mit der Selbstbestimmungsparole zu verwirren.

Weniger oft wird in der Literatur auf Rosa Luxemburgs Ablehnung der maßgeblich von Lenins Revolutionsparolen inspirierten Agrarrevolution, sprich: der von Gewalt gekennzeichneten Aneignung des Gutsbesitzes sowie Staats- und Kirchenlandes durch die Bauern in Erinnerung gebracht. »Die unmittelbare Landergreifung durch die Bauern [hat] mit sozialistischer Wirtschaft meist gar nichts gemein.« Luxemburg zeiht Lenin der Preisgabe seines »eigenen Agrarprogramms vor der Revolution«. Sozialismus gründe auf der »Nationalisierung des großen und mittleren Grundbesitzes, Vereinigung der Industrie und der Landwirtschaft.« Jetzt betreibe Lenin in der Agrarfrage »Dezentralisation und Privateigentum«. Mit seiner »Agrarreform hat [er] dem Sozialismus auf dem Land eine neue mächtige Volksschicht von Feinden geschaffen, deren Widerstand viel gefährlicher und zäher sein wird, als es derjenige der adligen Großgrundbesitzer war.« Eine zutreffende Prognose, die indes offen lässt, wie Rosa Luxemburg, bürgerlich-elitär in ihrer Verachtung für die »Idiotie des Landlebens« (Karl Marx), den Sozialismus auf dem Lande ins Werk gesetzt hätte. Es bleibt festzustellen, dass die klassische Sozialdemokratie, geprägt vom Bild der industriellen Revolution, für Agrarfragen – nicht nur in einem Land wie Russland – wenig Interesse zeigte.

V.

Der Exkurs zu Rosa Luxemburgs Schrift zur Russischen Revolution lenkt den Blick auf ihr Schicksal – die Ermordung durch Freikorpsleute nach Scheitern des Spartakusaufstandes am 15. Januar 1919. Ihre historische Tragik besteht darin, dass sie – in der Vorphase des Aufstandes moderater agierend als Karl Liebknecht – vor den Konsequenzen ihres theoretischen Radikalismus zurückschreckte, aber vom Strudel der Ereignisse mitgerissen wurde. In den Gründungstagen der KPD (29. Dezember 1918 – 01.Januar 1919) trat sie gegen den von der Mehrheit befürworteten Boykott für die Beteiligung an den vom Reichsrätekongress (16.-21.12.1918) mit großer Mehrheit beschlossenen Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung hervor, wenngleich mit der Begründung, die Nationalversammlung als Tribüne zur »Erziehung der Massen [sc. zu nutzen]…Wir wollen innerhalb der Nationalversammlung ein siegreiches Zeichen aufpflanzen, gestützt auf die Aktion von außen. Wir wollen dieses Bollwerk von innen heraus sprengen.« (Rosa Luxemburg: Reden, Kapitel 57: Zur Beteiligung der KPD an den Wahlen zur Nationalversammlung, http://gutenberg.spiegel.de/buch/reden-2089/1)

Als am 5./6. Januar die Radikalen im Umfeld des Spartakusbundes zur Erhebung gegen die Regierung Ebert – und das von der Mehrheitssozialdemokratie verfolgte ›konterrevolutionäre‹ Konzept einer bürgerlich-parlamentarischen Demokratie – riefen und sich Liebknecht an ihre Spitze stellte, suchte Rosa Luxemburg noch nach einem Ausweg durch Verhandlungen mit Friedrich Ebert. Es kam nicht mehr dazu.

Zwischen dem Fortgang der Russischen Revolution – von der Februarrevolution zur Oktoberrevolution, Bürgerkrieg, Hungersnot, Neue Ökonomische Politik (NEP) und Aufstieg Stalins – und der Geschichte der Weimarer Republik – Novemberrevolution, Aufstände und Freikorps, Links- und Rechtsradikalismus, Aufstieg der NSDAP ab 1930 – besteht ein enger Zusammenhang. Ob ohne den Tod der kommunistischen Märtyrer Rosa und Karl das nachfolgende Unheil in Deutschland, Russland und Europa hätte abgewehrt können, erscheint als Frage allzu spekulativ.

Eindeutig zu beantworten ist die Frage nach den Wurzeln allen Unheils des vergangenen Jahrhunderts. Sie liegen in den Augusttagen 1914. Die europäische Sozialdemokratie konnte den »Selbstmord Europas« (Paul Ricoeur) nicht verhindern. Erst durch den Weltkrieg kamen die Kerenskij und Lenin, die Kontrahenten in der Russischen Revolution, zum Zuge. Andere Lehren sind aus der russischen Geschichte des Jahres 1917 kaum zu gewinnen, wohl aber aus der Vorgeschichte: aus der Dialektik von Autokratie, unvollendeten Reformen, Radikalismus, Terror, Kriegen und Revolution.

Zuerst erschienen in: Iablis 2017:

https://www.iablis.de/iablis/themen/2017-die-leidgepruefte-demokratie/forum-2017/394-historisches-gedenken,-hypothesen-und-fakten-anmerkungen-zur-kritik-der-russischen-revolution

Historisches Gedenken, Hypothesen und Fakten. Anmerkungen zur Kritik der Russischen Revolution

Herbert Ammon

I.

Gedenkjahre inspirieren in vielschichtiger Weise zum Nachdenken über Geschichte und Politik: zur Einsicht in die Komplexität eines jeden historischen Zusammenhangs, zur Schwierigkeit einer »exakten«, faktengerechten Rekonstruktion vergangenen Geschehens, sodann zum Urteilen, verknüpft mit Werturteilen, über Akteure und Fakten. Historische Urteile sind sodann verquickt mit Hypothesen, weithin identisch mit Geschichte im Irrealis: »Was wäre gewesen, wenn…« Nur späten Hegelianern oder politisch Rechtgläubigen erschließt sich der Sinn des Vergangenen. Jüngstes Beispiel für die vergebliche Suche nach wünschbaren Alternativen in der Vergangenheit ist das 100jährige Gedenken an die Russische Revolution im Kriegsjahr 1917.

II.

Nachdem – spätestens seit dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums – Begriff und Glanz der Oktoberrevolution verblasst sind, gilt die Sympathie liberaler Historiker und Kommentatoren der Februarrevolution. Ein Beispiel dafür ist der Aufsatz des einstigen Frankfurter ›68er‹ Jungrevolutionärs und späteren Herausgebers der Welt, Thomas Schmid. Nach Lektüre der »ohne Zweifel geschönten« Memoiren Alexander Kerenskijs, des anno 1940 im New Yorker Exil verstorbenen Gegenspielers der Bolschewiki, kommt er zu folgendem Resümee: »Noch immer überlagert die russische Oktoberrevolution die vorangegangene Februarrevolution des Jahres 1917. Zu Unrecht. Denn mit der Februarrevolution begann – für ein halbes Jahr – die einzige Phase der russischen Geschichte, in der ernsthaft für die Begründung von Republik und Demokratie gekämpft wurde.« (https://www.welt.de/debatte/kommentare/article170374473/Alexander-Kerenski-der-letzte-Buergerliche.html)

Schmid sieht in Kerenskij einen ›Menschenfreund‹, der aber ›kein Menschenkenner‹ gewesen sei, und darum seinen größten Fehler beging, als er den General Kornilow zum Obersten Befehlshaber ernannte. Durch den Anfang September 1917 (gregorianischer Kalender) unternommenen Putschversuch des Generals Kornilow seien die bis dato schwachen, im Juli mit einem ersten Aufstand gescheiterten Bolschewiken erneut zum Zuge gekommen. Das ist chronologisch und in der Sache zutreffend, enthält dennoch ein Fehlurteil.

Zwar erwähnt Schmid die von der liberal-sozialistischen Provisorischen Regierung dilatorisch behandelte Agrarfrage als ein Moment des Scheiterns der mit der Februarrevolution assoziierten demokratischen Hoffnungen. Den grundlegenden Fehler, den Kerenskij – zuvor Justizminister in der Provisorischen Regierung, ab 1. Juni (greg. Kal.) Kriegs- und Marineminister – beging, als er anstelle einer Friedensinitiative Anfang Juli 1917 den verbündeten Westmächten zu Gefallen, aber eben auch aus patriotischer Überzeugung eine neue Offensive – die nach wenigen Tagen gescheiterte »Kerenskij-Offensive« – eröffnete, benennt er nicht. Stattdessen kommentiert er Kerenskijs fatales Festhalten am Krieg in positiver Wendung. Seine Regierung – ab 21. Juli (greg. Kal.) fungierte Kerenskij als Ministerpräsident – sei den »verbündeten Regierungen Regierungen Frankreichs und Englands voraus (gewesen)«. Denn er habe anders als seine Verbündeten keine »imperialen« – besser imperialistischen – Ziele mehr verfolgt, sondern erklärt, »dass es nicht das Ziel des freien Russlands ist, über andere Nationen zu herrschen, nach ihren nationalen Besitztümern zu greifen oder gewaltsam fremde Völker zu erobern«.

Das Zitat – eine Selbstinterpretation – wird weder den Motiven Kerenskijs noch den historischen Details gerecht. Erst nach dem Zusammenbruch der Offensive ernannte Kerenskij, bedrängt vom Verlangen der ›Volksmassen‹ nach Frieden, von kriegsmüden, illoyalen Truppen sowie von den Bolschewiki, als Nachfolger von General A.A. Brussilow – später Berater der Roten Armee – Lawr G. Kornilow, erfolgreich als einziger an seinem Frontabschnitt, zum Oberbefehlshaber. Sein Name steht für den mit Hilfe der Bolschewiki abgewehrten konterrevolutionären Putsch. Der Historiker Georg von Rauch bezweifelt indes, dass Kornilow – er kam in der Anfangsphase des Bürgerkriegs im April 1918 als General der ›Weißen‹ zu Tode – in dieser Phase, als es auch Kerenskij darum ging, den Petrograder Sowjet zu entmachten, auf die Restauration der Monarchie zielte. (Georg von Rauch, Geschichte des bolschewistischen Russland, Fischer Bücherei, 62-64).

In Kerenskijs ›demokratischer‹ Regierung fungierte als faktischer Leiter des Kriegsministeriums sowie als politischer Kommissar des Oberkommandos der Terrorist Boris W. Sawinkow. In dessen Persönlichkeit – gleichsam die Inkarnation eines revolutionären Nihilisten – begegnen uns alle Paradoxien der Russischen Revolution. Sein Name tauchte jüngst aus dem historischen Dunkel wieder auf durch die Publikation seines Bürgerkriegsromans Das fahle Pferd. Sawinkow, vehementer Feind der Bolschewiki, beging nach seiner Verhaftung 1924 Selbstmord.

In mehrfacher Hinsicht erscheint somit Thomas Schmids historisch-politische Parteinahme für Kerenskij problematisch. Mit ihrer Entscheidung zur Fortsetzung des Krieges an der Seite der Entente bereiteten die ›Sozialpatrioten‹ – dies die verächtliche Formel Lenins – ihren eigenen Untergang vor. Es handelte sich nicht nur um eine Fehlentscheidung im Hinblick auf die noch ungebrochene Stärke der Mittelmächte, sondern um die Missachtung eben jener Umstände, die zur Februarrevolution geführt und die Chance einer demokratischen Staatsordnung eröffnet hatten.

Unberührt von dieser Feststellung bleibt die Frage, wie Friedenssignale seitens der Provisorischen Regierung bei der siegesgewissen deutschen Führung angekommen worden wären. Die OHL hätte einen Diktatfrieden – wie ein Jahr später im Frieden von Brest-Litowsk (3. März 1918) gegenüber den Bolschewiki – durchzusetzen versucht. Immerhin wäre Russland die Oktoberrevolution, die Machtübernahme der Bolschewiki, der Bürgerkrieg, Millionenopfer – und Stalin erspart geblieben. Man kann den Faden im Hinblick auf die Chancen eines Friedens – und der Demokratie – im 20. Jahrhundert weiterspinnen…

III.

In Globkult vom 16. November 2017 befasst sich Holger Czitrich-Stahl mit den »Lehren aus den russischen Revolutionen von 1917«. Anstelle einer scharfen Trennung des Revolutionszyklus »in eine gute und eine böse Revolution« verfolgt der Autor eine Sichtweise, in der die beiden Grundströmungen der russischen Revolution – die demokratische und die sozialistische – zusammen gesehen werden. Entgegen der historisch-faktischen Realität – vom Oktoberumsturz zur Diktatur der Bolschewiki – stellt der Autor als wünschbares, historisch leider verfehltes Ziel den Idealtypus der sozialen – nicht etwa sozialistischen? – Demokratie vor Augen.

Dass das Wünschbare nicht Wirklichkeit werden konnte, bedarf der Begründung im Faktischen. Czitrich-Stahls Begründung lautet: »Weil die Menschewiki die Demokratie nicht sofort sozial ausgestalteten, scheiterten sie schnell. Weil die Kommunisten die Demokratie dem Klassenkampf von oben opferten, scheiterten auch sie.«

Zur Kritik dieser Begründung – mehr These als Argument – weiter unten. Zunächst zwei Korrekturen zur Person und Rolle Kerenskijs. Der aus derselben Stadt Simbirsk und demselben bürgerlichen Milieu wie Lenin entstammende Kerenskij war kein Menschewik, somit kein marxistisch orientierter Sozialdemokrat, sondern gehörte ab 1912 als Vertreter der »Trudowiki«, einer agrarsozialistischen Gruppierung, der Duma an. Im Februar 1917 schloss er sich den – aus dem russischen Anarchismus stammenden, programmatisch diffusen – Sozialrevolutionären (SR) an. Im April unter dem Liberalen Pawel W. Miljukow (Chef der ›Kadetten‹ / Konstitutionelle Demokraten) Justizminister, wechselte Kerenskij Anfang Juni im zweiten Kabinett des Fürsten Lwow vom Justiz- ins Kriegsministerium (s.o.) und stand bereits im Juli – nicht erst »vom Augustende« an – an der Spitze der jetzt sozialistisch-liberalen Provisorischen Regierung.

Damit rückt erneut Kerenskijs doppeltes Versagen – die Fortsetzung des Krieges sowie die Vertagung der Agrarfrage – der Kern der ›sozialen Ausgestaltung‹ im bäuerlichen Russland – in den Vordergrund. Man verschob alle zentralen Fragen auf die Wahlen und den Zusammentritt der Konstituante, während im Westen die Front zusammenbrach, sich die Versorgung in den Städten verschlechterte und auf dem Land die Plünderungen und Landbesetzungen einsetzen. In dieser Phase erhielten die Bolschewiki dank ihrer radikalen Parolen (›Frieden! Brot! Land! Alle Macht den Räten!‹) Zulauf, was Trotzki, inzwischen Vorsitzender des Petrograder Sowjets, und Lenin – seit dem gescheiterten Juliputsch der Bolschewiki versteckt in Finnland – zu ihrem Coup am 24./25. Oktober (julian. Kal.; 6./7.Nov. nach gregor. Kal.) beflügelte.

Czitrich-Stahl ruft Karl Kautsky und Rosa Luxemburg als Kritiker der von Lenin und Trotzkij – mit der Auflösung der Konstituante (gewählt vier Wochen nach der Oktoberrevolution) am 19. Januar 1918 (gregor. Kal.) – unverblümt etablierten Diktatur der Bolschewiki auf. Im Falle Kautskys ist dessen Bekenntnis zur Demokratie als Voraussetzung der Entwicklung zum Sozialismus eindeutig. Nicht zufällig traf den ›Zentristen‹ Kautsky schon in den Jahren zuvor Lenins Verachtung. In der Ablehnung der Leninschen ›Diktatur des Proletariats‹ anno 1918 sowie in den Folgejahren demonstrierte Kautsky sein Verständnis von Demokratie als eines gewaltfreien, Minderheiten respektierenden Prozesses.

Was Rosa Luxemburgs Position betrifft, bezieht sich Czitrich-Stahl auf das »berühmte Freiheitszitat« in ihrer – im Herbst 1918 noch im Gefängnis in Breslau verfassten, erst 1922 von Paul Levi veröffentlichten – Schrift Zur russischen Revolution (nachfolgend zitiert aus: (https://www.marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg/1918/russrev/index.htm). Sie habe »vorausschauend befürchtet«, die Oktoberrevolution werde unter der Sowjetdiktatur in die Schreckensherrschaft der Französischen Revolution münden.

IV.

Manfred Scharrer hat wiederholt Zweifel an der politischen Eindeutigkeit von Luxemburgs Position vorgetragen (Manfred Scharrer, Freiheit ist immer… die Legende von Rosa und Karl, Berlin 2002; siehe vom selben Autor auch: Diktatur ist die wahre Demokratie. Rosa Luxemburg in der November-Revolution, http://www.manfred-scharrer.de/Manfred_Scharrer/Downloads_files/Rosaimnovember.pdf). Tatsächlich ergibt sich nach Lektüre ihrer (eingangs ausdrücklich gegen »den fleißigen Mann Kautsky« gerichteten ) Schrift – sie trägt an einigen Stellen noch Züge eines Rohentwurfs – ein widersprüchliches Bild. Als Kern von Luxemburgs Kritik an Lenin und Trotzkij und als Ausweis ihrer freiheitlichen Gesinnung gilt das von Czitrich-Stahl hervorgehobene Freiheitszitat (im Original eine nicht zuzuordnende Randbemerkung): »Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer nur Freiheit des anders Denkenden. Nicht wegen des Fanatismus der ›Gerechtigkeit‹, sondern weil all das Belehrende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die ›Freiheit‹ zum Privilegium wird.« (Ibid., Teil IV)

Die Schrift enthält in der Tat eine ganze Reihe von Passagen, die deutliche Kritik am Vorgehen Lenins und Trotzkijs üben. Diese Kritik bezieht sich jedoch nicht nur auf die Beseitigung der Konstituante, die Luxemburg – zusammen mit dem Festhalten am allgemeinen Wahlrecht – als demokratische Institution verteidigt. Ihren Begriff von der ›Diktatur des Proletariats‹ (als Klassenherrschaft des Proletariats) will sie geschieden wissen von der von den Bolschewiki durchgesetzten Diktatur. Deren Praxis – sie nennt als Beispiel »das Verschieben der Sowjet-Kongresse von drei auf sechs Monate« – müsse zwangsläufig in eine ›Cliquenwirtschaft‹ münden, »aber nicht [in] die Diktatur des Proletariats, sondern [in] die Diktatur einer Handvoll Politiker, d.h. Diktatur im bürgerlichen Sinne, im Sinne der Jakobinerherrschaft … Ja noch weiter: solche Zustände müssen eine Verwilderung des öffentlichen Lebens zeitigen: Attentate, Geiselerschießungen usw. Das ist ein übermächtiges objektives Gesetz, dem sich keine Partei zu entziehen vermag.« (Ibid.)

An anderer Stelle, auf einem beigelegten losen Blatt, ist folgende Notiz zum Thema ›Terror‹ – die Bolschewiki dekretierten nach Vorbild der Jakobiner bereits im Dezember 1918 den Terror als Instrument der Revolution – zu finden: »Und doch ist auch in dieser Beziehung der Terror ein stumpfes, ja zweischneidiges Schwert. Die drakonischste Feldjustiz ist ohnmächtig gegen Ausbrüche des lumpenproletarischen Unwesens. Ja, jedes dauernde Regiment des Belagerungszustandes führt unweigerlich zur Willkür, und jede Willkür wirkt depravierend auf die Gesellschaft. Das einzige wirksame Mittel in der Hand der proletarischen Revolution sind auch hier: radikale Maßnahmen politischer und sozialer Natur, rascheste Umwandlung der sozialen Garantien des Lebens der Masse und – Entfachung des revolutionären Idealismus, der sich nur in uneingeschränkter politischer Freiheit durch intensiv aktives Leben der Massen auf die Dauer halten lässt.«

Aus derlei Sätzen, getragen von revolutionärem Optimismus sowie idealistischem Vertrauen in die ›Massen‹ spricht hinsichtlich der »so reichlichen Anwendung des Terrors durch die Räteregierung« (Ibid., Teil IV) kritische Distanz. An anderen Stellen scheint indes eine andere, von marxistischer Geschichtslogik diktierte, positivere Sichtweise jakobinischer Diktatur durch. Da heißt es: »Die Machtergreifung der Jakobiner erwies sich hier nach vierjährigen Kämpfen als das einzige Mittel, die Errungenschaften der Revolution zu retten, die Republik zu verwirklichen, den Feudalismus zu zerschmettern, die revolutionäre Verteidigung nach innen wie nach außen zu organisieren, die Konspiration der Konterrevolution zu erdrücken, die revolutionäre Welle aus Frankreich über ganz Europa zu verbreiten.« Und weiter, gegen »Kautsky und seine russischen Gesinnungsgenossen« (die Menschewiki) zielend: »Die wirkliche Alternative zu der Jakobiner-Diktatur, wie sie der eherne Gang der geschichtlichen Entwicklung im Jahre 1793 stellte, [wäre] nicht die ›gemäßigte‹ Demokratie, sondern – Restauration der Bourbonen [gewesen]! Der ›goldene Mittelweg‹ lässt sich eben in keiner Revolution aufrechterhalten…« (Ibid., Teil II). Eine solche Rechtfertigung der Diktatur – zum höheren Zweck der Geschichte – impliziert die Hinnahme des Terrors, zumindest post eventum im Blick auf die Französische Revolution.

Ohne Einschränkung bejaht Rosa Luxemburg den revolutionären Griff der Bolschewiki zur Macht. Sie hätten »die berühmte Frage nach der ›Mehrheit des Volkes‹, die den deutschen Sozialdemokraten seit jeher wie ein Alp auf der Brust liegt«, auf ihre Weise gelöst. (Ibid.) Die deutschen Sozialdemokraten figurieren »als eingefleischte Zöglinge des parlamentarischen Kretinismus«. Mit solchen Worten werden demokratische Bekenntnisse wie »daß ohne freie, ungehemmte Presse, ohne ungehindertes Vereins- und Versammlungsleben gerade die Herrschaft breiter Volksmassen völlig undenkbar ist«, wieder in Frage gestellt. Denn wie wäre die von Luxemburg angestrebte ›sozialistische Demokratie‹ zu verwirklichen, wenn die ›Volksmassen‹ bei freien Wahlen die bürgerliche Variante der Demokratie bevorzugten?

Luxemburgs spitzt ihre Kritik an Lenin an zwei weiteren Punkten zu. Bekannt ist ihre Ablehnung des von den Bolschewiki proklamierten Selbstbestimmungsrechts der Nationen – für die Kosmopolitin Luxemburg »nichts als hohle kleinbürgerliche Phraseologie und Humbug«. Separatistische Bestrebungen hätten die Bolschewiki »mit eiserner Hand, deren Gebrauch in diesem Falle wahrhaft im Sinne und Geist der proletarischen Diktatur lag, im Keime ersticken« sollen, statt ›die Massen‹ mit der Selbstbestimmungsparole zu verwirren.

Weniger oft wird in der Literatur auf Rosa Luxemburgs Ablehnung der maßgeblich von Lenins Revolutionsparolen inspirierten Agrarrevolution, sprich: der von Gewalt gekennzeichneten Aneignung des Gutsbesitzes sowie Staats- und Kirchenlandes durch die Bauern in Erinnerung gebracht. »Die unmittelbare Landergreifung durch die Bauern [hat] mit sozialistischer Wirtschaft meist gar nichts gemein.« Luxemburg zeiht Lenin der Preisgabe seines »eigenen Agrarprogramms vor der Revolution«. Sozialismus gründe auf der »Nationalisierung des großen und mittleren Grundbesitzes, Vereinigung der Industrie und der Landwirtschaft.« Jetzt betreibe Lenin in der Agrarfrage »Dezentralisation und Privateigentum«. Mit seiner »Agrarreform hat [er] dem Sozialismus auf dem Land eine neue mächtige Volksschicht von Feinden geschaffen, deren Widerstand viel gefährlicher und zäher sein wird, als es derjenige der adligen Großgrundbesitzer war.« Eine zutreffende Prognose, die indes offen lässt, wie Rosa Luxemburg, bürgerlich-elitär in ihrer Verachtung für die »Idiotie des Landlebens« (Karl Marx), den Sozialismus auf dem Lande ins Werk gesetzt hätte. Es bleibt festzustellen, dass die klassische Sozialdemokratie, geprägt vom Bild der industriellen Revolution, für Agrarfragen – nicht nur in einem Land wie Russland – wenig Interesse zeigte.

V.

Der Exkurs zu Rosa Luxemburgs Schrift zur Russischen Revolution lenkt den Blick auf ihr Schicksal – die Ermordung durch Freikorpsleute nach Scheitern des Spartakusaufstandes am 15. Januar 1919. Ihre historische Tragik besteht darin, dass sie – in der Vorphase des Aufstandes moderater agierend als Karl Liebknecht – vor den Konsequenzen ihres theoretischen Radikalismus zurückschreckte, aber vom Strudel der Ereignisse mitgerissen wurde. In den Gründungstagen der KPD (29. Dezember 1918 – 01.Januar 1919) trat sie gegen den von der Mehrheit befürworteten Boykott für die Beteiligung an den vom Reichsrätekongress (16.-21.12.1918) mit großer Mehrheit beschlossenen Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung hervor, wenngleich mit der Begründung, die Nationalversammlung als Tribüne zur »Erziehung der Massen [sc. zu nutzen]…Wir wollen innerhalb der Nationalversammlung ein siegreiches Zeichen aufpflanzen, gestützt auf die Aktion von außen. Wir wollen dieses Bollwerk von innen heraus sprengen.« (Rosa Luxemburg: Reden, Kapitel 57: Zur Beteiligung der KPD an den Wahlen zur Nationalversammlung, http://gutenberg.spiegel.de/buch/reden-2089/1)

Als am 5./6. Januar die Radikalen im Umfeld des Spartakusbundes zur Erhebung gegen die Regierung Ebert – und das von der Mehrheitssozialdemokratie verfolgte ›konterrevolutionäre‹ Konzept einer bürgerlich-parlamentarischen Demokratie – riefen und sich Liebknecht an ihre Spitze stellte, suchte Rosa Luxemburg noch nach einem Ausweg durch Verhandlungen mit Friedrich Ebert. Es kam nicht mehr dazu.

Zwischen dem Fortgang der Russischen Revolution – von der Februarrevolution zur Oktoberrevolution, Bürgerkrieg, Hungersnot, Neue Ökonomische Politik (NEP) und Aufstieg Stalins – und der Geschichte der Weimarer Republik – Novemberrevolution, Aufstände und Freikorps, Links- und Rechtsradikalismus, Aufstieg der NSDAP ab 1930 – besteht ein enger Zusammenhang. Ob ohne den Tod der kommunistischen Märtyrer Rosa und Karl das nachfolgende Unheil in Deutschland, Russland und Europa hätte abgewehrt können, erscheint als Frage allzu spekulativ.

Eindeutig zu beantworten ist die Frage nach den Wurzeln allen Unheils des vergangenen Jahrhunderts. Sie liegen in den Augusttagen 1914. Die europäische Sozialdemokratie konnte den »Selbstmord Europas« (Paul Ricoeur) nicht verhindern. Erst durch den Weltkrieg kamen die Kerenskij und Lenin, die Kontrahenten in der Russischen Revolution, zum Zuge. Andere Lehren sind aus der russischen Geschichte des Jahres 1917 kaum zu gewinnen, wohl aber aus der Vorgeschichte: aus der Dialektik von Autokratie, unvollendeten Reformen, Radikalismus, Terror, Kriegen und Revolution.

Zuerst erschienen in: Iablis 2017:

https://www.iablis.de/iablis/themen/2017-die-leidgepruefte-demokratie/forum-2017/394-historisches-gedenken,-hypothesen-und-fakten-anmerkungen-zur-kritik-der-russischen-revolution

Historisches Gedenken, Hypothesen und Fakten. Anmerkungen zur Kritik der Russischen Revolution

Herbert Ammon

I.

Gedenkjahre inspirieren in vielschichtiger Weise zum Nachdenken über Geschichte und Politik: zur Einsicht in die Komplexität eines jeden historischen Zusammenhangs, zur Schwierigkeit einer »exakten«, faktengerechten Rekonstruktion vergangenen Geschehens, sodann zum Urteilen, verknüpft mit Werturteilen, über Akteure und Fakten. Historische Urteile sind sodann verquickt mit Hypothesen, weithin identisch mit Geschichte im Irrealis: »Was wäre gewesen, wenn…« Nur späten Hegelianern oder politisch Rechtgläubigen erschließt sich der Sinn des Vergangenen. Jüngstes Beispiel für die vergebliche Suche nach wünschbaren Alternativen in der Vergangenheit ist das 100jährige Gedenken an die Russische Revolution im Kriegsjahr 1917.

II.

Nachdem – spätestens seit dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums – Begriff und Glanz der Oktoberrevolution verblasst sind, gilt die Sympathie liberaler Historiker und Kommentatoren der Februarrevolution. Ein Beispiel dafür ist der Aufsatz des einstigen Frankfurter ›68er‹ Jungrevolutionärs und späteren Herausgebers der Welt, Thomas Schmid. Nach Lektüre der »ohne Zweifel geschönten« Memoiren Alexander Kerenskijs, des anno 1940 im New Yorker Exil verstorbenen Gegenspielers der Bolschewiki, kommt er zu folgendem Resümee: »Noch immer überlagert die russische Oktoberrevolution die vorangegangene Februarrevolution des Jahres 1917. Zu Unrecht. Denn mit der Februarrevolution begann – für ein halbes Jahr – die einzige Phase der russischen Geschichte, in der ernsthaft für die Begründung von Republik und Demokratie gekämpft wurde.« (https://www.welt.de/debatte/kommentare/article170374473/Alexander-Kerenski-der-letzte-Buergerliche.html)

Schmid sieht in Kerenskij einen ›Menschenfreund‹, der aber ›kein Menschenkenner‹ gewesen sei, und darum seinen größten Fehler beging, als er den General Kornilow zum Obersten Befehlshaber ernannte. Durch den Anfang September 1917 (gregorianischer Kalender) unternommenen Putschversuch des Generals Kornilow seien die bis dato schwachen, im Juli mit einem ersten Aufstand gescheiterten Bolschewiken erneut zum Zuge gekommen. Das ist chronologisch und in der Sache zutreffend, enthält dennoch ein Fehlurteil.

Zwar erwähnt Schmid die von der liberal-sozialistischen Provisorischen Regierung dilatorisch behandelte Agrarfrage als ein Moment des Scheiterns der mit der Februarrevolution assoziierten demokratischen Hoffnungen. Den grundlegenden Fehler, den Kerenskij – zuvor Justizminister in der Provisorischen Regierung, ab 1. Juni (greg. Kal.) Kriegs- und Marineminister – beging, als er anstelle einer Friedensinitiative Anfang Juli 1917 den verbündeten Westmächten zu Gefallen, aber eben auch aus patriotischer Überzeugung eine neue Offensive – die nach wenigen Tagen gescheiterte »Kerenskij-Offensive« – eröffnete, benennt er nicht. Stattdessen kommentiert er Kerenskijs fatales Festhalten am Krieg in positiver Wendung. Seine Regierung – ab 21. Juli (greg. Kal.) fungierte Kerenskij als Ministerpräsident – sei den »verbündeten Regierungen Regierungen Frankreichs und Englands voraus (gewesen)«. Denn er habe anders als seine Verbündeten keine »imperialen« – besser imperialistischen – Ziele mehr verfolgt, sondern erklärt, »dass es nicht das Ziel des freien Russlands ist, über andere Nationen zu herrschen, nach ihren nationalen Besitztümern zu greifen oder gewaltsam fremde Völker zu erobern«.

Das Zitat – eine Selbstinterpretation – wird weder den Motiven Kerenskijs noch den historischen Details gerecht. Erst nach dem Zusammenbruch der Offensive ernannte Kerenskij, bedrängt vom Verlangen der ›Volksmassen‹ nach Frieden, von kriegsmüden, illoyalen Truppen sowie von den Bolschewiki, als Nachfolger von General A.A. Brussilow – später Berater der Roten Armee – Lawr G. Kornilow, erfolgreich als einziger an seinem Frontabschnitt, zum Oberbefehlshaber. Sein Name steht für den mit Hilfe der Bolschewiki abgewehrten konterrevolutionären Putsch. Der Historiker Georg von Rauch bezweifelt indes, dass Kornilow – er kam in der Anfangsphase des Bürgerkriegs im April 1918 als General der ›Weißen‹ zu Tode – in dieser Phase, als es auch Kerenskij darum ging, den Petrograder Sowjet zu entmachten, auf die Restauration der Monarchie zielte. (Georg von Rauch, Geschichte des bolschewistischen Russland, Fischer Bücherei, 62-64).

In Kerenskijs ›demokratischer‹ Regierung fungierte als faktischer Leiter des Kriegsministeriums sowie als politischer Kommissar des Oberkommandos der Terrorist Boris W. Sawinkow. In dessen Persönlichkeit – gleichsam die Inkarnation eines revolutionären Nihilisten – begegnen uns alle Paradoxien der Russischen Revolution. Sein Name tauchte jüngst aus dem historischen Dunkel wieder auf durch die Publikation seines Bürgerkriegsromans Das fahle Pferd. Sawinkow, vehementer Feind der Bolschewiki, beging nach seiner Verhaftung 1924 Selbstmord.

In mehrfacher Hinsicht erscheint somit Thomas Schmids historisch-politische Parteinahme für Kerenskij problematisch. Mit ihrer Entscheidung zur Fortsetzung des Krieges an der Seite der Entente bereiteten die ›Sozialpatrioten‹ – dies die verächtliche Formel Lenins – ihren eigenen Untergang vor. Es handelte sich nicht nur um eine Fehlentscheidung im Hinblick auf die noch ungebrochene Stärke der Mittelmächte, sondern um die Missachtung eben jener Umstände, die zur Februarrevolution geführt und die Chance einer demokratischen Staatsordnung eröffnet hatten.

Unberührt von dieser Feststellung bleibt die Frage, wie Friedenssignale seitens der Provisorischen Regierung bei der siegesgewissen deutschen Führung angekommen worden wären. Die OHL hätte einen Diktatfrieden – wie ein Jahr später im Frieden von Brest-Litowsk (3. März 1918) gegenüber den Bolschewiki – durchzusetzen versucht. Immerhin wäre Russland die Oktoberrevolution, die Machtübernahme der Bolschewiki, der Bürgerkrieg, Millionenopfer – und Stalin erspart geblieben. Man kann den Faden im Hinblick auf die Chancen eines Friedens – und der Demokratie – im 20. Jahrhundert weiterspinnen…

III.

In Globkult vom 16. November 2017 befasst sich Holger Czitrich-Stahl mit den »Lehren aus den russischen Revolutionen von 1917«. Anstelle einer scharfen Trennung des Revolutionszyklus »in eine gute und eine böse Revolution« verfolgt der Autor eine Sichtweise, in der die beiden Grundströmungen der russischen Revolution – die demokratische und die sozialistische – zusammen gesehen werden. Entgegen der historisch-faktischen Realität – vom Oktoberumsturz zur Diktatur der Bolschewiki – stellt der Autor als wünschbares, historisch leider verfehltes Ziel den Idealtypus der sozialen – nicht etwa sozialistischen? – Demokratie vor Augen.

Dass das Wünschbare nicht Wirklichkeit werden konnte, bedarf der Begründung im Faktischen. Czitrich-Stahls Begründung lautet: »Weil die Menschewiki die Demokratie nicht sofort sozial ausgestalteten, scheiterten sie schnell. Weil die Kommunisten die Demokratie dem Klassenkampf von oben opferten, scheiterten auch sie.«

Zur Kritik dieser Begründung – mehr These als Argument – weiter unten. Zunächst zwei Korrekturen zur Person und Rolle Kerenskijs. Der aus derselben Stadt Simbirsk und demselben bürgerlichen Milieu wie Lenin entstammende Kerenskij war kein Menschewik, somit kein marxistisch orientierter Sozialdemokrat, sondern gehörte ab 1912 als Vertreter der »Trudowiki«, einer agrarsozialistischen Gruppierung, der Duma an. Im Februar 1917 schloss er sich den – aus dem russischen Anarchismus stammenden, programmatisch diffusen – Sozialrevolutionären (SR) an. Im April unter dem Liberalen Pawel W. Miljukow (Chef der ›Kadetten‹ / Konstitutionelle Demokraten) Justizminister, wechselte Kerenskij Anfang Juni im zweiten Kabinett des Fürsten Lwow vom Justiz- ins Kriegsministerium (s.o.) und stand bereits im Juli – nicht erst »vom Augustende« an – an der Spitze der jetzt sozialistisch-liberalen Provisorischen Regierung.

Damit rückt erneut Kerenskijs doppeltes Versagen – die Fortsetzung des Krieges sowie die Vertagung der Agrarfrage – der Kern der ›sozialen Ausgestaltung‹ im bäuerlichen Russland – in den Vordergrund. Man verschob alle zentralen Fragen auf die Wahlen und den Zusammentritt der Konstituante, während im Westen die Front zusammenbrach, sich die Versorgung in den Städten verschlechterte und auf dem Land die Plünderungen und Landbesetzungen einsetzen. In dieser Phase erhielten die Bolschewiki dank ihrer radikalen Parolen (›Frieden! Brot! Land! Alle Macht den Räten!‹) Zulauf, was Trotzki, inzwischen Vorsitzender des Petrograder Sowjets, und Lenin – seit dem gescheiterten Juliputsch der Bolschewiki versteckt in Finnland – zu ihrem Coup am 24./25. Oktober (julian. Kal.; 6./7.Nov. nach gregor. Kal.) beflügelte.

Czitrich-Stahl ruft Karl Kautsky und Rosa Luxemburg als Kritiker der von Lenin und Trotzkij – mit der Auflösung der Konstituante (gewählt vier Wochen nach der Oktoberrevolution) am 19. Januar 1918 (gregor. Kal.) – unverblümt etablierten Diktatur der Bolschewiki auf. Im Falle Kautskys ist dessen Bekenntnis zur Demokratie als Voraussetzung der Entwicklung zum Sozialismus eindeutig. Nicht zufällig traf den ›Zentristen‹ Kautsky schon in den Jahren zuvor Lenins Verachtung. In der Ablehnung der Leninschen ›Diktatur des Proletariats‹ anno 1918 sowie in den Folgejahren demonstrierte Kautsky sein Verständnis von Demokratie als eines gewaltfreien, Minderheiten respektierenden Prozesses.

Was Rosa Luxemburgs Position betrifft, bezieht sich Czitrich-Stahl auf das »berühmte Freiheitszitat« in ihrer – im Herbst 1918 noch im Gefängnis in Breslau verfassten, erst 1922 von Paul Levi veröffentlichten – Schrift Zur russischen Revolution (nachfolgend zitiert aus: (https://www.marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg/1918/russrev/index.htm). Sie habe »vorausschauend befürchtet«, die Oktoberrevolution werde unter der Sowjetdiktatur in die Schreckensherrschaft der Französischen Revolution münden.

IV.

Manfred Scharrer hat wiederholt Zweifel an der politischen Eindeutigkeit von Luxemburgs Position vorgetragen (Manfred Scharrer, Freiheit ist immer… die Legende von Rosa und Karl, Berlin 2002; siehe vom selben Autor auch: Diktatur ist die wahre Demokratie. Rosa Luxemburg in der November-Revolution, http://www.manfred-scharrer.de/Manfred_Scharrer/Downloads_files/Rosaimnovember.pdf). Tatsächlich ergibt sich nach Lektüre ihrer (eingangs ausdrücklich gegen »den fleißigen Mann Kautsky« gerichteten ) Schrift – sie trägt an einigen Stellen noch Züge eines Rohentwurfs – ein widersprüchliches Bild. Als Kern von Luxemburgs Kritik an Lenin und Trotzkij und als Ausweis ihrer freiheitlichen Gesinnung gilt das von Czitrich-Stahl hervorgehobene Freiheitszitat (im Original eine nicht zuzuordnende Randbemerkung): »Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer nur Freiheit des anders Denkenden. Nicht wegen des Fanatismus der ›Gerechtigkeit‹, sondern weil all das Belehrende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die ›Freiheit‹ zum Privilegium wird.« (Ibid., Teil IV)

Die Schrift enthält in der Tat eine ganze Reihe von Passagen, die deutliche Kritik am Vorgehen Lenins und Trotzkijs üben. Diese Kritik bezieht sich jedoch nicht nur auf die Beseitigung der Konstituante, die Luxemburg – zusammen mit dem Festhalten am allgemeinen Wahlrecht – als demokratische Institution verteidigt. Ihren Begriff von der ›Diktatur des Proletariats‹ (als Klassenherrschaft des Proletariats) will sie geschieden wissen von der von den Bolschewiki durchgesetzten Diktatur. Deren Praxis – sie nennt als Beispiel »das Verschieben der Sowjet-Kongresse von drei auf sechs Monate« – müsse zwangsläufig in eine ›Cliquenwirtschaft‹ münden, »aber nicht [in] die Diktatur des Proletariats, sondern [in] die Diktatur einer Handvoll Politiker, d.h. Diktatur im bürgerlichen Sinne, im Sinne der Jakobinerherrschaft … Ja noch weiter: solche Zustände müssen eine Verwilderung des öffentlichen Lebens zeitigen: Attentate, Geiselerschießungen usw. Das ist ein übermächtiges objektives Gesetz, dem sich keine Partei zu entziehen vermag.« (Ibid.)

An anderer Stelle, auf einem beigelegten losen Blatt, ist folgende Notiz zum Thema ›Terror‹ – die Bolschewiki dekretierten nach Vorbild der Jakobiner bereits im Dezember 1918 den Terror als Instrument der Revolution – zu finden: »Und doch ist auch in dieser Beziehung der Terror ein stumpfes, ja zweischneidiges Schwert. Die drakonischste Feldjustiz ist ohnmächtig gegen Ausbrüche des lumpenproletarischen Unwesens. Ja, jedes dauernde Regiment des Belagerungszustandes führt unweigerlich zur Willkür, und jede Willkür wirkt depravierend auf die Gesellschaft. Das einzige wirksame Mittel in der Hand der proletarischen Revolution sind auch hier: radikale Maßnahmen politischer und sozialer Natur, rascheste Umwandlung der sozialen Garantien des Lebens der Masse und – Entfachung des revolutionären Idealismus, der sich nur in uneingeschränkter politischer Freiheit durch intensiv aktives Leben der Massen auf die Dauer halten lässt.«

Aus derlei Sätzen, getragen von revolutionärem Optimismus sowie idealistischem Vertrauen in die ›Massen‹ spricht hinsichtlich der »so reichlichen Anwendung des Terrors durch die Räteregierung« (Ibid., Teil IV) kritische Distanz. An anderen Stellen scheint indes eine andere, von marxistischer Geschichtslogik diktierte, positivere Sichtweise jakobinischer Diktatur durch. Da heißt es: »Die Machtergreifung der Jakobiner erwies sich hier nach vierjährigen Kämpfen als das einzige Mittel, die Errungenschaften der Revolution zu retten, die Republik zu verwirklichen, den Feudalismus zu zerschmettern, die revolutionäre Verteidigung nach innen wie nach außen zu organisieren, die Konspiration der Konterrevolution zu erdrücken, die revolutionäre Welle aus Frankreich über ganz Europa zu verbreiten.« Und weiter, gegen »Kautsky und seine russischen Gesinnungsgenossen« (die Menschewiki) zielend: »Die wirkliche Alternative zu der Jakobiner-Diktatur, wie sie der eherne Gang der geschichtlichen Entwicklung im Jahre 1793 stellte, [wäre] nicht die ›gemäßigte‹ Demokratie, sondern – Restauration der Bourbonen [gewesen]! Der ›goldene Mittelweg‹ lässt sich eben in keiner Revolution aufrechterhalten…« (Ibid., Teil II). Eine solche Rechtfertigung der Diktatur – zum höheren Zweck der Geschichte – impliziert die Hinnahme des Terrors, zumindest post eventum im Blick auf die Französische Revolution.

Ohne Einschränkung bejaht Rosa Luxemburg den revolutionären Griff der Bolschewiki zur Macht. Sie hätten »die berühmte Frage nach der ›Mehrheit des Volkes‹, die den deutschen Sozialdemokraten seit jeher wie ein Alp auf der Brust liegt«, auf ihre Weise gelöst. (Ibid.) Die deutschen Sozialdemokraten figurieren »als eingefleischte Zöglinge des parlamentarischen Kretinismus«. Mit solchen Worten werden demokratische Bekenntnisse wie »daß ohne freie, ungehemmte Presse, ohne ungehindertes Vereins- und Versammlungsleben gerade die Herrschaft breiter Volksmassen völlig undenkbar ist«, wieder in Frage gestellt. Denn wie wäre die von Luxemburg angestrebte ›sozialistische Demokratie‹ zu verwirklichen, wenn die ›Volksmassen‹ bei freien Wahlen die bürgerliche Variante der Demokratie bevorzugten?

Luxemburgs spitzt ihre Kritik an Lenin an zwei weiteren Punkten zu. Bekannt ist ihre Ablehnung des von den Bolschewiki proklamierten Selbstbestimmungsrechts der Nationen – für die Kosmopolitin Luxemburg »nichts als hohle kleinbürgerliche Phraseologie und Humbug«. Separatistische Bestrebungen hätten die Bolschewiki »mit eiserner Hand, deren Gebrauch in diesem Falle wahrhaft im Sinne und Geist der proletarischen Diktatur lag, im Keime ersticken« sollen, statt ›die Massen‹ mit der Selbstbestimmungsparole zu verwirren.

Weniger oft wird in der Literatur auf Rosa Luxemburgs Ablehnung der maßgeblich von Lenins Revolutionsparolen inspirierten Agrarrevolution, sprich: der von Gewalt gekennzeichneten Aneignung des Gutsbesitzes sowie Staats- und Kirchenlandes durch die Bauern in Erinnerung gebracht. »Die unmittelbare Landergreifung durch die Bauern [hat] mit sozialistischer Wirtschaft meist gar nichts gemein.« Luxemburg zeiht Lenin der Preisgabe seines »eigenen Agrarprogramms vor der Revolution«. Sozialismus gründe auf der »Nationalisierung des großen und mittleren Grundbesitzes, Vereinigung der Industrie und der Landwirtschaft.« Jetzt betreibe Lenin in der Agrarfrage »Dezentralisation und Privateigentum«. Mit seiner »Agrarreform hat [er] dem Sozialismus auf dem Land eine neue mächtige Volksschicht von Feinden geschaffen, deren Widerstand viel gefährlicher und zäher sein wird, als es derjenige der adligen Großgrundbesitzer war.« Eine zutreffende Prognose, die indes offen lässt, wie Rosa Luxemburg, bürgerlich-elitär in ihrer Verachtung für die »Idiotie des Landlebens« (Karl Marx), den Sozialismus auf dem Lande ins Werk gesetzt hätte. Es bleibt festzustellen, dass die klassische Sozialdemokratie, geprägt vom Bild der industriellen Revolution, für Agrarfragen – nicht nur in einem Land wie Russland – wenig Interesse zeigte.

V.

Der Exkurs zu Rosa Luxemburgs Schrift zur Russischen Revolution lenkt den Blick auf ihr Schicksal – die Ermordung durch Freikorpsleute nach Scheitern des Spartakusaufstandes am 15. Januar 1919. Ihre historische Tragik besteht darin, dass sie – in der Vorphase des Aufstandes moderater agierend als Karl Liebknecht – vor den Konsequenzen ihres theoretischen Radikalismus zurückschreckte, aber vom Strudel der Ereignisse mitgerissen wurde. In den Gründungstagen der KPD (29. Dezember 1918 – 01.Januar 1919) trat sie gegen den von der Mehrheit befürworteten Boykott für die Beteiligung an den vom Reichsrätekongress (16.-21.12.1918) mit großer Mehrheit beschlossenen Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung hervor, wenngleich mit der Begründung, die Nationalversammlung als Tribüne zur »Erziehung der Massen [sc. zu nutzen]…Wir wollen innerhalb der Nationalversammlung ein siegreiches Zeichen aufpflanzen, gestützt auf die Aktion von außen. Wir wollen dieses Bollwerk von innen heraus sprengen.« (Rosa Luxemburg: Reden, Kapitel 57: Zur Beteiligung der KPD an den Wahlen zur Nationalversammlung, http://gutenberg.spiegel.de/buch/reden-2089/1)

Als am 5./6. Januar die Radikalen im Umfeld des Spartakusbundes zur Erhebung gegen die Regierung Ebert – und das von der Mehrheitssozialdemokratie verfolgte ›konterrevolutionäre‹ Konzept einer bürgerlich-parlamentarischen Demokratie – riefen und sich Liebknecht an ihre Spitze stellte, suchte Rosa Luxemburg noch nach einem Ausweg durch Verhandlungen mit Friedrich Ebert. Es kam nicht mehr dazu.

Zwischen dem Fortgang der Russischen Revolution – von der Februarrevolution zur Oktoberrevolution, Bürgerkrieg, Hungersnot, Neue Ökonomische Politik (NEP) und Aufstieg Stalins – und der Geschichte der Weimarer Republik – Novemberrevolution, Aufstände und Freikorps, Links- und Rechtsradikalismus, Aufstieg der NSDAP ab 1930 – besteht ein enger Zusammenhang. Ob ohne den Tod der kommunistischen Märtyrer Rosa und Karl das nachfolgende Unheil in Deutschland, Russland und Europa hätte abgewehrt können, erscheint als Frage allzu spekulativ.

Eindeutig zu beantworten ist die Frage nach den Wurzeln allen Unheils des vergangenen Jahrhunderts. Sie liegen in den Augusttagen 1914. Die europäische Sozialdemokratie konnte den »Selbstmord Europas« (Paul Ricoeur) nicht verhindern. Erst durch den Weltkrieg kamen die Kerenskij und Lenin, die Kontrahenten in der Russischen Revolution, zum Zuge. Andere Lehren sind aus der russischen Geschichte des Jahres 1917 kaum zu gewinnen, wohl aber aus der Vorgeschichte: aus der Dialektik von Autokratie, unvollendeten Reformen, Radikalismus, Terror, Kriegen und Revolution.

Zuerst erschienen in: Iablis 2017:

https://www.iablis.de/iablis/themen/2017-die-leidgepruefte-demokratie/forum-2017/394-historisches-gedenken,-hypothesen-und-fakten-anmerkungen-zur-kritik-der-russischen-revolution

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Herbert Ammon (Studienrat a.D.) ist Historiker und Publizist. Bis 2003 lehrte er Geschichte und Soziologie am Studienkolleg für ausländische Studierende der FU Berlin. Seine Publikationen erscheinen hauptsächlich auf GlobKult (dort auch sein Blog https://herbert-ammon.blogspot.com/), auf Die Achse des Guten sowie Tichys Einblick.