Es ist davon abzuraten, die Ausstellung „KAFKA: 24“ bei heiterem Wetter zu besuchen. Betritt man die bis ins Obergeschoss und in einige Nebengänge und -zimmer führende Ausstellung, umfängt einen Düsternis, Schwere und Beängstigung, und die helle Sonne muss draußen bleiben. Hier drinnen scheint sie kaum mehr warm und angenehm, zwängt sich höchstens durch einen Fensterspalt. Sonst ist es in der Villa Stuck mit einem Schlag kalt und unwirtlich. Zartbesaitete huschten wohl gerne an dem einen oder anderen verstörenden Exponat vorbei, um rasch wieder ins Freie zu gelangen.
Der in Prag 1883 geborene österreichische Schriftsteller Franz Kafka, auf dessen Nachnamen der Begriff „kafkaesk“ zurückgeht, starb viel zu früh vor 100 Jahren, genau am 3. Juni 1924. Das Bedrohliche, Rätselhafte und Unheimliche menschlicher Existenz kennzeichnet seine Erzählungen „Ein Landarzt“, „Die Verwandlung“ oder „In der Strafkolonie“ wie seine erst nach seinem Tod von seinem Freund Max Brod herausgegeben Romane wie „Der Prozess“ und „Das Schloss“-Fragment auf immer neue verschlüsselte Weise.
Alle sich auf das Werk Kafkas beziehende oder berufende Kunstwerke – ob Installationen, Gemälde, Grafiken oder Skulpturen – wollen, so die Kuratorin Helena Perena, der These dienen, dass viele zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler für ihr Werk entscheidende Anregungen von Kafka erhielten. Als „kafkaesk“ hätten sie „eine Allgemeingültige und immerwährende Eigenständigkeit erlangt“. Wer sich durch die Räume vorarbeitet, die bekannte und kaum je öffentlich gezeigte Werke präsentieren, hätte eine Handreichung zum Verständnis dessen nötig, was er zu sehen bekommt und zu verdauen hat. Hilfreich wäre Ruhemobiliar, das zur Besinnung kommen ließe, um das teils Groteske und Komische – zahlreiche zweisprachige Comic-Auszüge aus dem Klassiker „Kafka für Anfänger“ von Robert Drumb und David Zane Mairowitz füllen die Wände – und teils das Beunruhigende, Klaustrophobe und Irritierende wenigstens ansatzweise zu verarbeiten.
Einen Schock versetzt Chiharu Shiota mit der Arbeit „During Sleep“ (2023): Von Wand zu Wand, vom Parkettboden bis zur Decke zieht sich ein schwarzes Netz, das ein weißes Bett umspannt. In Alpträume versetzt ein solches Szenarium, das das Labyrinthische Kafkas einfängt. Nicht weniger gefangen nimmt das Pastell-Bild auf Papier auf Aluminium „Metamorphosing after Kafka“ von Paula Rego (2002) mit dem nackten Mann, der sich eines Morgens in ein Ungeziefer verwandelt sieht. Zu Kafkas krankhafter Neigung zur Selbstanalyse und -reflexion liefert wiederum eine Frau, Mona Hatoum, ein eindrückliches Statement mit ihrem für eine Person gedeckten Tisch, auf dem ein Essteller steht, in dem sich „eine endoskopische Reise durch den Mund in den Magen“ abspielt. Die physische Realität wird augenfällig, die das Angenehme des Speisens konterkariert.
Will man sich Schockierendes ersparen, bleibe man am besten lange im Eingangsbereich. Hier werden einige Bücher und Schriftstücke, viele mit handschriftlichen Widmungen, aus Kafkas fragmentarischer Privatbibliothek aufgeschlagen. Sie verraten, welche Autoren und Illustratoren des Lesers Weltbild prägten: Tolstoi und Dostojewski, Max Horb und – nicht zu vergessen, denn mit ihm wird Kafka ein bisschen„bayerisch“ – Alfred Kubin. – Bis 11. Februar täglich außer Montag von 11 bis 18 Uhr.