In der politischen Stimmung in Deutschland fand in den letzten zwölf Monaten eine Zeitenwende statt. Wenn wir auf die Potentialanalysen (INSA-Analysis Potentiale) vom 20. Juni 2022 und vom 19. Juni 2023 blicken, dann fällt auf, dass Bündnis90/Die Grünen gut ein Drittel ihrer Stimmen bei der Sonntagsfrage verlieren (13,5 statt 21Prozent). Weiter büßen sie ein Fünftel ihres zusätzlich möglichen Potentials (16 auf 20 Prozent) und fast ein Drittel ihrer sicheren Stimmen (9 statt 13 Prozent) ein. Die Grünen-Werte bei der „negativen Sonntagsfrage“, also der Frage danach, welche Partei man grundsätzlich bei seiner Wahl ausschließt, verschlechtern sich sogar um 50 Prozent, von 28 Prozent auf 42 Prozent.
Eine gänzlich gegensätzliche Entwicklung beobachten wir bei der AfD. Ihr Ergebnisse bei der Sonntagsfrage (20 statt 10 Prozent) und beim zusätzlich möglichen Potential (10 statt 5 Prozent) verdoppeln sich. Die AfD-Werte bei der „negativen Sonntagsfrage“ verbessern sich um 21 Prozent, von 68 auf 54 Prozent.
Doch es gibt noch weitere Botschaften, die man aus dem Jahresvergleich ziehen kann: Der Anteil des zusätzlich möglichen Potentials der CDU/CSU von Grünen-Wählern (also von aktuellen Grünen-Wählern, die sich eine Wahl der Union grundsätzlich vorstellen können) sinkt von 27 auf 12 Prozent. Rechnet man dies um auf die 19 Prozent zusätzlich möglichen Potenzials um, die die Union aktuell erzielen könnte bzw. auf die 15 Prozent, die sie vor einem Jahr hätte erreichen können, entspricht dies einem Rückgang von 4,05 (vor einem Jahr) auf 2,28 Prozentpunkte (aktuell).
Der Anteil des zusätzlich möglichen Potentials der CDU/CSU von AfD-Wählern steigt von 13 (1,95 Prozentpunkte des Gesamtpotenzials) auf 24 Prozent (4,56 Prozentpunkte des Gesamtpotenzials) und der Anteil des zusätzlich möglichen Potentials der AfD von FDP-Wählern steigt von 16 Prozent (0,8 Prozentpunkte des Gesamtpotenzials) auf 31 Prozent (3,1 Prozentpunkte des Gesamtpotenzials) und kann für die FDP (7,5 Prozent in der aktuellen Sonntagsfrage) damit existenzbedrohend werden. Allerdings können sich prozentual mehr aktuelle AfD-Wähler vorstellen, auch die FDP zu wählen (3,4 Prozentpunkte des Gesamtpotenzials). Risiko und Chance liegen nahe beieinander. Der Kampf um die Wählerstimmen hat gut zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl schon begonnen. Besonders fließend sind die Wählerströme innerhalb der Lager Mitte-Links oder Mitte-Rechts: Dazwischen könnte man am Ende zwischen den Stühlen sitzen.