Wahlechtsreform der Ampel kann entscheidend sein, wer künftig regiert

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Die Ampel-Koalition will mit ihrer Wahlrechtsreform erreichen, dass der Bundestag dauerhaft nicht mehr als 630 Abgeordnete zählt. Derzeit sitzen 736 Abgeordnete im Bundestag. Diese Reduzierung der Abgeordnetenzahl wollen die Koalitionäre durch den Wegfall der Überhang- und Ausgleichsmandate erreichen. Weiter soll auch die Grundmandatsklausel, nach der für eine Partei, die mindestens drei Direktmandate gewinnt, die Fünf-Prozent-Hürde nicht gilt, gestrichen werden. Insbesondere für Linke und CSU könnte diese Wahlrechtsreform existenzgefährdend werden. Der Gang zum Bundesverfassungsgericht scheint vorprogrammiert.

Seit vielen Jahren erstellen wir eine Wahlkreiskarte, die die sicheren und wahrscheinlichen Wahlkreisgewinner dokumentiert, falls die von uns erhobene bundesweite politische Großwetterlage sich genauso in den Wahlkreisen spiegeln würde. Das berücksichtigt natürlich nicht die Stärken und Schwächen einzelner Direktkandidaten. Es ist ausschließlich eine statische Berechnung, das Bundesergebnis runtergerechnet auf die einzelnen Wahlkreise und keine repräsentative Erhebung für jeden einzelnen Wahlkreis. Trotzdem geben die aktuelle Sonntagsfrage und die ihr zugrundeliegende Mandatsverteilung einen Eindruck, wie ein zukünftiger Bundestag aussehen könnte. Nimmt man die Umfrage, die vom 6. bis zum 11. April erhoben wurde zur Grundlage, dann säßen in einem am Osterwochenende auf der Grundlage des alten Wahlgesetzes gewählten Bundestages 688 Abgeordnete, in einem nach dem neuen Wahlgesetz gewählten Bundestag 630 Abgeordnete. Die Union hätte nach dem neuen Wahlrecht 20 Bundestagsabgeordnete (9,1 Prozent) und die SPD hätte zwölf Bundestagsabgeordnete weniger (7,6 Prozent) im Vergleich zum alten Wahlrecht. Grüne und AfD müssten nach diesem Wahlrecht auf jeweils zehn Bundestagsabgeordnete verzichten, die FDP auf fünf Bundestagsabgeordnete. Bei diesen drei Fraktionen würde sich durch das neue Wahlrecht die Zahl der Mandate um ca. acht Prozent (zwischen 7,9 und 8,2 Prozent) verringern.

Den größten Nachteil hätte das neue Wahlrecht aktuell für die Union, den größten Vorteil für die SPD. Damit ist nicht gesagt, dass das alte Wahlrecht „gerechter“ ist als das neue. Es bevorzugt die wahlkreisstarken Parteien CDU und CSU. Obwohl die Linke nach dem alten Wahlrecht mit einem Mandat im Bundestag vertreten wäre, hätten Union und AfD – rein rechnerisch! – mehr Mandate als SPD, Grüne, FDP und Linke zusammen.

Nach dem alten Wahlrecht blieben die Ampel-Parteien mit zusammen 49,7 Prozent der Mandate ohne parlamentarische Mehrheit. Mindestens drei Mandate fehlen! Nach dem neuen Wahlrecht wären sie mit 50 Prozent der Mandate an der Schwelle zu einer parlamentarischen Mehrheit. Nur ein Mandat würde fehlen. Welches Wahlrecht bei der nächsten Bundestagswahl gilt, kann also letztlich darüber entscheiden, welche Partei am Ende den Bundeskanzler stellt. Es geht bei der Diskussion um das neue Wahlrecht also nicht nur darum, ob im Bundestag 50 oder 100 Abgeordnete mehr oder weniger sitzen, sondern das Wahlrecht kann auch entscheidend dafür sein, wer letztlich regiert.

 

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Hermann Binkert ist 57 Jahre alt, verheiratet und Vater von vier Kindern. Der Jurist ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des Markt- und Meinungsforschungsinstituts INSA-CONSULERE. Bevor er INSA im November 2009 in Erfurt gründete, war Binkert 18 Jahre im öffentlichen Dienst, zuletzt als Staatssekretär in der Thüringer Staatskanzlei und Bevollmächtigter des Freistaats Thüringen beim Bund, tätig. Heute gehört er zu den renommiertesten Meinungsforschern Deutschlands und erhebt Umfragen für Ministerien im Bund und in den Ländern, für alle Parteien und Fraktionen, die im Bundestag und in den Landtagen vertreten sind. Wöchentlich stellt INSA die Sonntagsfrage für die Bild am Sonntag und die BILD. Das Meinungsforschungsinstitut arbeitet für viele großen Verlage, z. B. Springer, Burda, Funke, Madsack. Es führt aber auch Fokusgruppengespräche und Testkäufe durch.