Gründe, warum die AfD so stark ist

AfD-Logo, Quelle: SGL

Die Argumente, warum die AfD so stark wurde, stimmen (fast) alle: Die von Frau Merkel ausgerufene Alternativlosigkeit zu ihrer Politik; die verloren gegangene Bindungskraft der Union in Richtung des rechten Wählerspektrums, das sich auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befindet; die große Unzufriedenheit mit der Ampel-Koalition; die Attraktivität einer Partei, die nicht in der Gefahr steht, mit den Grünen anzubändeln und – nicht zuletzt – die ständige Benennung als Schreckgespenst.

Tatsächlich hält die Brandmauer zwischen Bündnis90/Die Grünen und der AfD auch auf Wählerseite: Hier findet fast kein Wähleraustausch statt. Die AfD ist nicht attraktiv für Grünen-Wähler und die Grünen haben die geringsten Chancen AfD-Wähler für sich zu gewinnen. Nur zwei Prozent der potentiellen Grünen-Wähler kommen von der AfD und nur fünf Prozent der potentiellen AfD-Wähler kommen von den Grünen. Ganz anders sieht es bei FDP und Union aus: Drei Viertel der zusätzlich möglichen Wähler der AfD kommen von diesen beiden Parteien (33 Prozent von der Union und 42 Prozent von der FDP). Deshalb würde ein weiterer Zuwachs der AfD höchstwahrscheinlich vor allem zu Lasten dieser Parteien gehen. Die viel zitierte Brandmauer gibt es zwar in den Erklärungen der Parteispitzen, diese können aber nicht für ihre Wähler sprechen. Die Mauern zwischen den Wählern von FDP, Union und AfD sind vielleicht (noch) nicht gänzlich gefallen, aber sie sind deutlich durchlässiger geworden. Das ist ein Grund für die aktuelle Stärke der AfD.

Allparteien-Bündnisse gegen die AfD entsprechen den Erwartungen der Mehrheit der Wähler. Für 55 Prozent ist die AfD auf gar keinen Fall wählbar. Dieser Wert lag aber auch schon bei 75 Prozent. Und diejenigen, die sich die AfD nach unserer Wahlergebniswunschfrage sogar als regierungstragende Partei wünschen – und das sind immerhin 28 Prozent – könnte ein solches Allparteienbündnis sogar irritieren. Die einen Brandmauern stellen die Parteispitzen auf, die anderen Brandmauern gibt es in den Köpfen der Wähler der einzelnen Parteien. Gut jeder vierte Unionswähler (26 Prozent) bzw. fünfte FDP-Wähler (21 Prozent) findet, die Grünen sollten gar nicht in den Bundestag kommen, weitere 32 (Unionswähler) bzw. 23 Prozent (FDP-Wähler) wünschen sich die Grünen in der Opposition. Möglicherweise verändern die Wähler „ihre“ Parteien auf Dauer stärker als die Parteiführungen.

Über Hermann Binkert 334 Artikel
Hermann Binkert ist 57 Jahre alt, verheiratet und Vater von vier Kindern. Der Jurist ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des Markt- und Meinungsforschungsinstituts INSA-CONSULERE. Bevor er INSA im November 2009 in Erfurt gründete, war Binkert 18 Jahre im öffentlichen Dienst, zuletzt als Staatssekretär in der Thüringer Staatskanzlei und Bevollmächtigter des Freistaats Thüringen beim Bund, tätig. Heute gehört er zu den renommiertesten Meinungsforschern Deutschlands und erhebt Umfragen für Ministerien im Bund und in den Ländern, für alle Parteien und Fraktionen, die im Bundestag und in den Landtagen vertreten sind. Wöchentlich stellt INSA die Sonntagsfrage für die Bild am Sonntag und die BILD. Das Meinungsforschungsinstitut arbeitet für viele großen Verlage, z. B. Springer, Burda, Funke, Madsack. Es führt aber auch Fokusgruppengespräche und Testkäufe durch.