Am heutigen 15. April 2023 werden die letzten deutschen Kernkraftwerke stillgelegt, obwohl es offenkundig an gesicherter Kraftwerksleistung fehlt. Gut 30 Jahre nach dem Beginn der systematischen Förderung erneuerbarer Energien steht die Energiewende vor einem Scherbenhaufen. Deutschland droht Strommangel, schrittweise Deindustrialisierung, Verarmung und Verelendung. Es ist höchste Zeit inne zu halten, die Lage grundlegend neu zu analysieren, Zusammenhänge zur Staatsschulden- und Währungskrise zu erkennen und die Weichen neu zu stellen. Lesen Sie dazu das folgende Interview.
Herr Paulitz, am Samstag werden die letzten drei aktiven Atomkraftwerksblöcke abgeschaltet. Werden kommende Generationen im Rückblick von einer folgenschweren Zäsur in der Energieversorgung sprechen?
Ja, das ist in der Tat zu befürchten. Der breiten Öffentlichkeit und selbst vielen Akteuren in der Politik ist kaum bewusst, dass in der frühen Atomenergie-Diskussion die Gewährleistung der Versorgungsicherheit immer konsequent im Blick behalten wurde. Man hoffte zwar auf Langzeitspeicher für Wind- und Solaranlagen in einigen Jahrzehnten, sicherte den Atomausstieg aber stets ab unter Verweis auf den existierenden konventionellen Kraftwerkspark, der jederzeit die Stromversorgung vollständig übernehmen konnte.
Seit der letzten Dekade aber verklärte man mehr und mehr die Frage der Versorgungssicherheit. Große Teile der Politik, der NGOs, der Lehrer, der Medien und selbst der Wissenschaft schrieben und redeten sich in einen seltsamen Kollektivrausch hinein, wonach man x-beliebig Kraftwerke abschalten könne, mit mehr Solaranlagen und neuen Windparks käme der Strom schon zuverlässig aus der Steckdose. Eine Spitzenpolitikerin meinte, das Stromnetz sei ein Speicher, und die Ampelkoalition vermittelt den Eindruck, auf Knopfdruck ließe sich von heute auf morgen eine Wasserstoffwirtschaft herbeizaubern. Sie plant mit Techniken, die „H2-ready“ sein sollen, ohne dass diese schon existieren und ohne zu wissen, ob und wann die riesigen Mengen an Wasserstoff und Wasserstoff-Derivaten tatsächlich verfügbar gemacht werden könnten.
Die Stilllegung der letzten drei Kernkraftwerke in Deutschland erfolgt insofern in einer Zeit, in der sich ein einflussreicher Teil der akademischen Elite Deutschlands gedanklich in einer Traum- und Phantasiewelt bewegt. Diese Schicht kommt aus einer Zeit, in der die Forderung nach Selbstreflektion und kritischer Wissenschaft populär war. Nach dem erfolgreichen „Marsch durch die Institutionen“ möchte man aber von „kritischem Denken“, kontroversen fachlichen Debatten und Meinungspluralismus nicht mehr allzu viel wissen. Kritisch fühlt man sich, wenn man dem grünen Zeitgeist folgt. Auf die Wissenschaft „hört“ man, aber nur dann, wenn sie diesen Zeitgeist bedient.
Sieht die Bevölkerung das genauso?
In der breiten Bevölkerung ist das etwas anders. Man ahnt, dass die Sache nicht reibungslos verläuft und eventuell nicht gut gehen kann, man erlebt und kritisiert eine zunehmende Verengung des zulässigen Meinungskorridors, man ist genervt von einer immer krasseren Verbotspolitik, man erlebt wie der Staat einen nicht mehr alleine und in Freiheit lässt, man liest täglich von der Energiekrise, man spürt die allgemeine Preisentwicklung und man glaubt längst nicht mehr daran, dass diese große Transformation nur eine Kugel Eis pro Monat kostet.
Man kann das an einem bemerkenswerten Meinungsumschwung ablesen, den es so wohl noch niemals in der Bundesrepublik gegeben hat: War die Bevölkerung vor zehn Jahren noch weit überwiegend für den Atomausstieg, so sind jetzt mehr als 70 Prozent für die weitere Nutzung der Kernenergie.
Die Bevölkerung sieht die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke weit überwiegend als Fehler und dennoch wird es eiskalt durchgezogen. Das passt zu der Aussage der deutschen Außenministerin, es sei ihr egal, was ihre Wähler denken. Das passt dazu, dass der Berliner Politik-Professor Wolfgang Merkel am 24. Juni 2019 im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender „Phoenix“ gesagt hat, die weitere Durchsetzung der Klimapolitik erfolge durch „Technokraten“ und werde „nicht mehr demokratisch geschehen“.
Wir erleben also jetzt schon eine Zäsur, in der Energiepolitik wie auch in den Formen der politischen Meinungs- und Willensbildung und Entscheidungsfindung.
Mit Neckarwestheim 2, Isar 2 und Emsland verschwinden rund 4,5 Gigawatt Stromleistung. Wie will die Politik diesen abrupten Ausfall kompensieren?
Die Grünen wollten neben den Atomkraftwerken am liebsten gleich auch noch alle Gaskraftwerke stilllegen. In den Koalitionsverhandlungen setzten sich dann Kräfte durch, die den Neubau von vielen Dutzend zusätzlichen Gaskraftwerken für erforderlich hielten. So steht es im Koalitionsvertrag. Doch Papier ist geduldig. Investoren lassen sich nur mit massiven Staatssubventionen zum Neubau von Gaskraftwerken bewegen, die die längste Zeit des Jahres nur in Reserve gehalten werden sollen. Ein Neubau findet faktisch nicht statt. Dennoch legt man die letzten drei Kernkraftwerksblöcke still.
Als Kompensation dient das Prinzip Hoffnung. Insbesondere aber plant man eine so genannte angebotsorientierte Energieversorgung, bei der Strom nur noch in dem Maße verfügbar sein soll, in dem er von Wind- und Solaranlagen produziert werden kann. Abends und nachts, wenn die Akkus der Elektroautos aufgeladen und die Elektrowärmepumpen Raumwärme produzieren sollen, scheint die Sonne aber nicht. Und wenn tagsüber der Wind nur mäßig weht, dann soll eine zwangsweise elektrifizierte Industrie ihre Produktion unterbrechen. Digitale Stromzähler sollen den Verbrauchern künftig den Strom abschalten.
Im Bundeswirtschaftsministerium werden für die Strom-Rationierung umfassende Pläne ausgearbeitet. Das alte Versprechen, dass der Strom zuverlässig aus der Steckdose kommt, gilt nicht mehr. Nur sagt man es noch nicht ganz so deutlich. Vielmehr stimmt man mit Unterstützung der Kirchen und unter ideologischer Nutzung des Ukrainekriegs die Bevölkerung auf eine Bereitschaft zum Verzicht ein. Wir bewegen uns auf eine „StromMangelWirtschaft“ zu, so der Titel meines Buches, mit dem ich eindringlich vor einer brutalen Strom-Rationierung warne.
Das Thema „Klimaschutz“ dominiert inzwischen große Bereiche der Politik. Ausgerechnet die „klimafreundlichen“ Atomkraftwerke werden nun abgeschaltet. Welche Risiken birgt die Kernkraft und wie sinnvoll ist der damit begründete Ausstieg?
Ältere Atomkraftwerke hatten sicherheitstechnische Schwachstellen, beispielsweise fehlende Automatisierungen bei der Beherrschung von Dampferzeugerheizrohrlecks oder kleinen Lecks. Einer Anlage fehlte eine automatisierte Auslösung des so genannten sekundärseitigen Abfahrens mit 100 K/h. Auch gab es Störfälle, die zum An- oder Abriss von Leitungen führten. Es gab wiederholt Anlagenschäden, jedoch keine Unfälle. Diese Unterscheidung ist nicht unwichtig.
Bei den letzten deutschen Kernkraftwerken, Neckarwestheim 2, Isar 2 und Emsland, handelt es sich um so genannte Konvoi-Anlagen. Deren sicherheitstechnisches Niveau ist sehr hoch, laut Reaktorsicherheitskommission des Bundes „Weltklasse“. Der Betrieb verlief jahrzehntelang reibungslos mit sehr großen Verfügbarkeiten, was auf das hohe Sicherheitsniveau hinweist, denn es gab kaum längere Ausfälle wegen Reparaturen. Neuere Reaktorkonzepte arbeiten mit mehr passiven Sicherheitssystemen, künftig kommt eine Verwertung des Atommülls als Brennstoff in Betracht.
Bei der Beurteilung von Energietechniken geht es letztlich immer um Abwägungen. Der Bundeswirtschaftsminister hat zuletzt eine bemerkenswerte Abwägung vorgenommen, indem er den Weiterbetrieb ausgerechnet der ukrainischen Atomkraftwerke, zumal im Kriegsgebiet, als „in Ordnung“ bezeichnete, während die deutschen Konvoi-Anlagen angeblich aus Sicherheitsgründen stillzulegen seien.
Im Januar sagte Klaus Müller, grüner Chef der Bundesnetzagentur, laut Medienberichten: „Wir freuen uns über jedes AKW, das am Netz ist.“ Damit waren insbesondere die französischen Kernkraftwerke gemeint, verbunden mit der Hoffnung, französischen Atomstrom nach Deutschland importieren zu können.
Die von grüner Seite vorgenommene Risikoabwägung ist mehr als seltsam: Bei deutschen Kernkraftwerken handele es sich um eine „Hochrisikotechnologie“, während man zugleich hofft, dass das benachbarte Ausland Atomstrom liefert, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Man feiert in dreister Weise einen angeblich vollzogenen Atomausstieg, stützt sich aber klammheimlich auf Atomstromimporte. Es ist die Frage, wie lange sich die Bevölkerung noch in einer solchen Weise an der Nase herumführen lässt.
Zu einer ernsthaften Risikoabwägung gehört: Kann es sich Deutschland erlauben, einerseits immer radikalere CO2-Minderungsziele nach Brüssel zu melden und andererseits auf die Nutzung der nahezu CO2-freien Kernenergie zu verzichten? So langsam dämmert der deutschen Öffentlichkeit, dass diese CO2-Minderungsziele verpflichtenden Charakter haben und eine Nicht-Einhaltung bald schon extrem teuer und extrem ungemütlich werden wird.
Parallel zum Atom-Ausstieg wird auch die Kohleverstromung aufgegeben – die Kohle stellt aber inzwischen die wichtigste Stromquelle hierzulande dar. Was steckt hinter dem jüngsten Aufschwung bei der Kohleverstromung?
Mit Beginn des Ukrainekriegs sah sich die Ampelregierung gezwungen, den Bezug von billigem Erdgas aus Russland zu reduzieren. Die Möglichkeit, den Atom- und Kohleausstieg mit einer zunehmenden Nutzung des billigen Erdgases zu kompensieren, entfiel. Daher setzte man zunächst einmal wieder massiv auf die Nutzung von Kohle.
Die halbe Welt setzt weiterhin auf die Kohleverstromung. In China gehen wöchentlich neue Kohlekraftwerke ans Netz, was für dieses konkurrierende Industrieland aber insofern keinerlei Problem darstellt, als China sich vorläufig nicht zu einer CO2-Minderung verpflichtet hat. Im Gegenteil, genehmigt sich China mit Billigung der so genannten Weltgemeinschaft und ohne jede Kritik seitens der radikalen deutschen Klimaschützer ein weiteres Anwachsen der CO2-Emissionen.
Für Deutschland kollidiert eine fortgesetzte Kohleverstromung im Interesse einer preiswerten, sicheren Versorgung jedoch knallhart mit den CO2-Minderungsverpflichtungen. Dieser Zielkonflikt ist praktisch nur durch einen umfassenden Verzicht auf die Nutzung von Energie auflösbar, was wohl zu einer weitreichenden Deindustrialisierung und Verarmung Deutschlands führen würde.
Den Planungen der Bundesregierung zufolge soll Deutschland in nicht allzu ferner Zukunft fast ausschließlich durch Wind- und Solarkraft mit Elektrizität versorgt werden. Kann diese Transformation gelingen? Und wenn nicht: woran wird das Unterfangen wahrscheinlich scheitern?
Die gesamte Energieversorgung auf eigene Wind- und Solaranlagen stützen zu wollen, ist aus heutiger Sicht aussichtlos, u.a. wegen der Umwandlungsverluste von dafür notwendigen Langzeitspeicher-Systemen. Eine solche Transformation ist auch praktisch unbezahlbar, weil man mit zahllosen Parallelstrukturen bzw. Backup-Systemen arbeiten müsste, angedacht wird neuerdings ein extrem hochgerüstetes System mit Kurz-, Mittel- und Langzeitspeichern und Systemen der Primärstromerzeugung und der Wiederverstromung von Speichergasen.
Für jede Kilowattstunde Strom bräuchte man nicht mehr nur eine Erzeugungsanlage, sondern ein hochkomplexes, multiples System. Es wäre eine gigantische Materialschlacht unter Rückgriff auf jede Menge so genannter seltener Erden. Der Flächenverbrauch und die Produktion hochproblematischer Industrieabfälle wären gigantisch. Das Entsorgungsproblem von Windradflügeln, Solarmodulen und Batterien ist noch weitgehend ungelöst. Das ist dann in Summe alles nicht mehr „small“ und auch nicht mehr „beautiful“.
Welches Szenario erwartet Deutschland – seine Bürger und seine Wirtschaft – aus Ihrer Sicht, wenn die Bundesregierung den eingeschlagenen energiepolitischen Pfad konsequent zu Ende geht?
Wir sprechen in Deutschland meiner Ansicht nach immer zu viel über schöne Zukunftsvisionen. Man muss nüchtern feststellen: Diese Gesellschaft hat bereits drei Jahrzehnte lang hohe dreistellige Milliardenbeträge in die Energiewende, in diese große Transformation investiert. Man hat in Deutschland schon vor vierzig Jahren von einer baldigen Wasserstoffwirtschaft geträumt.
Und wenn man mal ganz nüchtern Bilanz zieht nach 30 Jahren Energiewende, so stehen wir ehrlicherweise vor einem gewaltigen Scherbenhaufen. Wir wissen nicht, wie wir durch den nächsten Winter kommen, wir wissen nicht, in welchem Maße bald schon Energie rationiert werden wird, wir wissen nicht, wann es eventuell zum Blackout kommt, und wir wissen nicht, wie schnell die Deindustrialisierung und Verarmung unseres Landes voranschreiten wird.
Und wenn wir die Kohlekraftwerke weiterlaufen lassen, dann wissen wir nicht, wo wir die dafür nötigen, immer knapper werdenden CO2-Zertifikate hernehmen und wie wir sie bezahlen sollen. Ich halte es in einer solchen Situation für falsch, den eingeschlagenen Weg unbeirrt fortzusetzen.
Haben Sie den Eindruck, dass sich die Verantwortlichen der „Energiewende“ an rational-wissenschaftlichen Maßstäben orientieren oder spielen hier auch noch andere Faktoren eine Rolle?
Meiner Ansicht nach hat man längst die klaren Maßstäbe und die Bereitschaft zu einer fairen und rationalen Debatte verloren. Man hat in der Vergangenheit beispielsweise sehr viel über die Profite der Energiewirtschaft und der Atomindustrie gesprochen. Ehrlicherweise lieferten die Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke aber bis jetzt erstaunlich günstigen Strom.
Seit in der Windbranche „gutes Geld“ verdient wird, ist es merkwürdig still geworden, was die hohen Profite der Energiewirtschaft angeht.
Diese Doppelmoral tut einer Gesellschaft nicht gut und die beständig steigenden Kosten der Energiewende sind für eine Volkswirtschaft, für die Industrie, die im internationalen Wettbewerb steht, schon jetzt kaum noch tragfähig. Kein Wunder kommt es immer mehr zu Produktionseinschränkungen und Verlagerungen der Industrie ins Ausland.
Die soziale Frage wird sich in den kommenden Jahren völlig neu stellen, wenn gut bezahlte Industriearbeitsplätze und die Steuerzahlungen der mittelständisch geprägten Industrie zur Finanzierung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst mehr und mehr verloren gehen. Wie soll dann der Sozialstaat finanziert werden?
Die Bundesregierung greift immer massiver in das Wirtschaftsgeschehen ein. Als Stichworte sollen hier das Verbot von Verbrennungsmotoren und Öl- und Gasheizungen genügen. Droht eine Art „grüner“ Planwirtschaft?
Die Regulierungsdichte wird immer höher. Die Bundesministerien und ihre nachgeordneten Bundesbehörden wie auch die ausufernde Brüsseler Bürokratie sind beständig damit beschäftigt, immer feingliedrigere und immer weitreichendere Vorschriften zu erlassen.
Einstmals hätte man gedacht, mit dem „geregelten Dreiwegekatalysator“ sei im Pkw-Bereich viel erreicht worden, doch seitdem jagt eine Euro-Norm die nächste. Aber niemals ist ein Auto oder irgendetwas anderes sauber genug. Stets ist es nicht weitreichend genug. Die Umweltpolitik kennt keinerlei Haltepunkte.
Dabei ist sie aber auch nicht ehrlich, weil sich beispielsweise das Umweltbundesamt für manche schädlichen Umweltfolgen nicht so wirklich interessiert, etwa wenn es um Umweltbeeinträchtigungen der Wind- und Solarenergie geht. Neue Forschungsergebnisse etwa zur Beeinflussung der Windströmungen und zur Austrocknung von landwirtschaftlichen Flächen sind durchaus beunruhigend, aber die grüne Politik „hört“ an dieser Stelle eher ungern auf die Wissenschaft.
Immer mehr zeichnet sich ab, dass eine ausufernde grüne Planwirtschaft sehr selektiv Partikularinteressen bedient, nicht aber ideologiefrei am Erhalt unserer Umwelt und unserer Kulturlandschaft interessiert ist.
Hinzu kommen, jetzt für die breite Öffentlichkeit und auch für Journalisten der Mainstream-Medien wahrnehmbar, drakonische staatliche Eingriffe wie die Heizungsverbote und Heizungsgebote aus dem Hause Habeck, abgesegnet von der gesamten Ampelkoalition. Die Bevölkerung ahnt inzwischen, dass die bevorstehenden Ausgaben für Elektrowärmepumpen, für Solaranlagen und insbesondere auch für energetische Gebäudesanierungen finanziell nicht zu stemmen sein werden. Wohnen wird für Immobilienbesitzer und für Mieter regelrecht unbezahlbar.
Wer nicht saniert, dem droht die Regierung mit drakonischen Bußgeldern. Wer Ersparnisse hat, der hat diese eventuell in erster Linie zur Altersvorsorge und möchte sie deswegen vielleicht nicht für einen fragwürdigen Heizungsaustausch ausgeben. Wer sanieren „möchte“, der bekommt im fortgeschrittenen Alter möglicherweise keinen Kredit. Wer Kredit bekommt, den erdrücken möglicherweise Zins und Tilgung, zumal, wenn die Inflation weiter voranschreitet oder der Arbeitsplatz verloren geht.
Längst denkt die Bevölkerung all das konsequent zu Ende: Die Leserkommentare zu diesem Thema und die sozialen Medien sind bereits voll mit Einträgen, in denen die Befürchtung geäußert wird, dass dies zur Enteignung von Immobilien führen dürfte. Schneller als gedacht ist Omi ihr Häuschen los, wenn sie all die Klimaschutzauflagen von ihrer kleinen Rente nicht bezahlen kann.
„You ll never walk alone“, sagt dazu der Bundeskanzler. Was meint er damit? Nimmt der Staat bei der Europäischen Zentralbank dann noch mehr Schulden auf, um soziale Härtefälle abzufedern, während die Mittelschicht all das selbst bezahlen soll? Druckt die EZB also noch mehr Geld und heizt damit Inflation und Staatsverschuldung noch mehr an? Und wer zahlt dann am Ende die Schulden zurück?
Sind es die Ersparnisse, die Aktien zur Altersvorsorge, die dabei drauf gehen? Sind es die Immobilien, die verloren gehen, um die Schulden zu begleichen?
Oder umgekehrt gefragt: Gibt es all die Heizungsverbote und Pflicht-Sanierungen für den Gebäudebestand primär deswegen, weil der Staat jetzt schon nicht mehr weiß, wie er ohne Enteignungen die Verschuldungs- und Währungskrise bewältigen soll?
Wie sollte die „Energiewende“ Ihrer Ansicht nach organisiert werden? Welche Elemente würden Sie beibehalten und welche rückgängig machen?
Ich plädiere dafür, zunächst inne zu halten. Wir stehen wie gesagt vor einem Scherbenhaufen. Es ist überfällig, die Fragen und die Zusammenhänge der Energieversorgung, des Umweltschutzes, der Staatsverschuldung, des Währungssystems, der Inflation und der Bankenkrise auf ehrliche Weise unter Hinzuziehung des nötigen Sachverstands von Grund auf neu zu erörtern.
Wir müssen zunächst verstehen lernen, woher der neuerliche Hang zu staatlicher Überregulierung bis hin zu Enteignungsforderungen kommt. Wir müssen zunächst die Frage schlüssig beantworten, was die aktuelle Klimapolitik mit Umweltschutz und was Klimapolitik mit unserem Währungssystem zu tun hat.
Im energie- und umweltpolitischen Bereich müssen wir den Mut haben, alle grundlegenden Fragestellungen erneut zu bearbeiten, diese ergebnisoffen und möglicherweise grundlegend neu zu beantworten. Wir sollten dabei tatsächlich auf die Wissenschaft hören, die keineswegs so einstimmig ist, wie es uns in den letzten Jahren vermittelt wurde.
Was das praktische Handeln betrifft: Der CO2-Minderungspfad Deutschlands ist ohne substanzielle Wohlstandsverluste und ohne Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung kaum zu erfüllen, und sollte daher dringend korrigiert werden.
Da wir uns sehenden Auges in eine schwere Energiekrise manövriert haben, verbietet sich jede weitere Abschaltung von Kraftwerken, die gesicherte Leistung liefern. Der weitere Betrieb der letzten Atomkraftwerke darf auch nach dem 15. April kein Tabu sein.
Ganz generell müssen wir Deutschen wieder lernen, nicht zu allem immer nur „Nein“ zu sagen und überall immer nur das Haar in der Suppe zu suchen.