Populismus ist keine Option für die EU, er ist ihre größte Gefahr

Simulation von Politik in Schablonen

belgien brüssel europäische kommission architektur, Quelle: dimitrisvetsikas1969, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig

Brüssel ist aus der Sommerpause zurück. Die drängenden Themen haben allerdings keinen Urlaub gemacht, sie sind eher noch drängender geworden. Es stehen entscheidende Wochen und Monate an. Die neue Kommission bildet sich und nach den „Politischen Leitlinien“ die die alte und neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrer Bewerbungsrede im Europäischen Parlament Mitte Juli vorgestellt hatte, werden mit den sogenannten „Mission Letters“ an die Kommissare demnächst die konkreten Vorhaben für die nächste Legislaturperiode formuliert. Die kommenden fünf Jahre werden es in sich haben. Denn große Entscheidungen stehen an und der Zeitdruck nimmt zu. Die EU verliert in einer zunehmend multipolaren Weltordnung geoökonomisch immer schneller an Bedeutung, während die Wirtschaft vor großen strukturellen Herausforderungen steht angesichts eines Wirtschaftsstandortes, der unter hohen Bürokratielasten und realitätsfremder Regulierung leidet, aber kaum noch bereithält, worauf es wirklich ankommt: eine leistungsfähige Infrastruktur, funktionierende Institutionen und eine hohe Innovationskraft.

Politik muss Antworten geben. Das ist ihre Aufgabe und daran wird sie zurecht gemessen. Tut sie das nicht oder gibt sie lediglich Scheinantworten, verliert Politik letztlich das Vertrauen der Bürger. Zu diesem Punkt darf es die Politik niemals kommen lassen. Denn wenn ihr die Lösung wichtiger Probleme nicht mehr zugetraut wird, gerät die Demokratie in Gefahr. Die Simulation von Politik in vorgefertigten Schablonen macht die Probleme nur größer. Die politische Arithmetik passt aber nicht mehr in diese Schablonen. Die Simulation von Politik führt in den gesellschaftlichen Ernstfall. Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben es gezeigt: Populismus fällt nicht vom Himmel, er wächst wie ein Krebsgeschwür. Die Migrationspolitik ist ein gutes, weil schlechtes Beispiel dafür. Nachdem eine sachliche Lösung immer wieder aufgeschoben worden ist, kommt es dann, wenn es fast schon zu spät ist, zu emotionalen Überreaktionen. Der Ruf nach der harten Hand und dem starken Mann wird dann wieder laut.

Das Muster ist bekannt: Populisten fangen an, sich des Themas kommunikativ zu bemächtigen und der Spaltung das Wort zu reden: Es gibt dann keine sachliche Lösung mehr, sondern nur noch Sündenböcke. Darin liegt die ganze Tragik einer Politik, die die drängenden Themen aussitzt oder sich nur noch – zu ihrer eigenen Beruhigung und Ablenkung – um Nebensächliches kümmert. Es gibt keine gute Politik, außer man macht sie. Und das bedeutet, sich rechtzeitig um die wirklich wichtigen Probleme zu kümmern. Die EU hat derer viele: von Migration über Energie bis Verteidigung. Populismus ist keine Option für die EU, er ist ihre größte Gefahr.

Ihr
Prof. Dr. Henning Vöpel

Quelle: cep | Centrum für Europäische Politik

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