Der neue Bundestag ist gewählt. Nun muss es zügig zur Bildung einer stabilen Regierung kommen. Ein Hauptfokus in den Verhandlungen sollte die Europapolitik sein. Denn mehr denn je gilt: Die Sicherheit und der Wohlstand Deutschlands hängen vom Frieden und der Freiheit Europas ab. Nicht nur die Münchner Sicherheitskonferenz hat die transatlantische Entkopplung zwischen den USA und Europa verdeutlicht. Vor allem der Eklat im Weißen Haus zwischen Trump und Vance einerseits sowie Selenskyj andererseits hat gezeigt, dass die USA bereit sind, sich vom Westen zu verabschieden. Damit hat sich auch die bedeutsame Frage entschieden, welche Dynamik die Globalisierung in Zukunft annehmen wird. Die Multipolarität und nicht die Blockbildung wird die neue Realität der Weltwirtschaft sein. Für Europa ist ein solches Szenario sehr herausfordernd, aber auch eines, das Chancen bietet. Interessant ist auch, dass das Vereinigte Königreich plötzlich wieder eine bedeutende Rolle für die Zukunft Europas spielen könnte.
Ob Verteidigung, Bürokratieabbau oder Wachstum: der Schlüssel für die nächste Bundesregierung zur Lösung vieler drängender Probleme liegt in einer stärkeren Führungsrolle Deutschlands in Europa. Eine Untersuchung des Internationalen Währungsfonds (IWF) hat kürzlich gezeigt, dass die internen Barrieren auf dem Europäischen Binnenmarkt einem impliziten Zollsatz von durchschnittlich 45 (!) Prozent entsprechen. Die EU schwächt sich also selbst am meisten. Der Europäische Binnenmarkt als der wichtigste strategische Trumpf der EU in den globalen Handelskonflikten muss also dringend für mehr Resilienz und Innovationskraft weiterentwickelt werden: in der Energieversorgung, der Digitalisierung und in Forschung und Entwicklung. Dazu passt die Forderung von Enrico Letta, neben der Freiheit des Personen-, Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehrs eine „fünfte Freiheit“ zu etablieren – die Freiheit von Forschung, Innovation und Bildung.
In Brüssel und Berlin ist die Zeit für mutige und zukunftsweisende Entscheidungen gekommen. Sie nicht zu treffen, könnte sich als ein historisches Versagen erweisen.
Mit besten Grüßen
Ihr Henning Vöpel