Die Feinde des Optimismus – Wie Bürokratie und Spaltung uns Fortschritt kosten

Dokumente, Dateien, Irrat, Quelle: fulopszokemariann, Pixabay License, Freie kommerzielle Nutzung, Kein Bildnachweis nötig

Überall lauern die Feinde des Optimismus. Es ist das Geschäft von Populisten, Bürokraten und Aktivisten, uns den Optimismus zu stehlen und den Mut zu nehmen. So ist von allen Herausforderungen dieser Zeit die größte wohl die, dass es kaum noch den Mut und den Optimismus gibt, sie anzupacken. Marktwirtschaft und Demokratie stiften eigentlich zu Mut und Optimismus an. Sie sind geradezu deren Lebenselixier. Denn wenn es keinen Mut und keinen Optimismus mehr gibt, verlieren Marktwirtschaft und Demokratie ihren Realitätssinn wie zugleich ihre Zukunftsorientierung. Ohne Zukunft wird Gegenwart unwirklich. Heute wirkt die Marktwirtschaft mutlos, die Demokratie deprimiert. Die größten Feinde des Optimismus sind die Überbürokratisierung der Wirtschaft und die Dauerempörung der Gesellschaft. Die Soziale Marktwirtschaft ist nicht mehr sozial und es steckt immer weniger Markt darin. In die Demokratie ist zunehmend der Aktivismus eingezogen mit der Folge von diskursfeindlichem, spaltendem Meinungsfundamentalismus. Es ist an der Zeit, die ordnungspolitischen Grundlagen unserer Zukunftsfähigkeit wieder zu stärken.

„Rasender Stillstand“

Der französische Essayist Paul Virilio sprach schon vor vielen Jahren von einem „rasenden Stillstand“, den wir in der (post-)modernen Mediendemokratie erzeugen. Wir produzieren Nachrichten und Scheinaktivität ohne Unterlass, die am Ende doch nur „weißes Rauschen“ sind. Viel Lärm um fast nichts. Der laute Aktionismus ist nur die Simulation von Fortschritt, der für gewöhnlich eher leise ist. Tatsächlich herrscht fast Stillstand. Die Wirtschaft kommt aus ihrem Tief nicht heraus und in der Gesellschaft dominieren Neid und Wut. Mittlerweile gibt es für keine politische Zukunftsentscheidung noch eine gesellschaftliche Mehrheit. Stattdessen wird alles abgelehnt, auch das Gegenteil. Es gibt buchstäblich keinen Fortschritt mehr. Die Kosten des Strukturwandels werden lediglich umverteilt, Leistungsanreize dadurch geschwächt; Krisen werden nur in den Symptomen gelindert, Innovationen dadurch unterdrückt. Es wird immer unattraktiver, die nur noch scheinbar bequeme, aber tatsächlich immer stärker dysfunktionale Gegenwart zu verändern. Es fehlen für die Zukunft das Geld, die Ambition und sogar die Zeit: zu teuer, zu anstrengend und zu sehr beschäftigt – mit den Krisen der Gegenwart, die doch eigentlich aus der Zukunft kommen und davon künden, dass es so, wie es ist, nicht bleiben kann.

Die Zeit, die aus der Zukunft kommt

Für die Zukunft ist es nie zu spät. Denn die Zeit, die wir haben, kommt immer aus der Zukunft, nur dort gibt es Zeit, in der Gegenwart verrinnt sie bloß. Zukunft besteht aus Möglichkeiten, die Gegenwart aus Restriktionen. In der Zukunft ist daher auch für alle Platz, in der Gegenwart wird es dagegen umso enger, je länger sie unverändert bleibt. Die Nullsummenlogik greift immer stärker. Der Ökonom Gordon Tullock hat von einer „Rent-seeking society“ gesprochen, einer Gesellschaft also, in der es nur noch um die Sicherung von leistungslosen Privilegien und um unproduktive Verteilungskämpfe geht. Je attraktiver und ideenoffener aber die Zukunftsperspektive ist, desto eher sind Menschen bereit, in sie zu investieren. Darin liegt zugleich der größte Vorteil der liberalen Demokratien gegenüber Autokratien. Die Spieltheorie zeigt, dass Geduld einen wichtigen strategischen Vorteil bedeutet. Wer auf die Zukunft vertraut, kann abwarten. Unsere Gesellschaft wird dagegen immer ungeduldiger. Ein Zeichen dafür, dass die Zukunft nicht mehr viel verheißt.

Der zurückgestaute Fortschritt

Wandel besteht darin, bestehende Strukturen, die unter den sich verändernden Bedingungen immer weniger funktionieren, dysfunktional werden, durch neue, bessere zu ersetzen. Schumpeter nannte das „kreative Zerstörung“, um anzudeuten, dass Altes notwendig kaputtgehen muss, damit Neues entstehen kann. Wird Wandel verschleppt, nehmen die Beschränkungen unserer Handlungsfähigkeit immer weiter zu, ohne dass Fortschritt im Gegenzug neue Möglichkeiten geschaffen hätte. Was kurzfristig agierende, nur auf Krisenmanagement ausgerichtete Politik nicht versteht: Ohne Fortschritt kann es letztlich auch keine Stabilität geben. Wer in der Kurve des Wandels zu langsam ist, fällt um. Die Systemtheorie sagt: Je länger etwas stabil gewesen ist, desto stärker neigt es dazu, plötzlich fragil zu werden. Veränderungsmüde sei die Gesellschaft, sagt der Soziologe Steffen Mau. Wahrscheinlich ist sie eher veränderungsenttäuscht, frustriert darüber, dass es mit dem Fortschritt nicht so recht klappen will.

Wie Bürokratie Zeit stiehlt und Zukunft kostet

Marktwirtschaft braucht Mut. Ein großer „Mut-Fresser“ ist die Bürokratie. Der viel geforderte Bürokratieabbau aber dürfte schon aus bürokratischen Gründen scheitern: Die Bürokratie wüsste gar nicht, wie das geht. In seinem Buch „The Unaccountability Machine. Why Big Systems Make Terrible Decisions – And How the World Lost its Mind” beschreibt Dan Davies, wie Entscheidungssysteme wie Märkte, Unternehmen, Institutionen und eben auch Regierungen durch träge Routinen gerade in Zeiten des Wandels katastrophale Fehler machen können, obgleich alle beteiligten Akteure genau dies zu verhindern suchen. Und niemand ist dafür letztlich verantwortlich. Wie gelangen wir nun aus den mut- und verantwortungslosen Strukturen heraus? Freiheit, die anfängt, die Verantwortung zu bürokratisieren, scheitert am Misstrauen. Wenn Freiheit also wieder gedeihen soll, muss mehr Verantwortung das verlorene Vertrauen zurückgewinnen.

Wie Spaltung Zeit stiehlt und Zukunft kostet

Demokratie braucht Optimismus. Wut und Neid aber machen pessimistisch. Die vorherrschende Negativität in der Gesellschaft breitet sich immer weiter aus. Dort, wo alles schlecht geredet und schwarzgesehen wird, kann kein Fortschritt gelingen. Um aus dem Gegeneinander in der Gegenwart in ein Miteinander für die Zukunft zu finden, müssen wir uns wieder mehr zumuten, mehr zutrauen und mehr zuhören. Für eine dauerwütende und neidgeplagte Gesellschaft aber ist das schwierig. Die Mechanismen der Sozialen Medien führen immer tiefer in die diskursive Spaltung, in den Meinungsfundamentalismus. Nie war es leichter, zu sagen, was man meint, und zu glauben, was man sagt. Aktivismus ist noch keine Demokratie, denn er verhindert Kompromisse. Kompromisse aber öffnen Wege in die Zukunft.

Politik für eine „realistische Utopie“

In längeren Zeithorizonten betrachtet, zeigt die Wirtschaftsgeschichte, dass Phasen der Prosperität und Phasen des Niedergangs letztlich immer Phasen der Neugier und Phasen der Trägheit waren. Schuldenbremse hin oder her, Investitionen gibt es immer dort, wo es Mut zum Risiko und Optimismus für die Zukunft gibt. Der Silicon-Valley-Investor Peter Thiel, dem man durchaus ein krudes Weltbild attestieren kann, hat aber womöglich nicht ganz unrecht, wenn er sagt, dass es neben den derzeitigen Narrativen gesellschaftlicher Dystopie und wirtschaftlicher Stagnation – ob Krieg, Klima oder KI – eines geben müsse, das sich so positiv und zugleich so konkret von der Gegenwart unterscheide, dass Zukunft eine regelrechte Sogwirkung, einen Pull-Effekt auslöse. Thiel hat dies einmal als „from zero to one“ bezeichnet. Was heißen soll: Der größte Fortschritt liegt darin, etwas Unmögliches möglich zu machen. Politik braucht dafür eine neue gesellschaftliche Perspektive, so etwas wie eine „realistische Utopie“, wie John Rawls es nannte und damit eine Gesellschaft meinte, in der die Utopie keine Angelegenheit von Eliten bleibt. Der größte Optimismus und zugleich die größte Solidarität einer Gesellschaft besteht in diesem Sinne darin, allen eine Zukunftsperspektive zu geben. Weder „konservative“ Biederhaftigkeit noch „progressiver“ Verzicht sind motivierende Zukunftsperspektiven. Die gerade in Paris zu Ende gegangenen Olympischen Spiele haben uns doch daran erinnert, wie wichtig eine erhabene Idee von Leistung, Fairness und Respekt ist und dass diese Idee noch immer lebt. Was also, wenn die Zukunft doch viel besser wird? Es wäre gut, bis dahin und dafür den Optimismus nicht zu verlieren.

Quelle: cep

Finanzen