Todesstrafe: Eine Schreckens-Bilanz

Schlinge, Henker, Hängend, Quelle: kalhh, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung, Kein Bildnachweis nötig

Der aktuelle Report von Amnesty International zur weltweiten Anwendung der Todesstrafe der weltweiten Hinrichtungen dokumentiert für 2023 mindestens 1.153 Hinrichtungen. – die höchste Anzahl seit 2015.Von Helmut Ortner.

Erhängen, Enthaupten, Giftinjektion oder Erschießen: mindestens 1153 Menschen in 16 Ländern wurden nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International im Jahr 2023 auf diese Weise hingerichtet. Nur wenige Staaten sind für den extrem hohen Anstieg verantwortlich: Auf Iran entfielen fast drei Viertel (853) aller registrierten Hinrichtungen, auf Saudi-Arabien 15 Prozent (172). Auch Somalia (38) und die USA (24) vollstreckten mehr Todesurteile. Die Zahl der weltweit neu verhängten Todesurteile stieg 2023 gegenüber dem Vorjahr um 20 Prozent (2.428).

Wie in den Jahren zuvor, fehlen in dieser Schreckens-Bilanz die Angaben aus China, Nordkorea und Vietnam, wo vermutliche tausende Todesurteile vollstreckt wurden. Die Regierungen dieser drei Staaten halten Angaben zur Todesstrafe unter Verschluss und behandeln sie als Staatsgeheimnis. Eine unabhängige und genaue Überprüfung ist unmöglich. Doch Amnesty International geht davon aus, dass in China nach wie vor weltweit die meisten Hinrichtungen stattfinden. Menschenrechts-Beobachter gehen von Tausenden aus. Sie weisen darauf hin, dass in China staatlich lancierte Berichte in den staatlichen Medien über Hinrichtungen dazu genutzt werden, die Bevölkerung daran zu erinnern, dass Straftaten wie Drogenhandel und Bestechung mit dem Tode bestraft werden können. Nordkorea führte ein neues Gesetz ein, das die Todesstrafe als mögliche Strafe für diejenigen vorsieht, die nicht Koreanisch verwenden. Myanmar verhängte weiterhin in geheimen und unfairen Verfahren Todesurteile vor Militärgerichten.

Zahlreiche Hinrichtungen im Iran und Saudi-Arabien

In zahlreichen Staaten wird die Todesstrafe als Instrument staatlicher Repression gegen Minderheiten und Demonstrierende eingesetzt wurde, besonders im Iran,. Dort setzten die Behörden die Todesstrafe verstärkt ein, um die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen und ihre Macht zu festigen. Mindestens 853 Menschen wurden hingerichtet, was einem Anstieg von 48 Prozent gegenüber 576 vollstreckten Todesurteilen im Vorjahr entspricht. Amnesty International hatte zum dramatischen Anstieg der Hinrichtungen im Iran bereits im April 2024 einen Sonderbericht veröffentlicht.

In Saudi-Arabien sank die Zahl der vollstreckten Todesurteile leicht um zwölf Prozent auf 172 Hinrichtungen. Darunter waren auch sechs Frauen. Saudi-Arabien ist das einzige Land, das im letzten Jahr die Hinrichtungsmethode der Enthauptung anwendete. Todesurteile wurden dabei nach unfairen Verfahren gefällt und „Geständnisse“ durch Folter erpresst. Auch in Saudi-Arabien wurden Todesurteile für Taten wie Entführungen und Vergewaltigung gefällt, für die nach internationalem Recht nicht die Todesstrafe angewandt werden darf.

Rückschläge in den USA

Aus den USA gibt es bedenkliche Entwicklungen. Die Zahl der Hinrichtungen steig von 18 auf 24 im Vergleich zum Vorjahr. Das Parlament des Bundesstaates Montana prüfte die Ausweitung der Liste der verwendbaren Substanzen für tödliche Injektionen, in Idaho und Tennessee wurden Gesetzentwürfe eingebracht, die Exekutionen durch Erschießungskommandos ermöglichen sollen. Im Januar wurde ein Verurteilter Mörder im Bundesstaat Alabama durch die unerprobte Methode des Erstickens durch Stickstoffgas getötet, 14 Monate nachdem er einen verpfuschten Hinrichtungsversuch überlebt hatte.

Für Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagt: „Immer mehr Länder verabschieden sich von der grausamen Praxis der Todesstrafe. Doch der Einsatz für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ist erst beendet, wenn keine Exekutionen mehr stattfinden.“ Weltweit haben über 144 Staaten die Todesstrafe abgeschafft. Zu hoffen bleibt,  dass weitere Staaten dazu kommen.

Buch-Empfehlung:

Helmut Ortner

OHNE GNADE

Eine Geschichte der Todesstrafe

Nomen Verlag

230 Seiten, 22 Euro

Über Helmut Ortner 98 Artikel
Geboren 1950 in Gendorf/Oberbayern und aufgewachsen in Frankfurt am Main. Schriftsetzerlehre, anschließend Studium an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main, Schwerpunkt Grafik-Design. Es folgt Wehrdienstverweigerung – und Zivildienst. Danach journalistische Lehrjahre: Redakteur, Chefredakteur (u.a. Journal Frankfurt, Prinz). Ab 1998 selbständiger Printmedien-Entwickler mit Büro in Frankfurt. Konzepte und Relaunchs für mehr als 100 nationale und internationale Zeitschriften und Zeitungen, darunter Magazine wie Focus, chrismon, The European und Cicero, sowie Tages- und Wochenzeitungen, u.a. Das Parlament, Jüdische Allgemeine, Frankfurter Rundschau, Allgemeine Zeitung, Wiesbadener Kurier, Darmstädter Echo, De Lloyd Antwerpen, NT Rotterdam sowie Relaunchs in London, Wien, Sofia, Warschau und Dubai. Zahlreiche Auszeichnungen (u.a. European Newspaper Award, Hall of Fame, CP Award Gold). Daneben journalistische Beiträge zu politischen und gesellschaftlichen Themen, veröffentlicht in div. Tageszeitungen und Magazinen. Erste Buchveröffentlichung 1975, seither mehr als vierzig Veröffentlichungen. Übersetzungen in bislang 14 Sprachen (2018). Zahlreiche Preise und Einladungen: Stadtschreiberpreis der Stadt Kelsterbach, Lesereise Goethe-Institut Südamerika, Teilnahme an Buchmessen in Havanna, Istanbul und Buenos Aires sowie Lit.Col. Köln 2017. Zuletzt Lesereisen nach Lissabon, Turin, Tokyo. Helmut Ortner lebt und arbeitet in Frankfurt am Main und in Darmstadt. Er ist passionierter Radrennfahrer, Eintracht Frankfurt-Fan und Pat Metheny-Liebhaber.