108 Jahre nach der Wiener Uraufführung 1916 brachte Kent Nagano Robert Carsens Neuinszenierung von Richard Strauss/Hugo von Hofmannsthals zwischen Kunterbunt und Trauer-Schwarz flirrendem Werk „Ariadne auf Naxos“ auf die Bühne des Münchner Nationaltheaters. Sein neuer Intendant Serge Dorny hatte ein gutes Händchen, die einaktige zweistündige Oper für drei Termine in seinen ersten Spielplan aufzunehmen. Corona-bedingt verzichtete er auf das Ballett. Tage später hätte er das Haus für diese Wiederaufnahme doppelt so stark, nämlich mit 500 statt mit nur 250 Zuschauenden, bestücken können.
Doch ein „Zuckerl“ hatte Dorny für die stark abgespeckte Situation: Udo Wachtveitl. Der als Franz Leitmayr für den Bayern-“Tatort“ langjährig erfolgreich schnüffelnde Hauptkommissar sollte am Nationaltheater sein Bühnendebüt geben, den nur sprechenden Haushofmeister im „Vorspiel“ zur „Oper“. Dass er gut sprechen kann, beweist er in zentralen Partien am BR. Sein erster Musiktheaterbühnen-Auftritt lockte wohl manche Fans in die komplizierte Oper. Die drei Vorstellungen waren jedenfalls ausverkauft.
Wachtveitls Rolle gibt wenig her. Gleich zu Beginn muss er zugeben, dass er „pressiert“ sei und deshalb den Musiklehrer (Markus Eiche) um Kürze seiner Anfrage bitten. So „geschwollen“ daherreden zu müssen, wie es das Libretto vorschreibt, ist nicht Sache des Udo Wachtveitl. Nach kurzen hochnäsigen Anordnungen ist sein Part gottlob abgetan. Der Schauspieler weiß aber, was er seinen Fans schuldig ist: Er erscheint unerwartet zum Schlussapplaus.
Den verdienen sich alle 16 singend Aktiven samt Ulf Schirmer. Er leitete das Bayerische Staatsorchesters mit dem Handwerkszeug eines verlässlichen Kapellmeisters und Strauss-Spezialisten. Von der Premierenbesetzung blieben lediglich der nun als Tanzmeister stark übertreibende Kevin Conners und, gottlob, die in ihrer Paraderolle des der Verzweiflung nahen Komponisten noch ein gutes Stück gewachsene Daniela Sindram übrig. Ihr gebührt eine der drei „Kronen“ des Frauen-potenten Abends. München-Debütant David Butt Philip nahm den Bacchus zu ernst, als dass er ihn statt Libretto-gerecht „ganz jung, zartest im Ton“ angelegt hätte. Die konträren „Primadonnen“ waren, eine jede für sich, die absolute Wonne des Abends, zu dessen Erfolg gewiss die Ensembles der drei „Rheintöchter“ (Emily Pogorelc, Emily Sierra, Jessica Niles) und der vier „Comedians“ (Konstantin Krimmel, Dean Power, Tareq Nazmi, Evan LeRoy Johnson) entschieden beitrugen: die Titelheldin der in ihrer Trauer und Todessehnsucht grandios anrührenden, wie Gold strahlenden, weich tönenden Tamara Wilson und ihre „Gegenspielerin“ Jennifer France als aufgedrehte, wunderbar lockere, kunstvoll alle Höhen Funken sprühend und adrett meisternde Zerbinetta.