Zwei Silberleuchter, die eine Münchner jüdische Mitbürgerin an Hitler verlor – Dank dir schön, Tante Olga!

Olga Maier liebte ihre Verwandten. Auf einem Hochzeitsfoto (1920) einer ihrer Schwestern steht sie rechts hinter dem Bräutigam. Foto: Hans Gärtner

Zwei Silberleuchter, die eine Münchner jüdische Mitbürgerin an Hitler verlor, geben dem Jüdischen Museum Gelegenheit, eine kleine Geschichte dazu zu erzählen.

Sie wollte, wie ihre Verwandten, aus Nazi-Deutschland fliehen. Doch sie schaffte es nicht: die Münchnerin Olga Maier, 1867 geboren, 1942 im KZ Treblinka ermordet. Drei Jahre zuvor musste sie, als jüdisch Verfolgte, ihren Hausrat aus Edelmetall aufgrund einer gesetzlichen Verordnung abgeben. Ein Paar silberne Kerzenleuchter kam so in die Sammlung des Bayerischen Nationalmuseums (BNM). „Dank dir schön, Tante Olga!“, könnte man sagen.  Die Dame, von ihrer großen Verwandtschaft liebevoll Tante Olga gerufen, litt – wie viele Menschen der „Hitler-Zeit“ – unter dem Zwang, wertvolles persönliches Gut schuldlos an ein ungeliebtes Regime zu verlieren.

Vor zwei Jahren wurden Tante Olgas Leuchter durch das BNM an Frau Maiers Erben zurückgegeben. Sie wollten sie aber  nicht für sich behalten, sondern schenkten sie dem Jüdischen Museum am Münchner Jakobsplatz.

Zum Gedenken an Olga Maier brachte die Abteilung „Public History München“ am 11. Januar dieses Jahres, Olga Maiers Geburtsdatum, vor ihrem ehemaligen Haus in der Münchner Maxvorstadt ein Erinnerungszeichen an. Das Jüdische Museum zeigt nun in einer unspektakulären, aber wichtigen Sonderausstellung, kuratiert von Sarah Steinborn und gestaltet von Christoph Sauter, „Tante Olgas Silberleuchter“, wie dann auch die Ausstellung selbst benannt wurde.

Anhand von historischen Fotos und Texten wird hier die Geschichte einer in Bayern, Baden-Württemberg und dem Elsass verstreuten deutsch-jüdischen Familie erzählt. Zugleich wird eine Münchner Familiengeschichte lebendig. Vater Hermann Nussbaum, Tuchkaufmann und Schneidermeister, schickte seine Tochter Olga, die mehrere Geschwister hatte, auf eine höhere Töchter-Schule, das heutige Luisengymnasium. Mit 20 Jahren heiratete Olga den jüdischen Religionslehrer Moses Moritz Maier aus Fischach bei Augsburg. Die Ehe blieb kinderlos. Tante Olga beschenkte gern ihre Nichten und Neffen und hielt enge Kontakte mit ihrer leiblichen Verwandtschaft. Am Schabbat benutzte sie, davon ist auszugehen, gerne die beiden Silberleuchter – bis sie sie auf dem Städtischen Leihamt abliefern musste. Um 1820 wurden sie in der bekannten Werkstatt von Hermann Weissenborn, Breslau, hergestellt.

Im Ausstellungs-Begleitheft wird „in Leichter Sprache“ auf den Themenkreis  „Enteignung aufgrund der Zwangsabgabe-Gesetze von 1938/39“ und der aktuell anstehenden „Restitution“, also der Rückgabe von Kulturgut aus jüdischem Besitz, eingegangen. Für 35 Reichsmark, so ist zu lesen, erstand das BNM Olga Maiers Leuchter-Paar vom Münchner Städtischen Leihamt, zusammen mit 288 Silberobjekten im Wert von etwas mehr als 12 000 Reichsmark. Dr. Matthias Weniger, der Provenienz-Beauftragte des BNM,  fand nach langem Suchen vor zwei Jahren Olga Maiers Nachfahren in Israel, Deutschland und in den USA. Die noch lebenden Verwandten wollten einmütig die Leuchter nicht behalten. Sie sagten vielleicht: „Wie schön, Tante Olga, dass die beiden Leuchter, die zu deinen Wertsachen gehörten, gefunden wurden, aber – Dank dir schön, Tante Olga! – wir schenken sie dem Münchner Jüdischen Museum. Dort können sie ein „leuchtendes Beispiel“ abgeben für die ungerechte Behandlung jüdischer Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus!“ –  „Viele Menschen“, so heißt es in dem Begleitheft, sollen von ihrer Geschichte erfahren. Und von der späten Rückgabe der Kerzenleuchter.“ Dafür ist „Tante Olga“ in der Tat herzlich zu danken.

Dauer: bis 17. März, geöffnet täglich außer Montag von 10 bis 18 Uhr.    

Finanzen

Über Hans Gärtner 502 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.