Wenn Lippen schweigen . . . – Zum 14. Münchener Aids-Konzert

Das MKO bereitet sich schon jetzt auf Beethovens Neunte unter Vladimir Jurowski im November vor. Foto: Hans Gärtner

Beginnen wir doch mal mit dem Ende. „Lippen schweigen, `s flüstern Geigen: Hab mich lieb!“ Mit der „Lustigen Witwe“ knüpfte das bestechende Gesangs-Paar Hanna-Elisabeth Müller und Pavol Breslik beim Münchener Aids-Konzert 2024 im Prinzregententheater an Programm-Punkte an, die mit der Liebe zu tun haben. Das Motto lieferte Benatzkys Duett aus „Casanova“ mit den Leit-Zeilen „Ich steh` zu dir“ – „Ich hab dich lieb“, dazu kam die Schmetter-Arie aus Lehárs „Giuditta“, die sich an alle, Gesunde oder Kranke, im vollbesetzten Saal wandte: „Freunde, das Leben ist lebenswert!“.

Solche Töne braucht`s für ein Benefiz-Konzert gegen Ende der Münchner Opernfestspiele, als Kooperation von Bayerischer Staatsoper und MKO im Rahmen der 25. AIDS-Konferenz. Der Münchner Aids-Hilfe-Verein darf den Erlös einsacken und zögerte nicht, dies durch die eingangs absolvierten Ansprachen von Clemens Baumgärtner, Birgt Poniatowski und Tobias Oliveira Weismantel durchklingen zu lassen. Lippen dürfen nicht schweigen, wenn es um die am HIV-Virus Leidenden geht.

Für das Hör-Erlebnis dieses Aufrufs war das Münchener Kammerorchester gekommen, das sich geschlossen und mit Verve hinter den 40 Jahre bestehenden Münchner Aids-Hilfe-Verein stellte. Am Pult: Ivor Bolton, der Vollblut-Musikus, an diesem Musi-Mix-Abend bestens gelaunt und gewohnt anfeuernd. Erstaunlich auch bei Sachen, die ihm wohl noch nie unter den Taktstock kamen wie Maurice Ravels lebensbejahende Rhapsodie „Tzigane“ und Astor Piazzolas gefühlvoller „Libertango“ – zwei Bravour-Stücke, die durch die unübertreffliche Streich-, Zupf- und Bogenschwing-Kunst der famosen, trefflichen Arabella Steinbacher das Publikum von den Sitzen riss.

Das sowohl für die Zugabe-Schnulze „Lippen schweigen“ für den mitreißenden „Csárdás“ (von ihr) und die erwähnte Schmetter-Arie (von ihm) zuständige Solisten-Duo wurde zu Lieblingen dieses Abends. Die Hanna-Elisabeth Müller zählt inzwischen zu den gefragten Mozart-Interpretinnen und festigte ihren Ruf nicht durch W. A. Mozarts fulminant gestaltete Konzertarie „Ah, lo previdi“. Pavol Breslik tat sich weniger leicht mit Mozart bei seiner allzu angestrengt vorgetragenen Arie „Dalla sua pace“ aus dem „Don Giovanni“. Schade, dass Bolton ihn lautstark orchestral zudeckte.

Dass nicht alle 1000 Konzertbesucher zum Gartensaal-Empfang kamen, ist verständlich: zu eng in Zeiten von Corona-Nachwehen und Hitzegraden, die älteren Besuchern auch noch um 22 Uhr zu schaffen machen

Über Hans Gärtner 502 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.