Premierenfieber am Gärtnerplatz

Schluss-Szene des neuen „Figaro“ am Münchner Gärtnerplatztheater in Johannes Leiackers Bühnenbild, fotografiert von Hans Gärtner

Fraglos eine gute Idee des ehrgeizigen Münchner Gärtnerplatztheaters, die Serie „Premierenfieber“: In einer Frühabend-Stunde Akteure und die sie „Befeuernden“ Einblicke in eine neue Inszenierung zu gewähren. Konkret: in die am 29. Juni anlaufende Mozart-Oper „Figaros Hochzeit“, pardon: „Le nozze di Figaro“; denn es wird italienisch gesungen. Gespannt ist man auf beides: Gesangs-Ensemble und Produktionsteam.

Der Ex-Dramaturg der Wiener Staatsoper Christoph Wagner-Trenkwitz wurde engagiert, um für Spannung zu sorgen. Das gelang dem alten Herrn im Oberlehrer-Outfit nur bedingt. Dass er sich auskennt, dass er weiß, worum es im „Figaro“ geht, dass er tief in die Theatergeschichte hineinleuchten kann – klar. Aber ob das auch rüberkommt, von der Bühne in den schütter besetzten Zuschauerraum? Viel zu viele Jahreszahlen, die man nicht behält, viel zu viele Namen, die man kaum versteht. Ach!

Schon Beaumarchais, nicht erst Lorenzo da Ponte, Mozarts Textlieferant, wollte angeblich schon in seinem „Tollen Tag“ dem Figaro ein Messer in die Hand geben, um den Grafen Almaviva zu erstechen. Aha. Haha. Für den Regie führenden Intendanten Josef E. Köpplinger ist der „Figaro“ die Oper der menschlichen Schwächen. Soso. naja. Dirigent Rubén Dubrovski – oder war es Michael Balke? (der Herr wurde nicht hörbar genug vorgestellt) – erwies sich als schmucker, freundlicher junger Mann mit gewiss großem musikalischen Detailwissen – wenig davon verriet er dem Publikum. Sein Plädoyer fürs Hammerklavier statt des Cembalos: geschenkt!

Na, und das Solisten-Ensemble, das in Johannes Leihackers romantisch zernagtem „Aqua Fresca“-Kulissen-Schloss Sowieso (Name wurde nicht verstanden) Proben seines Könnens abgab? Aufs Ganze gesehen Mittelklasse. Jung. Gutaussehend. Der Cherubino der Österreicherin Anna-Katharina Tonauer hatte einen nichts sagenden tonlosen Mini-Auftritt. Levente Páll, der tüchtige Siebenbürgener, darf endlich als Titelheld glänzen (und wird es wohl auch), und das am Ende sich versöhnende Adels-Paar Graf-Gräfin (Bariton Ludwig Mittelhammer mit Sopran Ana Maria Labin) fand klangvolle Worte liebevollen Verzeihens.

Sechs Vorstellungen dieses hier sporadisch angerissenen neuen Münchner Gärtnerplatz-„Figaro“ gibt es noch in dieser, weitere sechs in der nächsten Spielzeit. Warum man für diese Neuproduktion die Werbe-Devise „Ehe für alle“ erfand, bleibt offen.

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Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.