Münchens Alte Pinakothek zeigt Retrospektive der niederländischen Stilllebenmalerin Rachel Ruysch

Rachel Ruysch, Amsterdam: Blumen-Stillleben in einer Glasvase (Detail), 1710. Foto: Hans Gärtner

Musste es bis zum Jahr ihres 360. Geburtstags dauern, dass man ihr die längst verdiente Ehre einer weltweit ersten Retrospektive ihres Werkes erwies? Allerdings dürfte es nur wenige unter den Kunstliebhabern geben, denen der „Reuß“ ausgesprochene Name geläufig ist: Rachel Ruysch.

War ihr Vater Frederik schon zu seinen Lebzeiten berühmt als Amsterdamer  Professor für Anatomie und Botanik und Direktor des Botanischen Gartens dieser Stadt, so strahlte die Tochter als Malerin ersten Ranges weit über ihr Land hinaus. „Hollands Kunstwunder“ nannte sie ihr Biograf. Und stellte sie als erstes weibliches Mitglied der Künstlerbruderschaft „Pictura“ ihrer Geburtsstadt Den Haag heraus. Ihre vielen Blumen, die sie mit Ölfarben auf die Leinwand brachte, sind nicht ihre einzigen „Geschöpfe“, obgleich sie es sind, die ihren Ruhm in alle Welt trugen: Rachel Ruysch brachte zehn Kinder zur Welt. Und war zudem reich – von Haus aus schon, aber auch durch einen späten Lottogewinn.

Es ist keineswegs so, dass die Dame in deutschen Landen als Künstlerin eine Unbekannte ist, war sie doch Hofmalerin des Düsseldorfer Kurfürsten Johann Wilhelm Joseph Janaz von der Pfalz (1658 – 1716), Wittelsbacher der jüngeren Neuburger Linie. Zu „Jan Wellems“ Reiterstandbild vor dem Rathaus werden noch immer Besucher der NRW-Landeshauptstadt bei gebuchten Besichtigungen geführt. Bei Kunstfreunden genießt das Denkmal schon deshalb hohes Ansehen, weil der Dargestellte die Amsterdamerin Rachel Ruysch an seinen Hof berief. 1664 geboren, war sie sechs Jahre älter als ihr Brötchengeber, den sie, gestorben 1750, um 34 Jahre überlebte.

Münchens Alte Pinakothek darf sich glücklich schätzen, der Austragungs-Ort  der ersten Retrospektive auf das Werk von „Hollands Kunstwunder“ der Barockzeit zu sein. Nachfolge-Stätten der Ausstellung sind das Toledo of Art Museum und das Museum of Fine Arts in Boston – eine Kooperation, die es noch nie gab. 81 Gemälde, 57 davon von Ruysch, 41 Papier-Arbeiten und gut 500 Blumen-Präparate werden geboten.

Gefangen genommen wird man allein von den Blumen-Gemälden der Künstlerin: Stillleben von unsäglicher Farbenpracht. Jedes der naturgetreuen Arrangements ist eine Augen-“Weide“: Blüten, Blüten, Blüten. Ohne jegliche Beigaben. Keine Tische, keine Tapeten, keine Töpfe oder Tiegel, die reine Blüten-Schau. Höchstens mal eine Glasvase. Oder ein Marmorsockel. Der schwarze Hintergrund jedes Blumen-Bildes ist Absicht. Der Blick konzentriert sich so auf die Natur-Wunder. Die Kunst, die Blumen immer wieder neu zu platzieren und zusammenzufügen, sie mit Kleintieren zu beleben, mit Schmetterlingen und Käfern, Schnecken, Insekten und Früchten, gelingt Rachel Ruysch wie keiner anderen Koryphäe der Blumenmalerei, von denen es in ihrem Heimatland einige gab.

Dass zu ihnen auch eine Frau gehört, erstaunt selbst den Kenner. Die Kunstwelt ist um die weibliche Komponente reicher geworden – sie ist hier erstmals Mittelpunkt. Und das mit naturwissenschaftlichem Background. Denn nicht nur die Bilder sind es, die den Besuch dieser Schau lohnen, sondern auch deren „Einordnung“. In der letzten „Sektion“ von insgesamt fünf gibt es einen „Vermittlungsraum“, der eigens für die Münchner Ausstellung eingerichtet wurde.

 

Das Werk der Rachel Ruysch, der bisher eher unbekannten Meisterin der barocken Blumenmalerei, kann bis 16. März in Münchens Alter Pinakothek bestaunt werden, Dienstag und Mittwoch von 10 bis 20, Donnerstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr.

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Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.