Kunst im Kleinen am Münchner Königsplatz

Goldbrosche (19. Jh.) mit dem in Sardonyx geschnittenen Porträt einer Königin, Kamee, 3. / 2. Jh. v. Chr. Foto: Hans Gärtner

Sie sind nicht mehr die Jüngsten. Sie kommen von weit her. Der eine war mal Archivar, der zweite ist Gastronom, der dritte verdiente sein Geld als Schmuckmacher. In den Antikensammlungen am Münchner Königsplatz trafen sich die Leihgeber, um im dunklen Keller ihre Schätze zu präsentieren. Jeder von ihnen hat 60 Stück beigesteuert. Also sind es insgesamt 180.

Bunt und edel ist das seltene Ausstellungsgut. Jedes Stück ein Unikat. Wie die Sammler, so darf man doch sagen: Schmuckmacher Wolfgang Skoluda, Gastronom Kai Scheuermann und Ex-Archivar Dr. Bernhard Fischer. Der Mann versteht sich auf die Herstellung seiner ein halbes Leben lang aus allen Gegenden der Welt zusammengetragenen Zimelien so gut, dass er das dicke Katalog-Buch textete. Es trägt den Titel der Sonderausstellung: „Antike unter der Lupe“. Untertitel: „Meisterwerke der Steinschneidekunst in Privatbesitz“.

Es geht um Gemmen. Um geschnittene Steine. Je nach Machart heißen sie fachgerecht Intaglien oder Kameen. Sie sind aus halbedlem Stein wie Karneol, Sardonyx, Plasma, Amethyst, Chalcedon oder verbrannter Sard. Klitzekleine Bilder sind hineingeritzt, kaum einen Quadratzentimeter groß. Leider sind die Maße nicht angegeben. Die Augen aber schmerzen nicht, um die winzigen Stücke zu sehen. Es gibt gleich am Eingang eine Kiste mit zum Teil beweglichen Lupen. Damit entgeht dem Betrachter nichts. Er muss sich nur die Mühe machen, das Brennglas einzusetzen und Geduld zu haben. Er wird aus dem Staunen nicht herauskommen über so viel Präzision, Vielfalt und Brillanz der fein ziselierten Reliefs.

Als eine der ältesten Künste der Menschheit sieht Museumsdirektor Florian Knauß die seit 8000 Jahren bestehende Steinschneide-Technik. Vom Orient über Ägypten bis Rom stand sie in hohem Ansehen. Man wollte sich mit den Kunstwerken schmücken. Mit ihnen „angeben“, seinen Reichtum zeigen. Einen Hausschatz für die Ewigkeit anlegen. Und, auch wenn man es nicht eingestand, etwas Magisches als Schutz-Amulett sein eigen nennen und so ein Fitzelchen Macht in Händen halten. „Man“ – das waren Herrscher genauso wie Privatleute, die sich so ein teures Stück leisten konnten. Wer eines besaß, zeigte es voller Stolz, eröffnete damit ein Gespräch und trat so in Kontakt mit an Schönheit interessierten Menschen.

In dieser Ausstellung, die den Liebhaber sowohl herausfordert als auch befriedigt, ist die Vielfalt der Antike eingefangen, die unter dem Brennglas zu bestaunen ist. Götter, Heroen, Menschenköpfe,Tiere und Pflanzen und die erstaunlichsten Misch- und Phantasiewesen. Lustige und auch erotische antike Szenen gibt es da. Eine der beglückendsten: „Aphrodite züchtigt Eros“, ein Karneol, für den ein Skarabäoid durchbohrt wurde. Aphrodite versucht, einen kleinen nackten geflügelten Eros festzuhalten. Sie will ihm mit ihrer Sandale in der Hand einen Klaps verpassen. Geschaffen in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts vor Christus. Der heutige Abdruck liegt daneben.

Solche „Geschichten“ sind zu erleben – durch ruhiges Betrachten. Und durch das Lesen der durchweg ausgezeichneten Beschriftungen. Angefasst darf nichts werden, kann auch gar nicht, denn Museums-Mitarbeiter Dr. Jörg Gebauer hat all die Wunderdinge – über jedem der Originale ist ein sie vergrößerndes Foto – in Vitrinen geordnet.

Die Ausstellung „Antike unter der Lupe“ dauert bis 15. Dezember: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17, Donnerstag bis 20 Uhr ist geöffnet.

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Über Hans Gärtner 482 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.