Nicht zu fassen, aber das Kloster Seeon im Chiemgau war im 2. Weltkrieg Lazarett und danach ein Lager für Heimatvertriebene, Flüchtlinge, so genannte „Displaced Persons“, ehemalige KZ-Häftlinge und Staatenlose. 1947 wurde im ehemaligen Benediktussaal eine auch für einheimische Kinder offene Schule eingerichtet. Der aus dem Sudetenland stammende Kunstschaffende Franz Rudolf Wanka gehörte kurzzeitig zu den Bewohnern. „Neben einer Katze, die er aus der Gefangenschaft mitgebracht hatte, zählten zu den Dingen, die ihm das Leben erleichterte, Kochgeschirr, Kanonenofen nebst Kohlensack, eine Pfeife und begrenzt Lebensmittel. Diese Utensilien hielt er in mehreren Stillleben fest. Sie charakterisieren in ihrer erdtonigen Farbigkeit die bedrückende Stimmung der ärmlichen Lagerexistenz.“
Auf einer Schrifttafel stehen diese Sätze im Mesnerhaus von Kloster Seeon, das unter dem Titel „Wandel und Neubeginn“ zu einer Ausstellung über Leben und Wirken Franz Rudolf Wankas (1908 – 1976) einlädt. 35 Werke
sind in feiner, geradezu intimer Caféhaus-Atmosphäre neben dem Klosterladen zu sehen, dazu in Vitrinen originale Fotografien, Dokumente und Schriftstücke. Einem davon ein paar Minuten Lesezeit zu schenken, lohnt sich: der leider weder namentlich gekennzeichnete noch genau datierte Zeitungsartikel „Moderne Kunst in Trostberg“, vermutlich anlässlich der Alten Ausstellung im Alten Rathaussaal Trostberg 1955 veröffentlicht.
Darin wird auf eine Rede Wankas als 2. Vorsitzender der von ihm mitbegründeten Künstkergruppe „roter reiter“ eingegangen, die Wankas Auffassung moderner Malerei wiedergibt. Sie habe eine völlig andere Aufgabe als die Illustration oder Naturschilderung. Sie sei vielmehr „ein Formenspiel und eine Variation mit den Erscheinungen der Natur“. Formen und Farben des Bildes seien „grundsätzlich die eigentlichen Mittel der Darstellung für den Maler“.
Die wenigen Exponate aus dem Bestand der noch vorhandenen Arbeiten des heute so gut wie vergessenen Chiemsee-Malers Wanka bieten – formal und farblich – treffliche Belege für diese Kunst-Auffassung der Klassischen Moderne. Man kann sagen, dass sie kurz Zeit im Flüchtlingslager Seeon, ab den späten 1940er Jahren in der Privatwohnung der Familie Wanka in Obing, im Atelier in Kienberg, eine Zeitlang in München entstanden und ab 1964 wieder im Chiemgau ihre Fortsetzung fanden. Was dieser großartig malende Wanka, der auch Geige studiert hatte, in Böhmen hervorbracht hatte, ging zur Gänze verloren. Was in den zahlreichen Ausstellungen des Künstlers zu Lebzeiten – im südlichen Bayern, aber auch etwa in Konstanz, Aachen, Bad Mergentheim, Prag, Wien und Zürich und danach zu sehen war – davon gibt die Seeoner Schau wohldurchdacht und gut ausgewählt eine Ahnung.
Die charakteristische Schönheit des nördlichen Chiemgaus (heutiger Werbespruch: „Kloster Seeon – Insel der Ruhe und Gelassenheit“) ist in die meist kleinformatigen Landschaften Wankas, die im Seeoner Mesnerhaus aufgehängt sind und zum Verkauf angeboten werden (eine Preisliste des Sohnes Knut Wanka liegt auf) mit großer Ernsthaftigkeit und kräftigem Pinselstrich eingebracht. Nicht nur in das schmale Bild „Schloss Seeon“ von 1945, auch in das breite Ölbild „Seeoner See mit Klosteranlage“ auf Platte von 1959. Die Kargheit der in die Landschaft gesetzten Bauten, Beispiele: „Obinger Bauernhäuser“ (Aquarelle von 1954) und „Seeoner Pfarrhäusl“ (Öl auf Pappe, 1947), sprechen in ihrer Klarheit und Echtheit die Betrachtenden an. Nicht nachvollziehbar ist, dass Sohn Knut Wanka auch das ihm vom Vater gewidmete, 1970 signierte Aquarell von 1946 „Kirche Seeon-Bräuhausen“ veräußern möchte.
Die Ausstellung läuft bis 9. März. Sie ist bei freiem Eintritt täglich außer Dienstag von 10 Uhr bis 12.30 Uhr und von 13.30 Uhr bis 17 Uhr zu besuchen. Betriebsurlaub: 23. Dezember bis 10. Januar.