Kühne Kreationen in der Kunsthalle München

Viktor&Rolf: „Van Gogh Girls“ – Haute Couture Frühling-Sommer 2015, Look 20, Vlisco-Baumwolle, Seide, Stroh, Foto: Hans Gärtner

Ihr erstes Deutschland-Gastspiel gibt das niederländische Modekünstler-Duo Viktor & Rolf in der Kunsthalle München. Ein „Muss“ für alle, die Kunst und Haute Couture als Einheit erleben wollen.    

Wie schrieb Didier Grumbach, Ex-Präsident der „Chambre Syndicale de la Couture Parisienne“ vor 24 Jahren? „Nach Jean Paul Gaultier und Thierry Mugler gehören Viktor Horsting und Rolf Snoeren zu den wenigen Glücklichen, die der Haute Couture den Hauch von Provokation verleihen, die sie …  so berühmt gemacht hat.“ Zu den Glücklichen werden sich in den nächsten Monaten viele Kunst- und Couture-Freunde zählen dürfen, die nach den Kunsthalle-Gastspielen von Gaultier und Mugler nun das ganze Trio der zeitgenössischen europäischen Catwalk-Designer gesehen haben werden. Kunsthalle Direktor Roger Diederen ist überzeugt, dass ihm ein Coup gelang, die beiden Amsterdamer nach Isar-Athen geholt zu haben.

Ihre „Fashion Statements“ von 2019 wiederholen „Viktor&Rolf“ – so ihr pechschwarzes Siegel-Markenzeichen – in der Münchner Theatinerstraße mit einer bunten, vor Fantastik und ungebrochenem Gestaltungs-Willen strotzenden 100-Figuren-Schau, viele echt, weitere auf Fotos, mit Szenen, Skizzen, Porzellanpuppen und einem unbedingt anzusehenden Film über ihre  kühnen Kreationen. Dazu wurden Werke weltbekannter Fotografinnen und Fotografen gestellt – von Andreas Gursky bis Jürgen Teller.

Was aufgrund ihres überbordenden Einfallsreichtums der beiden coolen Mittfünfziger zu „spüren“ ist: Sie machen nicht Halt vor Konventionen. Sie lassen sich mit Humor und einer Portion Mut zum Verkehrten, Ausgefallenen und „Um-die-Ecke-Denken“ nicht vergleichen mit noch so berühmten Mode-Zaren ihrer Generation. Das haben schon Madonna, Lady Gaga, Emma Thompson & Co erkannt – Damen werden von Viktor&Rolf bevorzugt, Herren  bleiben außen vor – und sich von den beiden Unzertrennlichen einkleiden lassen. Für die Ausstellungsbesucher bringen sich die Mode-Designer auch als Parfümiere ins Gedächtnis: an zwei für Damen und Herren getrennten Duft-Stationen heißt es „press & smell“, und wer beim Drücken kein Parfüm in die Nase bekommt, hat halt Pech gehabt.

Entschädigt wird man auf Schritt und Tritt durch das überbordende, von den Kuratoren Thierry-Maxime Loriot und Franziska Stöhr in thematisch getrennten Sälen überschaubar gegliederte Angebot. Der 2019 kreierte Ballraum ist eine einzige Explosion an Tüll. Mit Sprüchen wie „Go to Hell“ wird die Romantik absichtlich ausgebremst. Ein Model trägt ihr Kleid nicht nach unten offen, sondern wirft es sich über den Kopf. In den Abteilungen mit hinreißend gekleideten Porzellankopf-Puppen, erweisen sich Viktor&Rolf als Bewahrer des Ephemeren. Aus ihrem eigenen umfangreichen Archiv holen sie, von den Japanern abgeschaut, alte kostbare Stoffe und Pailletten und verarbeiten sie.

Den Abschluss bildet die Abteilung „Auf der Bühne“. 2009 holte der US-amerikanische Regie-Magier Robert Wilson das Designer-Duo für die Kostüme seiner „Freischütz“-Inszenierung ins Festspielhaus Baden-Baden. Womit wir bei den Begleit-Veranstaltungen dieser einzigartigen Münchner Ausstellung angelangt sind, die bis zum 6. Oktober täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet ist.

Am 7. April gibt es im „Theatiner Filmtheater“ um 17.30 Uhr die Aufzeichnung der Opern-Inszenierung. Um diesen Termin herum gruppieren sich Kuratoren-, Themen- und Doppelführungen, Vorträge, jeden dritten Mittwoch im Monat außer 21. August ab 18.30 Uhr das musikalisch gestaltete „Afterwork“-Programm und am 6. Juni setzen sich sechs Slammer mit Viktor&Rolfs „Fashion Statements“ auseinander. Das war nur ein Ausschnitt aus dem reichhaltigen Begleitprogramm, das auch Angebote für Kinder und Jugendliche umfasst, für die es ein kostenloses Begleitheft zur Ausstellung gibt. Mehr dazu: www.kunsthalle-muc.de.

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Über Hans Gärtner 499 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.