Ist unsere Landwirtschaft ein Idyll? Oder ist sie, als Grundlage unserer Zivilisation, harte Wirklichkeit? Darauf antwortet die Ausstellung des Deutschen Museums „Landwirtschaft und Ernährung“.
Sind Bauersleute Produzenten von ausreichend gesunder Nahrung für die Weltbevölkerung – Brot, Gemüse, Fleisch, Milch und auch Bier – oder ist ein Landwirtschaftsbetrieb als Unternehmen nach wir vor ein Idyll? Es geht heute immer mehr darum, den nüchternen Blick auf die sozialen und ökonomischen Bedingungen der Herstellung landwirtschaftlicher Erzeugnisse frei zu kriegen. Dazu trägt die Ausstellung des Deutschen Museums mit einer Fülle an Anschauungsmaterial und mit einem ausgeklügelten Konzept bei.
Drei „Perspektiven“ werden eröffnet: die der Bauersleute, die der Verbraucher sowie die von Tier und Grund und Boden. Riesige alte, aber auch moderne landwirtschaftliche Maschinen und Fahrzeuge wecken besonders bei jungen Besuchern Interesse. An den Geräten vorbei geht es auf fachwissenschaftlich fundiert gestalteten Bild- und Texttafeln um einzelne wichtige Pflanzenarten, etwa der Öl fördernden Gewächse oder Getreidesorten weltweit. Kaum hat man sich in ein Thema vertieft, zieht es einen in einen weit geöffneten Raum. Man kann sich setzen, um lange zuzusehen, wie die Weizen-Ernte von der Aussaat bis zur Bündelung der Strohballen vonstatten geht.
Treffpunkt für Führungen ist das Lebensmittelregal. An den Lebensmitteln, die eine Person verzehrt, lasse sich vieles über sie ablesen, heißt es in einem Begleittext zum Highlight der Schau: wo sie lebe, ob sie alt sei oder jung, gesund oder krank, ob sie alle Lebensmittel vertrüge, wie sie sich ernähre – vegan oder „normal“. An 45 historischen und heutigen Exponaten im Regal wird gezeigt, wie aussagekräftig die Art unserer Ernährung ist. Da geht es um Grund- und Spezialnahrungsmittel, um deren Geschichte, Zubereitung und Haltbarmachung. An einem digitalen Pult ist zu erfahren, was es mit eckigen Tomaten auf sich hat oder „wie ein Astronautenhelm mit Ernährung zusammenhängt“.
Den Ausstellungsmachern war daran gelegen, die Wahrheit und Wirklichkeit unserer Nahrungslieferanten mit neuesten Daten und Zahlen aufzuzeigen. Und dabei das Bewusstsein auf unsere eigene tägliche Ernährung zu lenken. Das schwer verdauliche rohe Getreide müsse zum Beispiel nach wie vor bekömmlich gemacht werden – durch Kochen, Mahlen, Backen … Immer wieder wird Antwort auf Fragen gegeben, zum Beispiel: Was müssen wir tun, um uns weiterhin gesund und ausreichend zu ernähren? Wenn in rund einem Vierteljahrhundert 9,7 Milliarden Menschen ernährt werden wollen, müsse die Menge der Nahrungsmittel um etwa zwei Drittel gesteigert werden. Schon heute müsse man sich vor Augen halten, dass jeder 9. Mensch nicht genug zu essen und zu trinken hat und dass 820 000 000 Menschen weltweit hungern oder unterernährt sind.
Der Abschied von der Vorstellung, Landwirtschaft, weltweit gesehen, sei ein Idyll, liegt allein schon aus solchen Überlegungen heraus auf der Hand. Wer die Ausstellung betritt, muss mit Absicht an einer knorrigen Almhütte von 1830 vorbei: Symbol für das Idyll Landwirtschaft. Die Hütte wurde von der Schlagalm ins Deutsche Museum verfrachtet und steht für ein längst überkommenes „Bild“ von Landwirtschaft und Nahrungserzeugung.
Die von sieben Stiftungen und zwei bayerischen Staatsministerien – für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und für Umwelt und Verbraucher-Schutz – geförderte Ausstellung ist bis Silvester täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet.