Im Meer der Vergänglichkeit – Die spektakuläre Schau „Flowers forever“ feiert alles, was blüht und duftet

Rebecca Louise Law lässt in ihrer Arbeit „Calyx“ 200 000 Trockenblumen vom Himmel regnen – Höhepunkt der Ausstellung „Flowers forever“. Foto: Hans Gärtner

„Selbstverständlich können Sie hier Fotos machen“, sagt die Künstlerin Rebecca Louise Law. Sie empfiehlt auch, das Smartphone einmal wegzustecken. Warum? Um ihre außergewöhnliche, auf Anhieb gefangen nehmende Installation „Calyx“ mit allen Sinnen wahrzunehmen. Wirklich mit allen Sinnen? Sehen? Tasten? Riechen? Hören? In gewisser Weise sogar Schmecken. Fast alles ist möglich im letzten großen Raum der neuen spektakulären Ausstellung „Flowers forever. Blumen in Kunst und Kultur“ der Münchner Hypo-Kunsthalle. Da baumeln, an Drähte geknüpft, die unterschiedlichsten Trockenblumen von der Decke bis zum Boden. 200 000 sollen es sein. Blumensammlerinnen folgten einem Aufruf von Frau Law, trockneten für sie fleißig Blüten aller Farben und Formen, um ihr für ihre Installation zur Verfügung zu stellen. Für ein Kunstwerk der speziellen Art, in dem sich, aufrecht oder geduckt,  spazieren gehen lässt – ob mit und ohne Lust am Fotografieren, auf jeden Fall zum Sich-verlieren in einem Blüten-Vorhang aus purer Schönheit, die die Natur schenkt.

Bei Rebecca Louise Laws Großtat hat man bereits den Höhepunkt des Ausstellungsbesuches erreicht. Man hat 170 Kunstwerke aus internationalen Sammlungen und Museen wahrnehmen können. Ob man jedem die ihm gebührende Aufmerksamkeit geschenkt hat? Ob man nicht von dem einen Gemälde, von der einen Skulptur so hingerissen war, dass man den Nachbarn links liegen ließ? Das konnte passieren. Man befand sich ständig im Rausch. Tauchte ab in ein Meer der Vergänglichkeit. Denn klar ist: Was heute blüht, ist morgen vergangen. Das ist die Sprache der Blumen, mit der sie sich an den Menschen wenden, der ihre Schönheit bewundert, der aber auch ihr Welken ertragen muss, ihren Tod.

Dazu sind Kunstwerke der seltensten Genres zusammengetragen – nicht etwa chronologisch, sondern nach überschaubaren Themen gegliedert. Von den lehrreichen Blumen-Modellen Robert und Reinhold Brendels über ein blumengeschmücktes spätbarockes Jesuskind im Paradiesgarten bis hin zur gewagten digitalen Erfindung von sich imaginär im Föhnwind wiegenden Stengel und Gräser, die dem franco-mexikanischen Wegbereiter virtueller Kunst, Miguel Chevalier, auf einer riesigen bunten Wand zu danken sind. Exotische, nie zuvor gesehene und nirgendwo „in echt“ vorhandene Blüten entstanden hier in einem digitalen Prozess. Natur und Künstlichkeit treffen sich – und man muss Glück haben, einen Sitzplatz zu ergattern, um ein wenig länger als gewöhnlich zu verweilen und sich aus der magischen Anziehungskraft dieses raumfüllenden Seh-Erlebnisses zu befreien.

Vielfalt und Pracht der Blumen. Die Blume als Kraftquelle. „Blumen – ohne sie sind wir nichts“, behauptet der Kunsthallendirektor. Und macht da und dort aufmerksam auf die diversifizierende Aussage jeder Blume als Zeichen von Leben, Tod und Hoffnung. Das trifft auf den Brautkranz nicht weniger zu als  auf das Sargbukett. Nicht umsonst wird mehrmals das Thema Vanitas, Vergänglichkeit, angeschlagen. Auch für Protest, auch für Manie steht die Blume – etwa mit der Satire auf die Tulpenmanie, die Jan Brueghel d. J. auf seinem Gemälde „Affen im Kaufrausch“ festhielt. Auch für Wollust und Begierde steht die Blume – kaum jemand wird an dem grandiosen Gemälde des Lawrence Alma-Tadema (1888) im Goldrahmen achtlos vorbeigehen, ja  vielleicht sogar kurz die Luft anhalten: Ein morbides Gelage wird da im Rosenbett abgehalten, aus dem die augenzwinkernde Lüsternheit und Unbefangenheit der im Blumenmeer badenden Jugend blickt. (Bis 27. August täglich von 10 bis 20 Uhr).

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Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.