Ziemlich deutlich sagt es Linus Klumpner, der Direktor der Mozart-Museen in Salzburg: Das Salzkammergut kann sich kaum wehren gegen Klischees und Kitsch, wovon Tourismus- wie auch Freizeitindustrie heute geprägt seien. Der Mythos Mozart und seine Vermarktung ziehe in ähnlicher Weise magnetisch Hunderttausende nach Salzburg, wohl wissend, dass der „Kult um Wolfgang Amadé Mozart“ wie auch die Salzburger Festspiele zu einem „beispiellosen Aufstieg der Stadt zum Tourismuszentrum“ beitrugen. So die Wiener Fotokünstlerin Yvonne Oswald. Sie ist es, die das Projekt „Zeitreise“ auf die Beine stellte, das das Mozart-Wohnhaus auf dem Salzburger Makartplatz nun – durchaus mit Blick auf und in Kooperation mit Bad Ischl, der diesjährigen Kulturhauptstadt – in einer beachtenswerten Sonderausstellung präsentiert.
Auf eher unscheinbare, grau und bräunlich gehaltene historische Fotos, die aus privaten und öffentlichen Archiven stammen, antworten wesentlich größere, ins Auge fallende,, farbig leuchtende Photographien, also von Künstlerhand geschaffene Bilder. Linus Klumpner verwirklichte damit erstmals sein Vorhaben, das Mozart-Wohnhaus als einen „Ort des Diskurses“ zum Einsatz zu bringen. „Mozart“, sagt er, „das sind nicht nur die Memorabilien, die Schätze, die wir hüten, sondern ein ganzer Kosmos an Themen“. Das Zeitgenössische darf hier Einzug halten. „Eine einzigartige Chance, neues Publikum auf die Mozart-Häuser aufmerksam zu machen.“
Linus Klumpners Aufruf, die „Zukunft der Museen stets neu zu denken“, unterschreibt seine Kuratorin mit einer großartigen Komposition, verteilt auf alle Räumlichkeiten des ehemaligen Mozart-Wohnhauses. Mittendrin ihre eigene Arbeit. Diese beschreibt sie in dem von ihr herausgegebenen, famos gestalteten und vorbildlich zweisprachig getexteten Katalog-Buch des Pustet-Verlags. Nicht nur einmal auf den Spuren Friedrich Simony über den Dachsteingletscher wandernd, suchte und fand sie dessen Verwerfungen, die sie „Dislocationen“ nennt. Den frühen Fotografen und Forscher Friedrich Simony schätzt sie seither ungemein.
Nicht anders dürfte es den weiteren zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern ergangen sein. Das Alte, Historische erhält durch ihre Interpretation eine unerwartet hohe Wertschätzung. Das Gegenständliche der alten Fotos wird ins Heute des Abstrahierten geholt. Die Gegensätze des Damals zum Jetzt sind nur scheinbar. Zwischen historischer Fotografie und heutiger Photo-Kunst bestehen eine respektvoll erachtete Beziehung. Erst im Heute, so Yvonne Oswald, gäbe es die verdiente Anerkennung des Vergangenen.
Patrick Lambertz aus der Schweiz hat sich von einer 1891 zur 100-Jahrfeier von Mozarts Geburtshaus entstandenen Fotografie des gebürtigen Halleiners Carl Hintner zu einer von ihm selbst als bühnenhaft angesehen Neu-Sicht anregen lassen. Seine Interpretation gehe, wie er sagt, „schon fast in ein Rembrandt`sches Gemälde, ein Tableau“. Er zeigt, wie die Touristengruppen das „Mozarthaus“ belagern und zu einer theatralischen, in Nebel gehüllten Inszenierung werden lassen. Die junge ehemalige Malerin Zuzana Pustaiová studierte Fotografie in Bratislava und Bielefeld mit Promotions-Abschluss. Sie wurde von Heinrich Schumanns 80. Geburtstags-Foto Kaiser Franz Josephs I. Vor der Kirche von Bad Ischl und einem Foto Viktor Angerers, das den Kaiser mit dem Kronprinzen Rudolph in Jagdkleidung von 1865 zu einem Triptychon der Lebenslust und Daseinsfreude heutiger mit Smartphones fotografierender Fanatiker angeregt.
Die internationale Riege der zeitgenössischen Kreativen kommt aus Japan, den Niederlanden, Ungarn, Polen, China, der Schweiz, Italien und der Slowkei. Sie werden von drei österreichischen Beteiligungen ergänzt. Der Katalog bringt nicht nur die heutigen Fotos und deren „Vorbilder“, sondern auch die Biografien der historischen und gegenwärtigen Fotografen. Ja, es ist – von Viktor Angerer bis Karl Friedrich Würthle – eine „Männergesellschaft“.