Geschichtsbücher aus Metall

„Revolution auf Münzen und Medaillen“ – die Staatliche Münzsammlung erinnert an die Zeit, „als Deutschland Demokratie träumte“

Exponat 84 (von insgesamt 219): Vor dem Frankfurter Paulskirche-Modell die in Augsburg gegossene Medaille 1848 auf die Wahl von Erzherzog Johann zum Reichsverweser. Foto: Hans Gärtner

Auf ein schneeweißes Modell des „Symbols der deutschen Demokratie“ stößt unweigerlich, wer die neue Ausstellung der Staatlichen Münzsammlung in der Münchner Residenz mit dem geradezu romantisch anmutenden Titel „Als Deutschland Demokratie träumte“ besucht. 1833 als lutherische Stadtkirche  eingeweiht, tagte in der Paulskirche anderthalb Jahrzehnte später das deutsche Parlament, da der Platz im Rathaus die vielen Beteiligten nicht fasste.

Vor das possierliche Paulskirche-Modell im Glaskasten wurde eine Medaille des Jahres 1848 auf die Wahl von Erzherzog Johann (1782 bis 1859) zum Reichsverweser platziert. Sein Brustbild in Generalsuniform mit Ordensband und zwei Ordenssternen, dazu die Insignien des Ordens vom Goldenen Vlies, ziert die Schauseite. Zu sehen ist aber die Rückseite des kreisrunden Zinngusses mit in zwei Bögen gesetzter Umschrift „Sitzungsgebäude – der Deutschen / National-Versammlung“, hergestellt wurde bei A. Neuss in Augsburg.

Dass das Feld der geprägten Gedenk-Münzen und -Medaillen weit über das Jahr 1848 und die Frankfurter Paulskirche hinausreicht, lässt sich denken. Ein einzigartiges deutsches Geschichts-Buch tut sich dem Besucher auf, nicht auf Papier gedruckt, sondern aus Metall gegossen. Gelernt wird aus zeitnah entstandenen künstlerisch gestalteten Gegenständen. „Es ist das erste Mal, dass in Deutschland ein Kabinett Münzen und Medaillen zum Thema 1848er-Revolution zeigt“, sagt der Leihgeber Rainer Albert. In Speyer unterrichtete er Deutsch und Geschichte am Gymnasium. Der Enkel wegen zog er als Pensionist nach München. Sein Sammeleifer brachte es zu erstaunlicher Fülle. Zusammen mit dem Kommissarischen Sammlungsleiter der Staatlichen Münze Martin Hirsch baute Albert die Ausstellung auf und gab bei Battenberg, Regenstauf das Begleitbuch „Aufbruch zur Demokratie“ heraus (288 Seiten, durchgehend illustriert, 29,90 Euro).

Beide Münz-Experten nahmen den 175. Jahrestag der „Märzrevolution“ und der Eröffnung der deutschen Nationalversammlung zum Anlass für das Buch (mit Essays von Fachleuten sowie Katalog) und die Ausstellung. Es galt, mit „wichtigen Zeugnissen zum Verständnis unseres Weges zur Demokratie“ einen anschaulichen Beitrag in doppelter Form zu leisten. Rainer Alberts umfangreiche Privat-Kollektion wird von Stücken aus eigenen Beständen ergänzt. Thematisch reichen sie von „Restauration und Vormärz“ bis zu „Nachwirkung und Rezeption der Revolution“. Ihre Auftritte erhalten sowohl Revolutionäre mit herausragenden Figuren aus Politik, Literatur und Kunst als auch deren unglückliche Verhinderer. „Die gesamte Bevölkerung schien auf den Beinen zu sein, bildete große Versammlungen und Demonstrationen, baute Barrikaden, kämpfte gar gegen das Militär. Es gab Tote. Und warum das alles? Weil weit weg in Paris ein paar Tage zuvor die dortige Bevölkerung ihren König vom Thron gestoßen hatte? Ja, auch.“ So der O-Ton im Buch des unterhaltsamen Historikers Rainer Albert.

Er verrät, welches denn von seinen hier ausgebreiteten, schier unbegreiflich vielen gesammelten und von historischem Bildmaterial ergänzten Schätzen sein Lieblingsstück ist. „Gehen sie zu Nr. 160“, weist er an. Und man sieht eine gegossene Bleimedaille auf den badisch-pfälzischen Aufstand mit der Jahreszahl 1849. Über einem mit einer phrygischen Mütze bekrönten Liktorenbündel, dahinter eine Fahne mit einem Totenkopf und eine Trikolore liest man die drei Wörter „Sieg oder Todt“. Passt wie angegossen auf die gescheiterte Märzrevolution. Albert hat hierfür den Begriff „Wendezeit“ parat. Bis es zur „Zeitenwende“ kam, sind 175 Jahre vergangen.

Über Ausstellungs-Dauer und Öffnungszeiten erhält man telefonische (089 / 227 221) und/oder digitale Auskunft: info@staatliche-muenzsammlung.de 

Über Hans Gärtner 499 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.