„Bist du denn nicht Christus, der versprochene Retter? Dann hilf dir selbst und uns!“ So spottete, wie der Evangelist Lukas überliefert, einer der mit Jesus auf Golgatha gekreuzigten Verbrecher. Der andere wies diesen zurecht und sah ein, für seine Untat mit dem Tod am Kreuz bestraft zu werden. „Der da“, sagte er, auf Christus weisend, „ist unschuldig“. Er bat den Herrn, an ihn zu denken, wenn er seine Herrschaft antritt. Darauf Christus: „Ich versichere dich: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein!“
Der am Kreuz sein Leben aushauchende Gottessohn und die ihn flankierenden Mitverurteilten – diese Szene kennt man: zur Linken der Christus zugeneigte, bußfertige, zur Rechten der sich von Christus abwendende unbußfertige Schächer. Vielfach haben bildende Künstler den „Kalvarienberg“ gestaltet. Zu ihnen zählt, an allererster Stelle, ein oberbayerischer Bildhauer, in Weilheim 1601 oder 1602 geboren, nach nur 33 Lebensjahren, Christus ähnlich, in Augsburg gestorbene Georg Petel. Kaum einer seiner Zeitgenossen verstand sich auf die Elfenbeinschnitzerei so gut wie er. Nicht umsonst galt er als der deutsche Michelangelo. Noch keine 22, schuf er einen am Kreuz sterbenden Christus aus Elfenbein, der ihn bereits damals schon weltberühmt machte.
Aber nicht um diese Figur, sondern um die Vorgaben für eine dreiteilige Kreuzigungsgruppe aus vergoldeter Bronze geht es in der neuesten Studienausstellung des Bayerischen Nationalmuseums „Goldene Passion“, entstanden 1625/26 in Augsburg, wo sich Petel, nach Wanderjahren in die Niederlande zu Peter Paul Rubens, nach Paris und Rom niedergelassen und verheiratet hatte. Diese Kreuzigungsgruppe ist nun erstmals, nachdem sie jahrzehntelang getrennt war, in München vereint. Hier lag der Kruzifixus im Depot, die beiden Schächer aber befanden sich im Berliner Bode-Museum. „Aufgrund ihrer dynamischen Konzeption und der meisterhaften Wiedergabe ihrer Anatomie“ zählte man sie schon immer zu Petels „vorbildhaften Werken“. Beweise hierfür lieferten „nicht zuletzt die vielen Kopien, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts entstanden. Mit den Schächern“, so der Petel-Forscher Jens Ludwig Burk, habe sich „bis heute das Rätsel der verlorengeglaubten Christusfigur“ verbunden.
Antikes Pathos, die Intensität eines Peter Paul Rubens und der Genius des großen Michelangelo vereinen sich nach Burks Ansicht in dem nun erstmals zusammengeführten Meister-Trio. Um es herum gruppierte man ähnliche Karfreitags-“Ikonen“, Leihgaben aus Münchens Alter Pinakothek und Staatlicher Graphischer Sammlung, aus Brüssel und aus Weilheims Stadtmuseum. Computertomografische Aufnahmen geben Interessierten in einem abgetrennten Nebenraum Einblick in die Herstellungstechnik der Bronzen Meister Petels.
Ohne die Unterstützung der Ernst von Siemens-Kunststiftung und der Reiner Winkler Stiftung und die enge Zusammenarbeit mit der Skulpturensammlung und dem Museum für Byzantinische Kunst, Staatliche Museen Berlin wäre diese spezielle Studien-Schau nicht möglich gewesen. Sie zieht nach ihrer Münchner „Premiere“ bis 30. Juni (täglich außer Montag von 10 bis 17, donnerstags bis 20 Uhr) selbstverständlich noch in die bisherige „Heimat“ der beiden Schächer, das Berliner Bode-Museum (12. Juli bis 13. Oktober).