Sammler war er und Mäzen. Sammler ist er noch immer und auch Mäzen: der am 14. Juli 90 Jahre alt gewordene, trotz Gehstock noch immer frische, immer feine und bescheidene Hausherr von Schloss Nymphenburg. Wie viel Kunst er hier aufgestellt und aufgehängt hat? Ob einen Jörg Immendorff? Einen Blinky Palermo? Einen Alfred Kubin? Wer weiß. Zu wetten getraut man sich, dass ein Georg Baselitz anzutreffen ist in einem der weitläufigen Trakte. Das erste „Kopfüber“-Bild des Wahlbayern, dem Herzog Franz von Bayern schon vor vielen Jahren verfallen war und mit dem er noch dick befreundet ist, der „Mann am Baum“, hängt einem ebenso weltweit gefragten unter den deutschen zeitgenössischen Künstlern, Gerhard Richter, gegenüber.
Doch wer nur an Männer denkt, die der Herzog attraktiv fand – als Maler, als Bildhauer, versteht sich – der täuscht sich. In der großen wilden Geburtstags-Schau fanden durchaus auch Frauen Platz: Maria Lassnig, Christa Dichgans, Maria Zerres und – wer kennt sie? – Katharina von Werz mit ihrem wuchernd verstörenden, ein wenig „deppert“ grinsenden „Clown, mit Acryl auf Hartfaserplatte im wilden Jahr 1968 gepinselt. Da ist Musik drin. Und Humor. Und Witz. Und Verdrehtheit.
Grad dieses „ungekämmte“ Bild ist es, dass dem, wie er sich selbst in seiner diktierten Autobiografie nennt, „Schlampigen“ unter den alten Kunstsammlern am besten ausweist. Er gab als junger Mann seine Briefmarkensammlung in den Handel, um den Flug nach New York zu berappen – und dort, und das ist hier nur eins von vielen denkbaren Beispielen aus den Sechzigerjahren – einem Mark Rothko zu begegnen, der nur 67 Jahre alt wurde. In des Herzogs „Erinnerungen“ ist die Geschichte nachzulesen: „Ich komm aus Deutschland“, rief er aufs Geratewohl ins Telefon, „kann ich Sie besuchen?“ Rothko: „Ja, kommen Sie heute Nachmittag vorbei!“ 40 Gemälde schauten sie gemeinsam an und speisten dann bei einer Freundin zu Abend. Der endete in einer Bar um drei in der Früh. Dass Franz von Bayern mit zwei weiteren in den USA hochberühmt gewordenen Malern die halbe Nacht verbrachte, war ihm erst später klar: dem noch lebenden Jasper Johns und dem 2008 verstorbenen Robert Rauschenberg.
SKH Herzog Franz ist keiner, der das Kostbare für sich behält. Er schenkte das meiste her. Er ist mit „schuldig“ an Münchens Pinakothek der Moderne, ohne dessen Dedikationen diese nicht Welt-Ansehen erlangt hätte. Kein Wunder, dass die Schau überladen geriet. Einiges ist gekonnt ausgetüftelt, was Einordnung und Aufhängung betrifft. Das „Ungekämmte“ braucht den hierfür aufgeschlossenen Betrachter. Der kriegt einen ungetrübten Einblick in das Rauschhafte, das den zartfühlenden Bayernherzog mit der unsichtbaren Königskrone unzweifelhaft, jedenfalls in Sachen Kunst, ebenso charakterisiert wie das Ewig-Neugierige, ohne dass der, der das Glück hat, SKH persönlich zu begegnen, es auf Anhieb merken dürfte. Ein Grund mehr, sich in die Welt des „Ungekämmten“ ohne Vorbehalte hineinzubegeben.
„Ungekämmte Bilder“ zeigt die Münchner Pinakothek der Moderne noch bis 3. Oktober. Gleichzeit ist, bis 8. Oktober, unter dem vielsagenden Titel „Neun Jahrzehnte, neun Objekte“ der Jugendstil-Sammler Franz Herzog von Bayern im Bayerischen Nationalmuseum kennenzulernen.