Ein Buch für propagandatriefende Haltungs-Zeiten – „Stasi Knast“

Dietrich Kessler: Stasi-Knast, Engelsdorfer Verlag Leipzig 2024

Die DDR ist nicht untergegangen. Sie lebt in den Köpfen vieler Menschen weiter, denn die Folgen einer Diktatur sind unauslöschbar. Eine Veränderung kann ich heute bei mir feststellen: Mein Interesse, andere Menschen kennenzulernen, hält sich in Grenzen. Der Schauspieler Michael Degen beantwortete in einer Talkshow die Frage, ob er sich nach dem Schreiben seines Buches „Nicht alle waren Mörder“ besser fühle, mit nein. Ich habe für mich die gleiche Erfahrung gemacht.“ (Dietrich Kessler S.282).

Hartmut Rüffert (siehe „Aufrecht, wie es Menschen Art ist – Die Bürgerbewegung Neues Forum in Borna“), ein taffer Kämpe gegen die kommunistischen Umtriebe im Leipzig-Bornaer Land der 80er Jahre und bis heute in mehreren Aufarbeitungsinitiativen engagiert, besuchte mich unlängst und drückte mir „Stasi-Knast“ von Dietrich Kessler in die Hand. Ein starkes Buch. Wer das Buch aufschlägt und die ersten Zeilen liest, weiß sofort in allen Einzelheiten wieder, was ihn bis 1989 grenzenlos anwiderte und schier lebenslänglich begleitet. Auch, was viele Ostdeutsche nie wieder erleben wollen, taucht beim Lesen sofort wieder wie ein drohender Albtraum auf.

Ich empfehle den „Stasi-Knast“ Kesslers dringend der Lektüre. Gerade in heutigen propagandatriefenden Haltungs-Zeiten vermag das Buch zu helfen, die eigenen Augen wach zu halten.

Aufgewachsen im Zonengrenzgebiet zu Schleswig-Holstein, kannte Dietrich Kessler die Angst der Erwachsenen vor den russischen Besatzern und ihren ostdeutschen kommunistischen Lakaien von Kindesbeinen an. Ein Gefühl, welches als Dauerdruck sein ganzes DDR-Leben begleitete.

Sicher durch das DDR-Leben kommen, hieß instinktiv immer sehr vorsichtig sein zu müssen. Die Erwachsenen „hatten die Nazizeit überstanden und mußten sich“ nach 1945 „in einer neuen Diktatur zurechtfinden“ (S.15). Heranwachsende prägte das.

Allerdings, ausschließlich vorsichtig verhielt sich der Klosterbruder in spe im atheistischen Bekenntnisstaat mitnichten. Kessler stieß 1970 zu den „Klosterbrüdern“. Eine Rockband, die die Chuzpe besaß, sich kurz vor Ulbrichts „Bitterfelder Weg“ mit dem Ziel der Schaffung einer neuen, sozialistischen Nationalkultur ausgerechnet einen Namen zu geben, der nach christlichen Wurzeln schmeckte und mitnichten zu Marxismus-Leninismus als einzig richtiger, weil einzig wahrer Heilsbotschaft passte. Ob Klosterbrüder als Name für eine Beatband, so hießen die Gruppen damals, zum Bitterfelder Weg führte? Wer weiß? SED und MfS wollten alles im eigenen Kurs halten.

Widerstand war der studentische Übermut mit der nichtatheistischen Namensgebung wohl noch nicht, Anpassung war es definitiv ebenso wenig. Immerhin durchbrachen die jungen Musiker die scheinbar sozialistisch-homogene DDR-Atmosphäre. „Kloster“ und „Brüder“ waren keine Anpassungen an den Kommunistensprech von „Zirkel schreibender Arbeiter“ und „Genosse“.

Wer sich im öffentlichen Raum so nannte und zu aller Frechheit ob der hervorragenden Rockmusik zum Ärger der wachsamen SED-Augen starken Zulauf in der Jugend verbuchen konnte, der würde zwangsläufig immer stärker vom atheistischen Haltungsstaat unter Druck gesetzt werden. So kam es dann ja auch, bis in den Stasi-Knast hinein. Nach dem glücklicherweise die Freiheit kam. Doch das war ein langer, zermürbender Weg. Hut ab!

Der kommunistische Staat schuf sich seine Gegner überwiegend selbst. Aus Kleinigkeiten, aus Spaß, aus Blödheit pumpten Mielkes Jünger scheinbare Staatsfeinde auf, die dann durch die entsprechende Behandlung tatsächlich zu Gegnern wurden.

Als Dietrich Kessler 1970 zu den „Klosterbrüdern“ stieß, waren die schon seit längerem ein „Geheimtip“ in der Rockszene der DDR. Im „Rocklexikon DDR“ schrieb der Autor Götz Hintze von einer „der interessantesten, härtesten Rockbands“ (S.57). Für Kessler war es sicher eine Riesenchance, in so eine Band einsteigen zu können. Und Klosterbruder war er intuitiv sicher lieber als FDJ-Freund. Es wuchs zusammen, was zusammengehörte…

Zum Repertoire der Klosterbrüder vor Dietrich Kessler gehörten Cream, Jimi Hendrix, Beach Boys, Wilson Pickett, Otis Redding, Deep Purple, Jethro Tull und Santana. Begnadeter Sänger war Achim Kneis, Kesslers späterer Freund und Mithäftling in Cottbus. Kneis sang durch drei Oktaven. „Polle“ war ein virtuoser Gitarrist. Die Amateurband besaß internationales Format.

1972 wurde Dietrich Kessler der Chef der Klosterbrüder mit dem Ziel, eine Profiband zu werden. Eigene Titel sollten auch produziert werden.

Zur Band gehörten jetzt Kesslers jüngster Bruder Detlef, Achim Kneis sang, Jörg „Matze“ Blankenburg war Gitarrist, Lothar „Paul“ Kramer war Keyboarder, Klaus „Stone“ Weigert spielte Bass, Dietrich Kessler war das Saxophon und die Querflöte. Techniker war Manfred „Herpie“ Baake. Das Repertoire umfasste vor allem Colosseum, Jethro Tull und King Crimson.

Das Gerücht, die Klosterbrüder träten angeblich mit Särgen und Mönchskutten auf, verstärkte das Image der Band. Der Geheimtip war längst keiner mehr. Der Staat begann sich nun verstärkt auf den (neudeutsch) haltungskritischen Bandnamen mit emotionalem Bezug zu Kloster, Klerus, Christentum zu fokussieren. Dieser Name, der bei der Zulassung als Profiband noch von der Zensur durchgelassen wurde, entwickelte sich zum staatlichen Ärgernis. Was sollte aus einer Jugend werden, die auf Klosterbrüder abfährt? Die leuchtende Zukunft konnte doch nicht in der bürgerlich-christlichen Welt gefunden werden!

Die Hochburgen für DDR-Rockbands waren vor allem Mülsen St. Nicklas, Gaschwitz (die „CH“/Central Halle), Görlitz, Zwickau, Glauchau, Plauen, Crimmitschau, Bischofswerda (S.58). Diese Aufzählung Kesslers ist dahingehend überaus interessant, weil es sich ausnahmslos um sächsische Säle handelte. In Sachsen ging 1989 die Friedliche Revolution los. So gesehen wussten Mielkes treusorgende Zensoren schon, was ihnen mit Rockmusik und sei es der in Mönchskutten für die Zukunft drohte. Siehe auch „Wie der Rock den eisernen Vorhang wackeln ließ“. Die Klosterbrüder bespielten über Sachsen hinaus selbstverständlich alle Säle in der DDR. Doch die Säle Sachsens und deren Publikum blieben Orte von Klosterbrüderhöhepunkten.

Mit den Fans kamen aber auch Probleme mit den staatlichen Organen auf uns zu. … Als bei einem Klosterbrüder-Konzert in Tangerhütte zu viele Fans anwesend waren, wurde ich … zwei drei Tage später zum damaligen Direktor der Konzert- und Gastspieldirektion Magdeburg bestellt. … ‚Wenn so etwas noch einmal passiert, hat es die Klosterbrüder mal gegeben.‘“ (S.59).
Das war absolut ernst zu nehmen. Die Bürkholz-Formation und Renft wurden zu der Zeit verboten.

Wir spielten damals fast rund um die Uhr. … Aber der Tag, an dem ich die DDR verlassen wollte, war vorprogrammiert.“ (S.60).

Kessler schildert nicht nur die politischen Probleme der Band, auch die heute banal wirkenden technischen Unzulänglichkeiten. Der Wunsch, erstklassige Musik mit erstklassigen Instrumenten und erstklassiger Technik zu spielen war nur sehr schwierig erfüllbar. Im Osten gab es diese Voraussetzungen nicht. Selbst das Drucken von Plakaten war nicht planbar. Alles war vom Willen der Mächtigen abhängig.

1978 gelang Dietrich Kesslers Bruder Detlef mittels eines gefälschten Passes die Flucht von Budapest nach Wien. Das MfS-Fadenkreuz rückte damit Dietrich Kessler damit näher. Er ließ sich nicht verbiegen. 1995 las er in seiner Stasiakte „Kessler lehnt konsequent und nachdrücklich jede Verbindung mit dem MfS ab.

Von nun an ging es nur noch ambivalent zu. Ein Stück aus dem Irrenhaus. Hier die kreative Profiband mit inzwischen auch eigenen Titeln, da ständige Kontrolle und „Betreuung“ durch den Stasistaat. Welcher wohl noch zwischen Druck und Verbieten schwankte. Erfolgreiche Rockbands verbieten kann nach hinten losgehen. „Zuckerbrot und Peitsche“ lautet ein passendes Sprichwort. Noch ließen die Genossen die Klosterbrüder gewähren und die ersten eigenen Titel produzieren. „Fieber“ und „Lied einer alten Stadt“ wurden im Rundfunk der DDR im Frühjahr 1975 aufgenommen. Das Zuckerbrot war die Aufnahme der beiden Songs, der Wink mit der Peitsche war die Veröffentlichung des „Lied(es) einer alten Stadt“ auf einer Amiga-Polit-Single. Was einem Rufmord gleichkam und den Musikern zeigte, wer über ihr Schicksal bis ins Detail bestimmte.

Die Klosterbrüder waren not amused. Als Bänkelsänger auf sozialistischer Propaganda wollten sie nicht enden. Was würden die Fans von der Schmiere halten? Nur hartgesottene Fans kämen hier wahrscheinlich nicht ins Straucheln.

Die dritte Single „Kalt und heiß“ wurde wiederum ein Erfolg. Die Präsenz der Band in Funk, Fernsehen und live nahm weiter zu. Gleichzeitig steigerten die staatlichen Organe den Stress mit der Gruppe. In einem sozialistischen Land sei der Name Kosterbrüder nicht tragbar! (S.67).

Aus dem Wink mit der Peitsche, dem Veröffentlichen auf Propagandaschrott, wurde ein Peitschenschlag. Die Fachleute für Verunglimpfung, Zersetzung, Spezialbehandlung, Zuckerbrot und Peitsche spulten ihr Programm nach MfS-Handlungsanweisungen zuverlässig ab. Sie hatten alles in der Hand: Die Musiker und deren Wünsche, Sehnsüchte, Existenzen und konnten deren Weg mit Verlockungen, Drohungen, Verzögerungen, Beschleunigungen nach Belieben pflastern.

Noch überwogen bei den Musikern die starken Erfolgswünsche innerhalb der DDR, Wege außerhalb der Diktatur waren ihnen höchstwahrscheinlich bis zur Rente versperrt. Auf eine harte Auseinandersetzung konnten sie es (noch) nicht ankommen lassen.

Noch glaubten sie, sich mit ihren Marionettenspielern der Kulturpolitik arrangieren zu müssen, um ihren Weg gehen zu können. Im Rückblick war diese Annahme fatal. Jeder Schritt, den SED, MfS und Kulturfuzzis der Band abrangen, hinterließ Rückgratverletzungen, die in Summe zum Bruch mit dem Staat führen mußten.

Die Klosterbrüder waren eine ambitionierte Profiband und wollten neben eigenen LPs auch Konzerte in westlichen Ländern geben. Vielleicht gelänge es doch, den Staat zwar nicht zu überlisten, ihn aber doch mit stückweisem Anpassen oberhalb der Selbstachtungsgrenze zugänglicher für das Bandanliegen zu machen? Den Pfad zu den Konzertbühnen außerhalb des miefig-martialischen Kleinstaates wollten sie unbedingt betreten.

Die Entscheidung fiel den jungen Leuten schwer, doch Ende 1975 gaben die Musiker auf. Aus Klosterbrüder wurde Gruppe Magdeburg. Dieser Kotau glich einer Selbstverletzung und sollte sich in der Folge als ein weiterer Puzzlestein zum Ausreiseantrag erweisen. Die Seelen der Musiker waren tief verletzt, viele Fans wandten sich ab. Die Chuzpe der Klosterbrüder war weg, aus der Häutung schien sich eine weitere rote DDR-Band herauszuschälen.

Auch für mich klang Gruppe Magdeburg nach Fortschritt (LPG), Vorwärts (NVA) oder Dynamo (Polizei). Die Marionettenspieler des MfS waren vorerst erfolgreich. Die Disziplinierung und Ein-Nordung der Band war ein Signal an die aufmüpfige DDR-Jugend „Wenn ihr funktioniert, werden wir euch zwar nicht die westliche Freiheit, wohl aber Glasperlen geben“. Große Teile der Klosterbrüderfangemeinde machten den Tausch zu den Glasperlen nicht mit und gingen der Band auf längere Zeit verloren. Die Musiker verloren ihr ideelles Hinterland. Eine weitere Demütigung auf dem Weg in die Irreversibilität des Ausreiseantrages.

Doch noch zog die Chance auf Veröffentlichungen und Konzertreisen und übertünchte Skrupel, Schmerzen und Wut.

Die kreativste Zeit erlebte die Gruppe Magdeburg in der Besetzung Achim Kneis (voc), Pitti Piatkowski (g), Ritchie Barton (keyb), Andreas Kuhnt (b), Bernd Schilanski (dr) und Dietrich Kessler (sax, Querflöte, keyb). Ihre Titel „Was wird morgen sein“, Wenn ich zwei Leben hätt“, „Vorsicht Glas“, „Verkehrte Welt“ erreichten erste Plätze in Wertungssendungen des DDR-Rundfunks. „Diese Songs – mit vielen Mollharmonien leicht slawisch-melancholisch – entsprechen vielleicht meiner Mentalität. Ich hatte schon immer eine gewisse Affinität zu slawischer, jiddischer auch Zigeunermusik“ (D. K. S.68).

Doch der Durchbruch mit eigenen LPs ließ auf sich warten. Ein Warten, welches zur Disziplinierung gehörte. Obwohl die Gruppe rund 40 Titel im Rundfunk produziert hatte, verweigerte Amiga eine eigene Platte. „Erst 1980, nach indirekter Bestechung und Klinkenputzen meinerseits, war Amiga gnädig. Unsere erste und einzige LP „“Magdeburg“ wurde endlich veröffentlicht.“ (D.K. S. 68/69). Was anderen Bands gewährt wurde, die Veröffentlichung ihrer Platten im Westen, daraus wurde für die Gruppe Magdeburg nichts! So weit ging die Liebe des Systems zu den unsicheren Kantonisten der früheren Klosterbrüder dann doch nicht.
Stattdessen kam die nächste Demütigung. Achim Kneis sollte sich für eine Fernsehsendung „rund“ die Haare abschneiden. Was dieser ablehnte, die Gruppe unterstützte ihn dabei. „Und damit seid ihr fürs Fernsehen der DDR erledigt.“ (S.71). Nach einer diesbezüglichen Beschwerde Kesslers bei einem KGD-Mitarbeiter erhielt Dietrich Kessler Besuch vom MfS.
In den nächsten Monaten reifte in Dietrich Kessler die Erkenntnis „raus zu müssen“. Der über Jahre angestaute Frust ließ sich nicht mehr kleinhalten. „Ich musste hier raus. Raus aus der DDR. Und das so schnell wie möglich. Wie lange das allerdings dauern würde und welchen Preis ich dafür bezahlen sollte, habe ich zu dieser Zeit noch nicht ahnen können.“ (S.72).

Im September 1980 weihte Dietrich Kessler seinen Freund Achim Kneis in seine Absichten ein. Kneis eröffnete ihm, das schon früher erwartet zu haben. Während Kessler nicht an einen Ausreiseantrag der gesamten Band dachte, Rädelsführer wollte er nicht werden, sprach Kneis mit allen Bandmitgliedern. Alle wollten raus. Ein Konzertjahr lang trugen sie ihr Vorhaben noch mit sich, dann konnten sie es nicht mehr halten. Es war ein Jahr, in dem die Gruppe in der DDR spielte, sich aber bereits im Westen sah.

Die Konfliktsituationen nahmen zu, Kessler wurde in Gesprächen immer offener, die antrainierte Vorsicht nahm ab. Bei einem der letzten Konzerte in Berlin 1981 saß er abends an der Bar mit einem Mitglied einer Leipziger Gruppe und sprach Klartext. 1995 fand er seine Worte in einem handgeschriebenem Stasiprotokoll wieder. Das hätte er „von dem freundlichen Leipziger Bandchef nicht erwartet“ (S.75).

Es bedurfte längerer Zeit und vieler Faninformationen über und aus der Gruppe Magdeburg und deren politischer Bedrängnisse um neues Verständnis und neues Vertrauen in die Musiker entstehen zu lassen. Am Ende setzte sich die Qualität dann doch wieder durch. Auch ich gehörte spät, aber dann doch 1981, wieder zum schwer begeisterten Publikum anlässlich eines ihrer letzten Konzerte im damaligen Karl-Marx-Stadt.

Wenige Monate später, am 21. September 1981, stellte die gesamte Gruppe einen von allen Mitgliedern unterschriebenen Antrag auf Übersiedlung in die BRD. Was musste alles passiert sein, um einen solchen Gruppenantrag zu stellen? Die Seiten 67-75 geben Aufschluss. Die Lektüre ist dringend lesenswert. Hätten das alle Fans der Klosterbüder gewusst, sie wären zum großen Teil eher wieder zurückgekommen. Die Gruppe Magdeburg war kein Traktor oder Vorwärts oder Dynamo Magdeburg geworden!

Ein für die Bandszene der DDR einmaliger Gruppenantrag auf Ausreise? Ein Gruppenantrag prominenter und beliebter Rockmusiker? Explosiver für das Heimatland aller Werktätigen und Schützer des Fortschritts mit den Mitteln einer Diktatur konnte das kaum sein. Das war Bandenbildung in den Augen und Ohren des MfS. Wer sowas schrieb, der musste mit allem abgeschlossen haben und auf schwerste Persönlichkeitsverletzungen gefasst sein. Ohne Stasi-Knast konnte das nicht abgehen. Den Rockern im aufrechten Gang stand Schweres bevor.

Der Staat und seine Organe spulten ihr Programm ab. Druck, Einzelgespräche Berufsverbotsdrohungen, Berufsverbot – die gesamte Palette. Drei der sechs Bandmitglieder hielten nicht durch. Dietrich Kessler geht in seinem Buch behutsam damit um. Übrig blieben als Ausreisewillige er, Achim Kneis und Andreas Kuhnt.

Am 16. Juni 1983, rund 22 Monate nach dem Gruppenausreiseantrag, schnappte das Tor der MfS-Untersuchungshaftanstalt hinter Dietrich Kessler, seiner Frau und Achim Kneis und dessen Frau zu. Kesslers und Kneis‘ wussten zu dem Zeitpunkt nichts voneinander. Die Stasi wollte alle gegeneinander ausspielen. Kesslers wussten auch nichts darüber, was mit ihrem Sohn geschehen und wo er bleiben würde.

Die Zone, wie ich das Gebilde in der Familie und unter Freunden immer nannte, war ein Verbrecherstaat. Ein Staat, der Deutsche nicht von Deutschland nach Deutschland ließ. Auf Flucht stand faktisch das Todesurteil an der Grenze, auf Antrag standen Stasi-Knast und Sippenhaftung.

An dieser Stelle beende ich die Wegbeschreibung Dietrich Kesslers und verweise auf die Kapitelüberschriften seines Tatsachenbuches. Für sich genommen wirken sie auch schon als Buch in Kurzformat und sind bereits eine Geschichte für sich.

Der Stasi-Überfall und das Nonstop-Verhör
Die verdammte Grenze
„Opium fürs Volk“
Klosterbrüder, Gruppe Magdeburg und Kulturpolitik
Der Ausreiseantrag, Berufsverbot und Angst
Die ersten achtzehn Stunden in der Untersuchungshaftanstalt des MfS
In der Einzelzelle
Frauen mit Zivilcourage
Ich werde verlegt
Verhöralltag und politische Diskussionen
In der Viermannzelle
Kriminelle und Kakerlaken
„Im Namen des Volkes“
Die letzten Stunden Krimi-Knast und die lange Nacht im „Grotewohl-Express“ nach Cottbus
Das Zuchthaus Cottbus und die lange Nacht in den „Katakomben“
Das Cottbuslied
Zugang, „RT“ und „Stalin“
Zelle 212, EB7, Diskussionen und Aggressionen
Vom Hilfsarbeiter bis zum Werkdirektor
Arbeit in drei Schichten
Die Norm, „Mumpe“, der gefährliche „Brigadier“ und Leutnant „Lolli“ Lehmann
Die Knastpolizei
Die Zivilangestellten
Meine Freunde
Der Deal225
„Die Welt ist klein“
Krimis und Knastmacken
Tribunal und Transport
Tätowieren im Knast
Die Neonazis und das Thema „Auschwitz“
„Ufos“, Rauschmittel und andere Vergünstigungen
Der Tag „X“, unter Schwulen und der Countdown läuft
Dr. Vogel, die letzten Stunden DDR und der erste Tag in Gießen
Im Westen viel Neues, der Mauerfall und meine Stasi-Akte
Zurück in den Stasi-Knast
Anhang mit Bildteil.

Am 20. September 1984 endete Dietrich Kesslers DDR-Zeit für immer. Anhaften wird sie ihm, seiner Familie, seinen Freunden und vielen Fans lebenslänglich. Doch an diesem Tag begann er, die Luft der Freiheit zu atmen.

Gescheitert war die DDR, nicht Dietrich Kessler, Achim Kneis und ihre Familien. Oder wie Hartmut Rüffert und Dietmar Matzke in ihrem Buch über ihre Oppositionszeit im Bornaer Land schreiben „Aufrecht, wie es Menschen Art ist“.

Links:
Klosterbrüder Band Website

Klosterbrüder auf YouTube

Hartmut Rüffert auf Freiheit und Demokratie

Hartmut Rüffert/Dietmar Matzke: „Aufrecht, wie es Menschen Art ist – Die Bürgerbewegung Neues Forum in Borna

Dietrich Kessler: Stasi-Knast, Engelsdorfer Verlag Leipzig 2024, 2. Auflage (erweiterter Reprint), ISBN 978-3-96940-717-3
Weblink zum Buch:
https://www.engelsdorfer-verlag.de/Belletristik/Romanhafte-Biografien/Stasi-Knast::8126.html

Quelle: Weissgerber – Freiheit

Dietrich Kessler: Stasi-Knast, Engelsdorfer Verlag Leipzig 2024

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