m 27. September 1990 vereinigten sich die SPD der alten Bundesrepublik und die SPD der DDR zur heutigen gesamtdeutschen Sozialdemokratischen Partei. Die DDR-SPD gründete sich am 7. Oktober 1989 als SDP und nannte sich am 13. Januar 1990 in SPD um.
Die Fusion war von den meisten ostdeutschen Sozialdemokraten von Anfang an gewollt, sie sahen eine SPD als Voraussetzung und Wegbereiterin der Deutschen Einheit in Freiheit.
Die Deutsche Einheit war in der Sozialdemokratie der Bundesrepublik und der DDR ein weitverbreiteter Wunsch. Die noch offene Deutsche Frage sollte ad acta gelegt werden. Willy Brandt formulierte den großen Wunsch auf seine unnachahmliche Art mit „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“.
Umstritten war der Wunsch nach Einheit unter gefühlten dreißig Prozent der West-SPD und nahe Null Prozent der Ost-SPD. Für die Gegner der Einheit standen exemplarisch Oskar Lafontaine und große Teile der linken SPD-Flügels.
Der Wunsch nach Einheit und die daraus folgende Vereinigung beider Parteien machte die gesamtdeutsche Sozialdemokratie nicht sofort zu einer mit sich im Reinen befindlichen Partei. Lebenserfahrungen, Sozialisierungen in den unterschiedlichen Systemen trafen erst jetzt aufeinander.
Die westdeutschen Sozialdemokraten lebte ihr bisheriges Leben in Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung weiter. Die ostdeutschen Brüder und Schwestern erlebten diese Umstände erst ein knappes Jahr. Mißverständnisse waren vorhersehbar.
Neben den grundlegenden Zielen wie gesamtdeutsche Demokratie, gesamtdeutsche Freiheit in der Freiheit des Westens, gesamtdeutsche soziale Marktwirtschfta, gesamtdeutsche Sicherheit in der westlichen Allianz brachten die Ostdeutschen emanzipiert ihre Vorstellungen vom wehrhaften demokratischen Staat mit in die Einheit der SPD ein. Die SPD sollte vor dem Hintergrund der rechten NS-Diktatur und der linken KP-Diktatur antitotalitär und Gesellschaftsarchitekturversuche sollten nie wieder Teil staatlicher Politik sein. Sozialdemokraten müssen per se Antinationalsozialisten und Antikommunisten sein! Nationalsozialisten und Kommunisten waren und sind extreme Gegner der parlamentarischen Demokratie. Sozialdemokraten sind Verfechter von Freiheit und parlamentarischer Demokratie.
Von Beginn der gesamtdeutschen Sozialdemokratie an warb und stritt ich für eine ausgeprägte antitotalitär positionierte SPD und machte mein Bemühen darum an der notwendigen Modifizierung des im Dezember 1989 in (West-)Berlin beschlossenden Grundsatzprogramms fest. Ich wollte das „Berliner Programm“ um die Erfahrungen und Vorstellungen der ostdeutschen Sozialdemokraten bereichern. Die Widerstände in der SPD und hier vornehmlich seitens des linken Flügels waren enorm.
Den Kampf gewann ich im April 1998. Viele Gleichgesinnte halfen mir dabei.
Es bleibt anzumerken, den Ausstieg aus der Kernkraft und den Irrglauben, Deutschland sei ein Einwanderungsland, bestritt ich von Anfang an in der gesamtdeutschen SPD. In der ostdeutschen Sozialdemokratie wurden diese Vorstellungen ohnehin kaum verstanden.
Nach der verlorenen Bundestagswahl vom 2. Dezember 1990 gab es eine Kennenlernrunde der ostdeutschen SPD-MdBs im Reichstagsgebäude in Berlin. Mein inhaltliches Statement bestand aus der Manöverkritik des vergangenen falsch aufgezogenenen Wahlkampfs („wirtschatlich – sozial – ökologisch“ statt „ökologisch – sozial – wirtschaftlich“) und meiner Forderung, die Verurteilung der Kernkraft zu hinterfragen! Eine seriöse Partei kann keine Unfehlbarkeitsbeschlüsse fassen, das Leben ist komplexer und die technisch-wissenschaftlichen Entwicklungen kann niemand vorhersagen. Zum linksgrünen Ideal Einwanderungsland erklärte ich, Deutschland sei kein Einwanderungsland! Deutschland ist ein Land, in das viele Menschen wollen. Aber klassische Einwanderungsländer haben Bedarf an Arbeitskräften (das vereinigte Deutschland stand vor einem riesigen Überangebot an Arbeitssuchenden infolge des laufenden Zusammenbrauchs der ostdeutschen zentralen Kommandowirtschaft), besitzen dünnbesiedelte Regionen und legen ausdrücklich fest, wen sie brauchen. Zu letzteren Entscheidungen dürfte die SPD nicht in der Lage sein, es klang zu sehr nach Egoismus.
Weiterhin bleibt anzumerken, das Deutschland des Jahres 2024 durchlebt inzwischen wieder politisch einseitige Verhältnisse mit der Bevorzugung von Linksaußenparteien und -bewegungen (linksextreme Antifa) bei gleichzeitiger hysterischer Bekämpfung von Rechtsaußenparteien. Auch übt sich seit der CDU-Kanzlerin Angela Merkel nahezu die gesamte Politik in Geselschaftsarchitektur, maoistisch Transformation genannt.
Last but not least. Was ich in der SPD, gestützt vom Seeheimer Flügel, für die Aktualisierung des Grundsatzprogramms erstritt, würde in der heutigen sozialistischen SPD als Rechts verschrieen werden. Dabei waren und sind es sämtlich Themen, die die Großen der SPD wie Willy Brandt und Helmut Schmidt genauso sahen. Auch die wären heute draußen wie ein Thilo Sarrazin. Zum Bleistift.
Schreiben vom 11.05.1995 an Gerd Andres, Sprecher der „Seeheimer[1]„, in Sachen Programmatik
Lieber Gerd,
der Vortrag des Präses der evangelischen Kirche im Rheinland vom 25. April d. J. und die darauffolgende Reaktion großer Teile der Fraktion sowie Werner Schusters Bezeichnung „Kleinod“ für das Berliner Programm im Rahmen der letzten Fraktionssitzung geben mir Anlaß zur Reaktion. Zum wiederholten Male wurde mir deutlich, daß wir in der Partei eine Diskussion über unsere verschiedenen Erfahrungen und die daraus resultierend differierenden Wertungen und Empfindungen forciert in Gang setzen müssen. Eine gute Grundlage für dieses Vorhaben bietet die dringend notwendige Aktualisierung des Berliner Programmes.
Das Berliner Programm, verabschiedet unter dem Eindruck einer scheinbar zementierten bipolaren Welt, ist einseitig (anders kann es auch gar nicht sein!) das Programm der 1990 in die gesamtdeutsche SPD aufgegangenen SPD-West. Somit ist es das Programm eines -wenn auch großen- Teiles der Gesamtpartei. Guten Gewissens an die Bevölkerung austeilbar als die aktuelle geistige Grundlage der gesamtdeutschen Sozialdemokratie ist es weder in Wahlkämpfen noch zu normalen Zeiten. Dies gilt zumindest für Ostdeutschland. Ist von meiner Kritik auch nur ein prozentual geringer Teil des Gesamtprogrammes tatsächlich betroffen, so springt der notwendige Aktualisierungs- und Vervollkommnungsbedarf doch sofort in’s Auge. Fünf Jahre nach der Vereinigung von SPD-West mit SPD-Ost ist es höchste Zeit, die Vereinigung programmatisch zu vollziehen. Daran hängt ein bedeutendes Stück Glaubwürdigkeit für unsere Sozialdemokratie.
Einige Beispiele für den Aktualisierungsbedarf möchte ich anführen. Im Kapitel I unter der Überschrift Was wir wollen gilt es den -in dieser Weise nicht mehr vorhandenen- Ost-West-Konflikt zu überwinden. In Kapitel II Die Grundlagen unserer Politik/1. Grunderfahrungen und Grundwerte werden die Erfahrungen der Sozialdemokratie unter der nationalsozialistischen Diktatur angeführt. Komplett fehlt der Verweis auf die sozialdemokratischen Erfahrungen unter kommunistischer Herrschaft (Zwangsvereinigung, Workuta, Bautzen etc.). Als Unsere geschichtlichen Wurzeln sind nicht benannt die Erfahrungen der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegungen und der wiederbegründeten Sozialdemokratie zwischen der Insel Rügen und Bad Brambach. Auch fehlt aus meiner Sicht ein Verweis auf Bernstein, wenn schon Marx unbedingt aufgeführt werden muß. In Punkt 2. Die Welt, in der wir leben wird 1989 das Verschwinden des Freund-Feind-Denkens vorhergesagt. Dies hing sicherlich mit der Euphorie über den schnell fortschreitenden Entspannungsprozeß zwischen den damaligen Blöcken zusammen. Unser heutiger Eindruck ist da sicherlich leider ein gänzlich anderer. In Kapitel III Frieden in gemeinsamer Sicherheit steht noch als Ziel, das Ende der Stationierung amerikanischer und sowjetischer Streitkräfte zu erreichen. Auch dies ist nicht mehr aktuell. Weder gibt es heute die Sowjetunion, noch ist Deutschland von fremden Truppen besetzt. Deutschland ist in dem Kapitel noch zweistaatlich und gesteht den Alliierten Vorbehaltsrechte zu. In der Nord-Süd-Politik des Programmes gilt es das System der Apartheid in Südafrika zu überwinden helfen.
Dies alles sind zugegebenermaßen nur Beispiele und dazu noch steinbruch- und holzschnittartig aneinandergereiht. Für letzteres bitte ich um Verständnis. Doch gebe ich zu bedenken, in der Bevölkerung dürfte unser derzeitiges Programm in der Weise gelesen werden. Wir, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten des vereinigten Deutschlands müssen endlich die Diskussion um unsere gemeinsame Standortbestimmung angehen. Versuche hierzu hat es bereits gegeben, leider blieben sie wirkungslos. In der Anlage gebe ich einen Antrag von 1993 zur Problematik zur Kenntnis, welcher zwar in den Antragsmaterialien des Wiesbadener Parteitages erscheint, im entsprechenden Protokoll jedoch nicht mehr auftaucht. Dieser Umstand ist sehr irritierend, jedenfalls für Mitglieder aus dem Osten mit ihren tiefgehenden Zensurerfahrungen.
Lieber Gerd, den Seeheimern würde eine programmatische Diskussion zur Vollendung der inneren Einheit der SPD gut zu Gesicht stehen. Packen wir es an!
Zwei Antragsvorschläge in Sachen Programm
1. Antrag an den Bundesparteitag 1995:
Grundsatzprogramm der SPD
Der Parteitag möge beschließen:
Das momentan gültige Programm der SPD (Berliner Programm) wird inhaltlich um folgende Zusätze bereichert.
Begründung:
Die seit 5 Jahren vereinigte Sozialdemokratie Ost- und Westdeutschlands befindet sich inmitten einer gesamtdeutschen Programmdiskussion. In Ermangelung eines aktuellen Programmes wird das derzeit gültige in wichtigen Teilbereichen aktualisiert.
Vorgeschlagene Streichungen/Änderungen/Zusätze:
##Kapitel I „Was wir wollen“
– Klassen als Terminus streichen, da als Begriff der differenzierten Wirklichkeit nicht gewachsen; Klassenkampf als ideologischer Kampfbegriff besitzt situationsverschärfende Wirkung und trifft Menschengruppen zu pauschal und ungerecht;
##Kapitel II „Die Grundlagen unserer Politik“/
#“1. Erfahrungen und Grundwerte“
– Sozialismus als Terminus streichen, da er erstens durch Beschneidung von Freiheiten nicht demokratisch sein kann und zweitens auf viele Menschen in Ostdeutschland als Keule wirkt; im übrigen ist der Name unserer Partei gleichzeitig Programm: Sozialdemokratie
– 4. Abschnitt (Dennoch ist ihre Geschichte nicht frei von …) weglassen, da nicht nachvollziehbar; die deutsche Sozialdemokratie war nicht schuld am ersten Weltkrieg und an dessen Eskalation;
– 6. Abschnitt einfügen nach Die Sozialdemokratie trat der nationalsozialistischen Diktatur: auf dem Boden des untergegangenen deutschen Reiches und später dem kommunistischen Regime auf dem Territorium der SBZ/DDR entgegen, vermochte diese Unrechtssysteme jedoch nicht zu verhindern. Ihr opferreicher Widerstand im dritten Reich und in der SBZ/DDR legitimierte den besonderen Anspruch der Sozialdemokraten beim Aufbau der zweiten deutschen Demokratie, erst auf westdeutschem Boden, nach 1989 in der vereinigten Bundesrepublik Deutschland, prägend mitzuwirken. Die Erfahrungen mit Diktatur und Terror lassen uns besonders wachsam sein gegenüber links- und rechtsextremistischen Tendenzen in der Gesellschaft.
#Unsere geschichtlichen Wurzeln
– einfügen nach Ihre Übereinstimmung beruht auf gemeinsamen Grundwerten und gleichen politischen Zielen: Die Sozialdemokratie hat ihre geistigen Wurzeln im Christentum und in der humanistischen Philosophie, in der Aufklärung, in Marxscher Geschichts- und Gesellschaftslehre, in Bernsteins Realitätssinn, in den Erfahrungen der Arbeiterbewegung und der ostdeutschen Freiheits- und Bürgerbewegung.
Kapitel III „Frieden in gemeinsamer Sicherheit“/
#“Gemeinsame Sicherheit“
– 4. Abschnitt streichen: Dies eröffnet auch die Perspektive… Stationierung.. in Europa.
#Deutschland – komplett streichen, da total überholt;
#Nord-Süd-Politik
– 6. Abschnitt streichen: Das System der Apartheid….
2. Antrag an den Bundesparteitag 1995
Grundsatzprogramm der SPD
Der Parteitag möge beschließen:
Der nächste Parteitag der SPD wird ein Programmparteitag sein. Dieser Programmparteitag wird in Görlitz/Sachsen stattfinden.
Begründung:
Die gesamtdeutsche SPD existiert nunmehr 5 Jahre. Sie besitzt noch kein gemeinsames Grundsatzprogramm. Das Berliner Programm ist in wichtigen Teilen höchst inaktuell und weist lediglich westdeutsch geprägte Inhalte/Aussagen auf. Die deutsche Sozialdemokratie als eine der wesentlichen politischen Strömungen unseres Landes ist aufgerufen, sich selbst endlich ein gemeinsames Programm zu geben.
Görlitz wird aus zwei Gründen heraus vorgeschlagen. Zum einen fand hier 1921 der dem Godesberger Programmparteitag von 1959 in vielem vorauseilende Görlitzer Parteitag statt. Dies sollte ein gutes Omen für die 90er Volkspartei SPD sein. Zum zweiten liegt Görlitz in einer sozialdemokratischen Diaspora. Der Parteitag sollte der ostdeutschen Sozialdemokratie Auftrieb geben. Beweist er doch die Verbundenheit von Bundes-SPD und ostdeutscher Sozialdemokratie.
Pressemitteilung vom 25.09.1995
Fünf Jahre gesamtdeutsche Sozialdemokratie
Am 27. September jährt sich die Vereinigung von ost- und westdeutscher Sozialdemokratie zum fünften Male. Im Herbst 1990 ging ein langgehegter Wunsch vieler Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten beider Landesteile endlich in Erfüllung. Auch ich empfand ein großes Glücksgefühl. Die Vereinigung der sozialdemokratischen Parteien war damals und ist heute ein wichtiger Grund zum Feiern.
Doch ist der 27. September gleichzeitig gute Gelegenheit, auf Hoffnungen hinzuweisen.
Ich hoffe, die SPD wird sich endlich zur Erarbeitung eines gemeinsamen Grundsatzprogramms aufraffen. Das Berliner Programm ist das Programm der alten West-SPD und somit Geschichte. Wir jedoch leben in der Gegenwart.
Ich hoffe, im künftigen Grundsatzprogramm werden ebenso die Erfahrungen der ostdeutschen Sozialdemokratie in der SBZ/DDR (Zwangsvereinigung, Workuta, Bautzen) die ideelle Grundlage bilden.
Ich hoffe, der Anteil der ostdeutschen Sozialdemokratie an der Bürgerrechtsbewegung in der DDR, an der Demokratisierung des zweiten deutschen Staates sowie am Prozeß der Deutschen Einheit wird im neuen Programm für jedermann sichtbar sein.
Ich erwarte, daß sich alle SozialdemokratInnen in ihrem zu schaffenden Grundsatzprogramm wiederfinden können. Vor der Gestaltung der Zukunft kommt die Erkenntnis der Gegenwart!
Die sächsische SPD ist für die kommende Diskussion gerüstet. Der Mannheimer Bundesparteitag wird sich mit entsprechenden Anträgen aus Sachsen zu befassen haben.
[1]Die gemäßigte Linke in der SPD, auch als rechte Sozialdemokraten und gewerkschaftsnah bezeichnet.
Das aktualisierte Vorwort des Berliner Grundsatzprogramm der SPD vom 17. April 1998 in Leipzig:Im Ostteil Deutschlands unterbanden nach 1945 die Sowjetische Militäradministration und die KPD eine eigenständige Entwicklung der schnell zur stärksten Partei aufsteigenden Sozialdemokratie. Unter Täuschung, Druck und Zwang vollzog sich die Gründung der SED als künftige Staatspartei der DDR. Die Kommunisten missbrauchten dabei die in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur entstandene Sehnsucht, die Spaltung der Arbeiterbewegung möge im Zeichen einer demokratischen Erneuerung überwunden werden.
Bereits damals wie auch in den folgenden Jahren wurden Sozialdemokraten Opfer der kommunistischen Diktatur, viele wurden verfolgt, inhaftiert, aus dem politischen Leben entfernt, zum Verlassen der DDR gezwungen, nach Sibirien verschleppt; eine unbekannte Anzahl von ihnen hat dabei den Tod gefunden. 43 Jahre lang war die Sozialdemokratie im Osten Deutschlands verboten und Sozialdemokratismus“ eines der besonders intensiv gepflegten ideologischen Feindbilder, dennoch hielten in den Ostbezirken Berlins Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bis zum August 1961 die Parteiarbeit aufrecht.
Mit ihrer Politik der Entspannung, des Dialogs und der kleinen Schritte haben die SPD und die von ihr geführten Bundesregierungen ausgehend von den politischen Realitäten die Grenzen durchlässig gemacht und einen wichtigen Beitrag zur Erweiterung der inneren Freiheitsspielräume für die Bürgerinnen und Bürger der DDR geleistet. Parteidiktatur und bürokratisierte Planwirtschaft erwiesen sich als unfähig, Staat und Wirtschaft der DDR in eine sichere Zukunft zu führen.
Mit der Neugründung der Partei am 7. Oktober 1989 stellten ostdeutsche Sozialdemokraten den Allmachtsanspruch der SED radikal in Frage. Sie entschieden sich als erste innerhalb der revolutionären Bewegung in der DDR für die parlamentarische Demokratie und setzten damit das entschiedenste Zeichen, den SED Staat von innen heraus zu überwinden.
Im Gefolge der revolutionären Bewegungen von 1989 in den Ländern Mittel- und Osteuropas zerfiel das auch ökonomisch zerrüttete kommunistische Weltsystem und endete der Ost-West-Gegensatz, der die Politik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestimmte.
Das Ende des kommunistischen Weltsystems ermöglichte die Verwirklichung des demokratischen Selbstbestimmungsrechts in der DDR und schließlich die Beendigung der staatlichen Teilung Deutschlands durch die freie Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger der DDR.
Die ostdeutschen Sozialdemokraten haben mitgeholfen, in der friedlichen Revolution die Geschicke Deutschlands zu wenden; sie haben wesentlich zum Glück der Einheit beigetragen. Sie machen die Gesamtpartei reicher durch ihre schwierigen Erfahrungen in der Diktatur, ihre friedfertige Standhaftigkeit und die Glaubwürdigkeit ihres Neuanfangs.
Seit dem 27. September 1990 ist die SPD wieder, was sie seit ihrer Gründung vor weit über 100 Jahren hat sein wollen: die Partei der Sozialen Demokratie für das ganze Deutschland. Die Einheit der deutschen Sozialdemokratie seit 1990 bildet eine wichtige Klammer zur Überwindung der Folgen der deutschen Teilung. Ihre Aufgabe ist der Abbau der fortwirkenden sozialen und ökonomischen Ungleichheiten. Dazu bedarf es solidarischer Anstrengungen und gemeinsamer Willensbildung. Gleiche Chancen für alle Deutschen in Ost und West herbeizuführen, das schulden wir den Grundsätzen unserer Partei, die stets eingetreten ist für Recht und Gerechtigkeit für alle.
Der Partei und Staat gewordene Kommunismus gehört nun in Europa der Vergangenheit an. Das 20. Jahrhundert war auch geprägt durch die Folgen der Teilung der Arbeiterbewegung in zwei sich feindlich gegenüberstehende Hauptströmungen, in Sozialdemokraten und Kommunisten.
Das Scheitern des Kommunismus bestätigt die Grundüberzeugung der Sozialdemokraten, die sie in der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus verfochten haben: Das Ziel einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaftsordnung ist für alle Zukunft nicht von der Garantie der Menschenrechte als Voraussetzung politischer und sozialer Gleichheit zu trennen.
Die Entscheidung der demokratischen Sozialisten, auf der Grundlage von Demokratie und Menschen-rechten eine bessere Ordnung der Gesellschaft zu verwirklichen, hat sich als der richtige Weg auch für die Zukunft erwiesen. Diesem Denken hatten sich zunächst die demokratischen Reformbewegungen und später auch Teile der kommunistischen Parteien in Mittel- und Osteuropa verpflichtet.
Aus einigen von ihnen sind neue, demokratisch-sozialistische Parteien hervorgegangen, die ihre politische Heimat heute in der Sozialistischen Internationale sehen. Diesen noch nicht abgeschlossenen Wandel begrüßt die Sozialdemokratie und wird ihn weiter fördern, wenn er mit einer glaubwürdigen Distanzierung vom historischen und politischen Erbe des Partei- und Staatskommunismus verbunden ist.
Den vollständigen Text mit Dokumenten finden Sie HIER – Weissberger – Freiheit