44 Jahre Arzt in Jena – Warum ich dankbar bin – Erinnerungen an ein erfülltes Leben

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Grundschule in Lübbenau, Oberschule in Calau.

Den für mein Leben wichtigsten Brief erhielt ich vom Prorektorat für Studentenangelegenheiten der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit Datum vom 5.7.1955 mit der Mitteilung „Auf Beschluss der Zulassungskommission sind Sie unter einer sehr großen Anzahl von Bewerbern zum Studienjahr 1955/56 an der Friedrich-Schiller-Universität zum Studium in der Medizinischen Fakultät-Fachrichtung Humanmedizin mit dem Berufsziel Arzt zugelassen. Wir beglückwünschen Sie zu dieser Zulassung und sprechen die Erwartung aus, dass Sie Ihr Studium verantwortungsbewusst und diszipliniert durchführen. Sie übernehmen mit der Aufnahme Ihres Studiums die Verpflichtung, in der im Studienplan vorgeschriebenen Zeit ihre Ausbildung an der Universität erfolgreich abzuschließen. Wir erwarten, dass Sie in ihrem Auftreten und in Ihrer Haltung zeigen, dass Sie sich der Ehre bewusst sind, an einer Universität der Deutschen Demokratischen Republik studieren zu können. Unsere Arbeiter und Bauern sowie die werktätige Bevölkerung in der Deutschen Demokratischen Republik, die die materiellen und politischen Voraussetzungen für Ihr Studium geschaffen haben, erwarten von Ihnen, dass Sie sich dieser Tatsache bewusst sind und dass Sie ihre ganze Kraft und Fähigkeit für die Stärkung und Festigung der Arbeiter-und Bauernmacht in unserer Republik einsetzen. Es wird darauf hingewiesen, dass ein späterer Fakultäts- bzw. Fachrichtungswechsel oder eine Änderung des Berufszieles nicht möglich ist.“

Ich bin in der Kleinstadt Lübbenau/Spreewald mit ca. 6000 Einwohnern aufgewachsen, habe trotz des Krieges und der Nachkriegszeit durch die Fürsorge meiner Mutter (Jahrgang 1914, nach dem Krieg Schwangeren-und Säuglingsfürsorgerin durch Qualifikation an der Fachschule in Potsdam , bis zum 72 Lebensjahr berufstätig; Vater Jahrgang 1905  Heilpraktiker, 1942 in Russland gefallen) und meiner Großeltern (Großvater Hans Koestner,Jahrgang 1885 war 50 Jahre Lehrer an der Grundschule in Lübbenau; Großmutter Martha, geb. Peth, Jahrgang 1988  war Hausfrau), die mich , meinen ein Jahr jüngeren Bruder Dietrich und zwei etwa gleichaltrige Cousinen im christlichen, humanistischen und demokratischen Sinne zu Ordnung, Ehrlichkeit, Fleiß und Hilfsbereitschaft erzogen haben, wir haben eine relativ unbeschwerte Kindheit verlebt, Sorgen wurden von uns ferngehalten. Der Ehrgeiz entwickelte sich aus der nahezu täglichen sportlichen Betätigung, im Sommer Schwimmen im Freibad, Fußball, Handball (1945/46 mit von der Mutter hergestellten Stoffbällen), vor der Haustür auf dem Topfmarkt Treibeball und Völkerball; im Winter Schlittschuhlaufen, Eishockey; ganzjährig Tischtennis im Sportverein Lokomotive (SV Lok) Lübbenau mit Turnieren und Meisterschaften, u.a. 1953 DDR-Vizemeister der Jugend im Spiel gegen die SV Lok Bad Doberan. Als Oberschüler wurde ich Volkskorrespondent der Lausitzer Rundschau und berichtete für ein kleines Honorar über die Spiele der regionalen Tischtennismeisterschaften.

1943 wurde ich in die „Mädchenschule“ eingeschult, es gab bereits gemischte Klassen. Der Unterricht fiel im Frühjahr 1945 nur für wenige Wochen aus und wurde im September fortgesetzt. Einige ältere Lehrer wurden aus ihrer Tätigkeit entlassen und mussten sich einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen, ersetzt wurden sie durch sog. Neulehrer, meist Quereinsteiger, die sich entsprechend qualifizierten. Ein Ausfall des Unterrichts fand so gut wie nie statt.

Lübbenau wurde im Mai 1945 nicht wie andere Orte ringsum durch die Sowjetarmee zerstört, weil mein Großvater und andere Bürger eine weithin sichtbare weiße Fahne auf dem Kirchturm als Zeichen der „Kapitulation“ vor den einrückenden sowjetischen Truppen hissten.

Die Zeit nach 1945 war in vieler Hinsicht entbehrungsreich, es gab in großem Ausmaß Not und Elend, Hunger, Krankheiten und Tod. Die vielen Flüchtlinge aus dem Osten wurden bei Familien, in den Schulräumen u.a. nothilfemäßig einquartiert, im Schloss Lübbenau wurde eine Krankenversorgung eingerichtet. Einer meiner nachhaltigsten Eindrücke aus dieser Zeit waren die Besuche der Unterkünfte der Flüchtlinge an der Hand meines Großvaters als einer der Verantwortlichen für den Luftschutz und die Unterbringung der Flüchtlinge im Ort.

In der ländlichen Region war die Versorgung mit Lebensmitteln sicher nicht so drastisch begrenzt wie in den zerstörten Städten. In Lübbenau erhielten Familien, die keinen Garten besaßen, eine kleine Fläche in der Nähe des Sportplatzes zur landwirtschaftlichen Nutzung, zum Eigenanbau von Kartoffeln und Gemüse. Wir gehörten dazu. Daneben wurden Hühner und Kaninchen gehalten, und wir Kinder (mein jüngerer Bruder und 2 Cousinen) gingen im Herbst Kartoffeln stoppeln, Ähren und verkrüppelte Gurken lesen. An den Eisenbahngleisen entlang sammelten wir Kohlen auf.

Meine Familie und ich wollten unbedingt, dass ich die Oberschule besuche und mit dem Abitur abschließe, dies war jedoch trotz guter Leistungen wegen der Nichtzugehörigkeit zur Arbeiter- und Bauernklasse (meine Mutter wurde als Angestellte eingestuft) schwierig. Es gelang schließlich bei guten Leistungen durch die Einwilligung zur Mitgliedschaft bei den Jungen Pionieren (JP) in der 8. Klasse und anschließender Übernahme in die Freie Deutsche Jugend (FDJ) in der 9. Klasse der Erweiterten Oberschule in Calau, die 1947 auf Anregung der in Calau stationierten sowjetischen Kommandantur neu strukturiert und an der zumeist junge Neulehrer, die sich dann im langjährigen Fernstudium die Qualifikation des Fachlehrers bis zur 12. Klasse erwarben, unterrichteten. Während der Oberschulzeit erhielt ich ein Stipendium von 40 DM/Monat, worüber wir uns sehr gefreut haben. Ich war Fahrschüler und fuhr im Sommer die Strecke von ca. 20 km mit dem Fahrrad, im Winter mit dem Zug (Abfahrt 6:15 Uhr) zur Oberschule

Sowohl in der Grundschule, vor allem aber in der Oberschule erhielten wir eine solide humanistische, deutlich naturwissenschaftlich geprägte Ausbildung mit starken Akzenten in der Mathematik, Physik, Chemie und Biologie, geringerer sprachlicher Ausbildung in Fremdsprachen, Russisch von der 5. bis 12. Klasse, aufgrund der politischen Situation und der kaum möglichen aktiven Anwendung von den meisten Schülern mit wenig Motivation und Eifer gelernt, Englisch in geringer Stundenzahl von der 9. Bis 12. Klasse, kein Latein und Inkaufnahme verzerrter Lehrinhalte in Geschichte. Der Religionsunterricht wurde abgeschafft, der Konfirmandenunterricht fand in kirchlichen Räumen statt. Alle Schüler meiner Klasse außer den katholischen Flüchtlingskindern wurden konfirmiert; die Jugendweihe gab es damals noch nicht.

Unsere Lehrer, etwa die Hälfte waren nicht verheiratete Lehrerinnen, die wir mit Fräulein und Namen (Wuttke, Jacobi, Gerke, von Wedel u.a.) ansprachen, habe ich nicht nur geachtet, sondern zum großen Teil auch verehrt und bin Ihnen bis heute dafür dankbar, was und wie sie es uns an Wissen, Erfahrung, Anregungen und Bildung im Unterricht und darüber hinaus vermittelt haben. Beispielhaft sind die Theaterbesuche im Stadttheater Cottbus und die unter den damaligen Verhältnissen äußerst schwierigen, sehr spartanischen, mehrtägigen Wanderausflüge und Klassenausflüge ab der 5. Klasse, also ab 1948, dreimal in die Sächsische Schweiz, an die Ostsee und in der 10. Klasse in den Harz. Die ersten Fahrten erfolgten in einem offenen Lkw unter Mitnahme von Nahrungsmitteln und Proviant.

Den einzigen privaten Urlaub verbrachte ich mit meinem Bruder und 2 Freunden nach einer mehrtägigen Radtour in Ahlbeck in einem Zelt aus 4 Dreiecksplanen aus der Kriegszeit.

In der 11. Klasse wurden die Bewerbungen für einen Studienplatz eingereicht, ich hatte mich für Medizin oder Chemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena beworben und wurde von der Leitung der Oberschule in einer Beurteilung unterstützt; die endgültige Entscheidung erfolgte auf Grundlage meines „Mit Auszeichnung“ bestandenen Abiturs.

Politisch war ich von dem, was uns gelehrt wurde und wir täglich praktisch erfahren haben, nicht überzeugt, die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis war zu groß und der bis 1961 unmittelbare Eindruck und Vergleich durch Besuche in Westberlin (Kinobesuche in „Aladin“ und „Camera“ am Potsdamer Platz für 0,60 Pfennige bei „besonders wervollen Filmen“ (meist Heimatschnulzen), Besuch des Berliner Zoo, kleinere Einkäufe von Textilien vor allem in der Karl-Marx-Straße Neukölln u.a.) und die täglichen Berichte im Westfernsehen über die Entwicklung im täglichen Leben und die Offenheit im anderen Teil Deutschlands mit „dem zum Untergang verurteilten System des Kapitalismus“ bestärkten mich in meiner Einstellung. Ich war kein Konformist, meine Meinung war auch im öffentlichen Raum ein ziemlich offenes Geheimnis, ich war aber nie ein aufmüpfiger Rebell oder aktiver Kämpfer gegen diese Gesellschaftsordnung.

Studium der Humanmedizin an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena

Am Montag, dem 29. 8.1955 begleitete mich meine Mutter weinend (ich fuhr zum ersten Mal allein „in die Ferne“) zum Bahnhof in Lübbenau, von dem ich mit dem Zug mit Umsteigen in Calau, Leipzig und Naumburg nach 7 Stunden in Jena ankam; ich war noch nie hier gewesen, und kannte niemand in dieser Stadt. Die Immatrikulation fand am nächsten Tag um 10:00 Uhr im Hörsaal 1 des Universitätshauptgebäudes statt. Das war für mich ein bewegender, glücklicher und feierlicher Moment.

Eine von Prof. W. Linss und mir durchgeführte retrospektive Analyse unseres Studienjahres 1955 ergab, dass das Studium der Humanmedizin von 227 Studenten (107 Männer; 47,1 %, 120 Frauen; 52,9%) begonnen wurde; das mittlere Alter betrug 18,8 ± 2,0 Jahre (Median 18; 17-33 Jahre); 21 Studenten waren 17 Jahre, 146 Studenten 18 Jahre, 45 Studenten 19 Jahre, 27 waren 20 Jahre Jahre alt; nur 23 waren 21 Jahre und älter, der älteste 33 Jahre. Drei Kommilitonen waren verheiratet. Zu Studienbeginn gehörten 240 (91,6%) der Freien Deutschen Jugend (FDJ) an, und 12 (4,6%) waren Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).

Nach der Nomenklatur der sozialen Herkunft waren die Studenten Kinder von:

-A1 Arbeiter, A2 Landarbeiter, A3 Genossenschaftsbauern, werktätige Bauern = 135 (51,4%);                                                                                                                          —B4 Angehörige der werktätigen Intelligenz, B5 Angehörige der pädagogischen Intelligenz, B6 Angehörige der freischaffenden Intelligenz = 64 (24,3%);                   —C7 Angestellte in staatlichen Institutionen, C8 Angestellte in sonstigen Institutionen = 56 (21,4%);                                                                                                                   —C9 selbständige Handwerker, C10 selbständige Gewerbetreibende, D11 Freie Berufe = 7 (2,7%);                                                                                                                         D12 Großbauern, D13 Unternehmer, D14 sonstige Personen = 0.

Jeder Student musste bei der Immatrikulation eine Verpflichtungserklärung für eine Tätigkeit nach dem Staatsexamen abgeben.

Aus der ausführlichen Beschreibung der finanziellen Situation der Familie mit einer geforderten Erklärung zur Finanzierung des Studiums leitete sich für die überwiegende Mehrzahl ein Antrag auf Gewährung eines Stipendiums ab. Die beigefügten Bescheinigungen wiesen bei den meisten einen monatlichen Verdienst zwischen 260 und 600 M eines oder beider Elternteile aus, nur bei wenigen wurden 800 M (Intelligenzvertrag, Einzelvertrag u.a.) überschritten.

Ich machte mich auf den Weg nach einer „Studentenbude“ und ging in mehreren Straßen von Haus zu Haus, ohne eine Bleibe zu finden. Die ersten. 4 Wochen wurde ich von der Universität im oberen Saal des “Gasthaus zu den Zwei Linden“ in Löbstedt mit 40 anderen Studenten in Doppelstockbetten untergebracht, danach wurde mir im Studentenheim Zwätzen in einer der neu errichteten Holzbaracken ein Zweibettzimmer mit Doppelstockbett zugewiesen, das ich mit einem Pharmaziestudenten im Vorpraktikum teilte. Im 2. Studienjahr gelang es mir, von einer Kommilitonin, die sich verbessern konnte, ein Zimmer im „Damenviertel“ zu erhalten, in dem auch nach dem Staatsexamen bis 1965 wohnte. Es war ein karg eingerichteter Raum ohne fließendes Wasser, mit einer Schüssel und einem Krug auf einer Konsole; die Toilette war auf der halben Treppe, zunächst „Trockenklo“, wie in den meisten Haushalten, dann mit Spülung. Die Wirtsleute waren nach kurzer Zeit in die Rolle meiner zweiten Eltern geschlüpft und haben mich in vieler Hinsicht unterstützt. Solange sie lebten, blieben wir eng verbunden.

Ich erhielt als Kind einer Angestellten ein Stipendium von 130 M/Monat, ab 1957 140 M/Monat (Arbeiter- und Bauern- Kinder 140/180 M), nach Abschluss des 1. Studienjahres zusätzlich ein Leistungsstipendium von 40 M/Monat. Mit diesem Geld konnte ich bescheiden, auskömmlich und zufrieden leben, die ersten 2 Jahre mit Lebensmittelkarten. Eine Bratwurst vom Rost auf dem Markt bekam man für 100 g Fleisch-oder Zuckermarke und 50 Pfennig.

Das Medizinstudium war strikt in den eher trockenen theoretischen Teil bis zum Physikum und in den lebendigen, faszinierenden klinischen Teil bis zum Staatsexamen geteilt. Der Studienablauf war sehr diszipliniert, ich habe kaum eine Vorlesung geschwänzt und immer eifrig mitgeschrieben, weil es nur wenige Lehrbücher gab. Deshalb habe ich auch sehr viel Zeit im Lesesaal der Universität (damals Rosensäle) verbracht. Nach dem Physikum begann der interessantere Abschnitt der klinischen Ausbildung, wobei in den Vorlesungen meist Falldarstellungen mit Patienten erfolgten, die von dazu aufgeforderten Studenten befragt werden durften, dadurch blieben sehr viele Eindrücke und Erkenntnisse aus der Anamnese und den Befunden beispielhaft im Gedächtnis, an die ich mich später im Beruf erinnert habe. Neben den obligatorischen Vorlesungen wurden auch fakultative Vorlesungen angeboten, die ich zum Teil über mehrere Semester besuchte, wie Röntgendiagnostik von Prof. D. v. Kaiser (damals kein Prüfungsfach!), Funktionelle Pathologie in der Inneren Medizin von Prof. G. Heuchel, Geschichte der Medizin von Prof. B. von Hagen, Psychiatrische Problemfälle von Doz.B. Lange, damals Direktor der Klinik für Psychiatrie in Pfaffenrode-Mühlhausen, anschließend Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie Halle,

1956 versuchte unser Studienjahr, wie auch andere, angeregt durch den Ungarn-Aufstand auf Initiative einiger Studenten, die obligatorischen Veranstaltungen des Gesellschaftswissenschaftlichen Grundstudiums (Marxismus-Leninismus, Politische Ökonomie, Dialektischer und Historischer Materialismus) und für den Russischunterricht abzuschaffen bzw. zu beenden. Im Hörsaal der Anatomie wurde eine Resolution verfasst und der Universitätsleitung übergeben. Die Aktion wurde jedoch von der politischen Leitung der Universität sofort abgebrochen und die „Rädelsführer“ exmatrikuliert, politisch verfolgt und verhaftet.

Sehr gefallen hat mir der obligatorische Sportunterricht für alle Studenten über 4 Semester, der 1990 abgeschafft wurde.

Zum Studium gehörte auch der obligatorische Ernteeinsatz jeweils zu Beginn des Semesters in den ersten beiden Studienjahren, den wir überwiegend auf den Kartoffelfeldern der durch „Republikflucht“ verlassenen Bauernhöfe oder den ersten verstaatlichten Höfen, den kümmerlichen Landwirtschaftlichen Produktionsgesellschaften (LPG) in Thüringer Dörfern, z.B. in Moxa nahe Ziegenrück leisteten. Wir wohnten bei unseren Arbeitgebern, die uns gut versorgten und lernten die bäuerliche Tätigkeit, das Leben auf dem Lande und die zunehmenden politischen Auseinandersetzungen wegen der Enteignung der bäuerlichen Höfe („Zwangskollektivierung“) zur Schaffung einer staatlich gelenkten Landwirtschaft kennen. Wir Studenten aus verschiedenen Regionen der DDR lernten uns bei dieser Gelegenheit wesentlich besser kennen, und daraus entwickelte sich oft eine lebenslange Freundschaft.

Das Pflegepraktikum nach dem 1. und 2. Studienjahr absolvierte ich im Bezirkskrankenhaus in Cottbus, die Famulaturen in den Krankenhäusern in Lübben (Innere Medizin), Cottbus (Innere Medizin, Chirurgie und Sozialheilkunde) und im Bergarbeiterkrankenhaus (SDAG Wismut) Erlabrunn, Erzgebirge (Gynäkologie und Geburtshilfe). Das sozialmedizinische Praktikum absolvierte ich beim Kreisarzt in Cottbus und lernte dort für mich bis dahin unvorstellbare soziale Verhältnis mit Not und Elend und asozialem Verhalten kennen Diese Ausbildung und die Tätigkeiten auf den Stationen haben meine Begeisterung für das erwählte Studium und den künftigen Beruf bestätigt und verstärkt.

Ein Höhepunkt in der Studentenzeit war die 400 -Jahrfeier der Universität 1958; mein Bruder (Student an der Hochschule für Bauwesen in Cottbus) und ich haben den Urlaub an der Ostsee unterbrochen, sind nach Jena gefahren und waren von den Feierlichkeiten, einschließlich des traditionellen Umzugs des Lehrkörpers und der Gäste im Talar, von der Aufführung des „Urfaust“ im Theater und verschiedenen anderen Veranstaltungen sehr beeindruckt und begeistert Die politischen Irritationen um dieses Ereignis mit dem politisch motivierten kurzfristigen Weggang des Rektors Prof. Hämel (Dermatologe) und der raschen Einsetzung des politisch auf der Linie liegenden Prof. Schwarz (Biologe) waren als Mund-zu Mund Nachrichten bekannt, haben jedoch die öffentliche Erscheinung der Feier nicht maßgeblich beeinflusst.

Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin an der Medizinischen und Nervenklinik der FSU Jena

Das Medizinische Staatsexamen schloss ich im Dezember 1960 ab und wollte in Absprache mit meiner Familie gemeinsam mit einem Studienfreund die Pflichtassistenz und die nachfolgende Facharztweiterbildung im Bezirkskrankenhaus Cottbus durchführen. Der Bezirksarzt hatte uns im Rahmen einer Famulatur im „Club der Intelligenz“ mit guten Argumenten geworben. Ich erhielt kurzfristig von der Universität Jena ein Angebot, im Universitätsklinikum in Jena diese Ausbildung vorzunehmen, was ich aus verschiedenen Gründen gern akzeptierte, worüber aber meine Mutter zunächst ziemlich traurig war.

In der Pflichtassistenz war ich in der Klinik für Chirurgie, für Neurologie/Psychiatrie und für Innere Medizin tätig. Prof. W. Brednow, Direktor der Klinik für Innere Medizin und Nervenheilkunde, bot mir eine Weiterbildungsstelle zum Facharzt für Innere Medizin an, die ich hocherfreut annahm; er beantragte sogar eine Freistellung vondem obligatorischen allgemein-ärztlichen Jahr auf dem Land in einer Poliklinik oder Ambulanz, die genehmigt wurde. So wurde ich also Internist!

Unvergesslich ist mir der Sonntag, 13. August 1961, als im Fernsehen zu unserer aller Überraschung der Bau der Berliner Mauer gezeigt wurde und die endgültige Teilung und Trennung zwischen Ost-und Westdeutschland damit besiegelt war. Die leise Hoffnung einer Wiedervereinigung war nun gestorben und die Zukunft mehr als ungewiss und eher düster!

Vor der universitären Genehmigung zur Facharztweiterbildung erhielt ich wie zwei andere meiner Studienfreunde in der Medizinischen Mikrobiologie (A. Stelzner) und in der Anatomie (W. Linß) vom Prorektor für den Wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität die Aufforderung, „umgehend den beigefügten Personalbogen sorgfältig auszufüllen und einen ausführlichen Lebenslauf über ihre Herkunft, ihren Werdegang, ihre gesellschaftspolitische Betätigung und ihre wissenschaftlichen Interessen beizufügen. In diesem Lebenslauf wollen Sie bitte auch im Einzelnen Ihre Tätigkeit in der Pflichtassistenz und ihre Meinung zu den Maßnahmen unserer Regierung und den Ereignissen nach dem 13. August darlegen“. Nach Absprache mit den beiden Studienfreunden habe ich einen „normalen“ Lebenslauf ohne Erwähnung oder Beurteilung des Baus der Berliner Mauer und der Einführung allgemeinen Wehrpflicht abgegeben. Daraufhin erfolgte beim Prorektor eine persönliche Aussprache, bei der ich zu diesen Themen explizit befragt wurde; das Protokoll dazu ist kurz und sehr allgemein abgefasst. Ich durfte meine Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin in Jena nun beginnen.

Am 1. Februar 1961 erhielt ich die ärztliche Approbation und war seitdem bis zum 31.12. 2004 44 Jahre lang begeistert als Arzt in Jena tätig. 1962 wurde ich promoviert.

Das Universitätsklinikum und die Klinik für Innere Medizin Jena 1961-1989

Das Universitätsklinikum und die Theoretischen Institute der vorklinischen Ausbildung waren dezentral in der Stadt verteilt. Die vorklinische Ausbildung erfolgte im Zentrum der Stadt, vor allem im Holzmarkt- Bereich, die klinische Ausbildung und Krankenversorgung in den auf 4 Standorte (Bachstraße, Erfurter Straße, Landgraf- Bereich und Philosophenweg, später noch Lobeda- Ost) verteilten klinischen Einrichtungen. Dies bedeutete eine große Mobilität für Studenten, Patienten und Konsilarien.

Im Folgenden wird vorwiegend die Situation und die Entwicklung der Inneren Medizin, speziell der Nephrologie dargestellt

In der Klinik für Innere Medizin war die Arbeitszeit für Ärzte von 7.30 bis 13:00 Uhr und nach der Mittagspause von 16:00 bis 19:00 Uhr, ab 1963 von 15:00 bis 18:00 Uhr, samstags bis 13:00 Uhr festgelegt. Nach dem Nachtdienst wurde keine Pause genehmigt, er wurde mit 28 M vergütet; der Wochenenddienst dauerte von Freitag früh bis Montagabend ohne jeglichen Ausgang.

Die Klinik hatte für die ausschließlich stationäre Behandlung der Patienten 6 Stationen im Haupthaus, eine Infektionsstation im Nebenhaus (ca. 220 Betten) sowie seit 1950 eine Tuberkuloseklinik im ehemaligen, 1945 schwer beschädigten Gymnasium im Landgrafengebiet (ab 1963 Klinik für Urologie) und die Tuberkuloe-Heilstätte in der Ibrahimstraße zu versorgen; sie verfügte über eine eigene kleine Einrichtung für Röntgenuntersuchungen, Stationslabore, eine kleine Physiotherapieabteilung sowie eine bescheidene Bibliothek und ein Fotolabor.

Anfang der 60er Jahre begann die Aufsplitterung der Inneren Medizin in Spezialgebiete, beginnend mit Disziplinen, bei denen apparative und invasive Methoden zur Diagnostik und Therapie zum Einsatz kamen (z. B. Herzkatheter in der Kardiologie, Endoskopie in der Gastroenterologie, künstliche Niere in der Nephrologie). Bis dahin gab es auf den Stationen in der Bachstraße keine Selektion von Patienten; bis auf die auf der Isolierstation behandelten Infektionspatienten, erfolgte die Behandlung der ganzen Palette internistische Erkrankungen auf jeder Station. Die Ausbildung zum „Generalisten“ der Inneren Medizin verlief nach den Vorgaben der Gesellschaft für Innere Medizin und der „Schule“ des Chefs.

Bis 1964 wurden auf jeder Station in einem kleinen Labor sämtliche Untersuchungen des Blutbildes, der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), des Blutzuckers, des Urins, des Stuhls (unverdaute Nahrungsreste, Blut), des Sputums (Ziehl-Neelsen-Färbung auf Tuberkulose-Erreger) und des Magensaftes (Säureprofil nach Provokation) der Patienten von den Assistenzärzten durchgeführt. Das Methodenspektrum der Laboruntersuchungen war sehr heterogen und häufig zwischen einzelnen Laboren durch unterschiedliche Maßeinheiten nicht vergleichbar. Mit der Entwicklung des Zentrallabors des Klinikums durch den Chemiker Dr. E. Keil wurden die Stationslabore aufgelöst, alle Untersuchungen erfolgten zunehmend mit einheitlichen Methoden und internationaler Nomenklatur zentral. Die Patienten erhielten damals keinerlei Befunde der ärztlichen Untersuchung, der Labor- und Röntgenuntersuchungen etc. in die Hand, die Aufklärung bezüglich ihrer Erkrankung war dürftig.

In der Klinik für Innere Medizin befand sich eine Röntgeneinrichtung, in der von einem Assistenzarzt in Weiterbildung für etwa 2 Jahre alle Untersuchungen des Thorax, der Abdominalorgane, der Nieren einschließlich retrograder Pyelographie (selten), des Skelettsystems u.a. vorgenommen und die Befunde in der täglichen morgendlichen Besprechung unter der Leitung des strengen Chefs allen Ärzten vorgestellt und diskutiert wurden. Ich hatte das große Glück, diese nicht obligatorische Weiterbildung und Tätigkeit ausführen zu dürfen und war damit sowohl in der Labor-wie auch der Röntgendiagnostik kenntnisreich gebildet und erfahren.

Schließlich verfügte die Klinik über ein kleines Röntgenbestrahlungsgerät, mit dem z.B. Lymphknoten, Leber, Milz u.a. bei verschiedenen, vor allem malignen Erkrankungen, wie Morbus Hodgkin wahrscheinlich ziemlich dilettantisch bestrahlt wurden.

Eine kleine Abteilung Physiotherapie war im Keller des Gebäudes untergebracht und wurde von 3 Mitarbeitern mit Angeboten der verschiedenen Massagen, Kurzwelle u.a. betrieben. Wannenbäder mit Kohlensäure, Schwefel, Fichtennadelextrakt etc. wurden in dem einzigen Badezimmer auf jeder Station verabfolgt.

Jeder stationäre Patient unterschrieb bei der Aufnahme eine Einverständniserklärung, dass im Falle des Ablebens eine Autopsie durchgeführt wird. Die Autopsie- Vorstellungen im Institut für Pathologie erfolgten sehr häufig im Beisein beider Chefs der Einrichtungen und waren die beste Gelegenheit der „Qualitätskontrolle“ der ärztlichen Leistungen sowie der Erweiterung/Verbesserung der Kenntnisse und Fertigkeiten.

In dieser Klinik erhielt ich durch die Vorgesetzten und viele Kollegen eine umfassende Ausbildung am Krankenbett und lernte das „Handwerk“ der Inneren Medizin von der Pike auf mit der strikten Maßgabe, die Anamnese ausführlich zu erheben und meine Sinne zu gebrauchen: Perkussion und Auskultation des Herzens, der Lungen und der Gefäße bis zur Vollendung zu beherrschen (z.B.ist das Geräusch über der Mitralis  proto-,meso- oder holosystolisch; welche Qualität haben die trockenen Geräusche oder die Rasselgeräusche über den Lungen etc.?), Tastbefunde der Abdominalorgane zu erheben (ist die Milz vergrößert oder nicht?), den Patienten von Kopf bis Fuß zu untersuchen, einschließlich rektaler Untersuchung beim Mann, den Patienten „vom Platz des Lebens“ (Brednow), d.h. vom Bettende aus von Kopf bis Fuß möglichst unbekleidet zu betrachten und Krankhaftes zu erkennen.

Beginn der Nephrologie in Jena

1961 wurde in der Klinik die Behandlung von akut niereninsuffizienten Patienten mit der künstlichen Niere begonnen. Der erste Oberarzt der Klinik, Prof. G. Heuchel war nephrologisch sehr interessiert (Habilitation 1952 mit dem Thema „Niere und Sepsis lenta. Ein klinischer Beitrag“, 32 Publikationen mit nephrologischen Themen) hatte anlässlich eines Besuches und Vortrages „Veränderungen im Mineralhaushalt bei Nierenkrankheiten“ auf der 44.Tagung der Nordwestdeutschen Gesellschaft für Innere Medizin 1955 in Hamburg Herrn Dr. C. Moeller und dessen neuestes Modell III der Künstlichen Niere kennengelernt und 1959 den Kauf der „Moeller-Niere“ Typ III/2 veranlasst.

Bereits Ende 1948 kam es durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Dr.C. Moeller und der Firma Alfred Hübscher in Hamburg zur Entwicklung der ersten „Künstlichen Niere“ in Deutschland, die dann bis zum Modell IV weiterentwickelt wurde.1962 wurde der Hämodialysator in 35 Universitäts-und anderen großen Kliniken in Deutschland und Europa eingesetzt. Durch den Tod von Dr. Moeller 1965 wurde diese Entwicklung jäh beendet.

Da Prof. Heuchel 1960 die Klinik verließ, um die Chefarztposition im Krankenhaus Saalfeld zu übernehmen, wurde die Nutzung Dr. W. Gerhardt übertragen, der als Autodidakt mit einer Schwester, der eine Hospitation in Rostock erlaubt und ermöglicht wurde, den therapeutischen Einsatz als 3. Zentrum in der damaligen DDR begann. Er gewann mich als Mitarbeiter, und so wurde ich Nephrologe.

Diese Ausbildung wurde ungeplant und unvorbereitet unterbrochen.

„Auslandseinsatz“ (Entwicklungshilfe) im Krankenhaus in Chake-Chake auf der Insel Pemba/Tansania

1964 kam plötzlich vom Ministerium für Gesundheitswesen der DDR die Anfrage für einen Auslandseinsatz in Mali. Der damals kommissarische Chef der Klinik, Prof. W.Remde, überzeugte mich von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer solchen zeitlich begrenzten Tätigkeit, sodass ich dem Ministerium mein Einverständnis mitteilte. Daraufhin erfolgte über Monate eine Überprüfung bezüglich politischer Eignung, Verwandtschaft in der Bundesrepublik, Republikfluchtgefahr etc., am Ende wurde meiner „Delegierung“ ins Ausland zugestimmt. Im Frühjahr 1965 kam die Anfrage, ob ich kurzfristig für den wegen Erkrankung ausgefallenen internistischen Kollegen aus Berlin in Pemba für etwa ein Vierteljahr einspringen könnte; dem stimmte ich zu. Vor dem Abflug in Berlin Schönefeld vereinbarte ich mit dem mir sehr sympathischen Mitarbeiter des Ministeriums, Herrn Buhler, dass bei einer Verlängerung des Aufenthaltes über ein Jahr meine Verlobte nachgekommen kann und wir im Konsulat getraut werden.

Wenige Wochen vor dem Einsatz konnte ich mit viel Mühe das damals in Deutschland einzige zur Verfügung stehende Buch „Tropenmedizin und Parasitologie“ von Ernst Nauck, Hamburg ausleihen und Exzerpte anfertigen; während des 4-tägigen Zwischenaufenthaltes in Kairo auf dem Flug nach Daressalam erwarb ich als erstes das Standardwerk „Synopsis of Tropical Medicine“ von P.H. Manson-Bahr, in dem ich <täglich nach Feierabend las und versuchte, die Probleme des Tages zu klären.

In Chake-Chake engagierten die Ärzte sehr schnell einen Lehrer, der über Englisch Sprachkenntnisse in Suaheli vermittelte, damit der Umgang mit den Patienten erleichtert und nicht nur über einen Dolmetscher vermittelt wurde.

Von Juni 1965 bis Dezember 1966 war ich dann im Auftrag des Ministeriums für Gesundheitswesens im Krankenhaus Chake-Chake auf der Insel Pemba/Tansania tätig. Es handelte sich um ein kleines Krankenhaus in Form von Baracken mit einer Männer-, Frauen-und Kinderstation, einem kleinen Operationsraum sowie einer stark frequentierten Ambulanz, das bis 1964 von englischen Kollegen betrieben wurde.

Nach der Beendigung des britischen Protektorates 1963 führten die revolutionären Umbrüche ab 12.Januar 1964 mit der Vertreibung des regierenden Sultans zur Bildung eines eigenen Staates „People`s Republic of Zanzibar“; nach dem Zusammenschluß mit Tanganyika am 23. April 1964 wurde der neue Staat Tansania gebildet.

Zahlreiche Menschen, darunter auch die englischen Ärzte, wurden des Landes verwiesen. In dieses Vakuum stieß die damals in der ganzen Welt nach Anerkennung suchende DDR mit einer gegenseitigen Anerkennung der Souveränität (erster afrikanischer Staat, der die DDR anerkannt hat!) und mit einem umfangreichen Vertrag von Angeboten der verschiedensten Bereiche der Wirtschaft, Bildung (Lehrer für die Schüler der Lumumba- Oberschule mit Oxford-Abschluss), des Finanzwesens, des Wohnungsbaus (einstöckige Wohnhäuser in Sansibar),der Staatssicherheit etc., die zum Teil nicht realisiert werden konnten. In dem Vertrag war auch die Ausstattung und Betreibung des Krankenhauses in Chake-Chake und in Wete eingeschlossen. Die einmalige Ausstattung betraf die Versorgung mit Bettwäsche und Schlafanzügen für die Patienten, eine Ausrüstung mit Operationsinstrumenten und Verbrauchsmaterialien, wie Spritzen etc., die Einrichtung eines kleinen Labors sowie eine Röntgenkugel für Übersichtsaufnahmen des Thorax, des Abdomens und des Skelettes.

Das Ärzteteam bestand aus einem Chirurgen, Internisten, einer Kinderärztin (Frau Dr. Ruth Radvanyi, Tochter von Anna Seghers) und einer Gynäkologin. Der Chirurg war sowohl für das im Norden befindliche Krankenhaus in Wete als auch das in Chake-Chake (Distanz ca. 30 Km) zuständig. Zur Aufgabe des Internisten gehörte auch die Betreuung einer großen Tuberkulosestation außerhalb des Krankenhauses mit Patienten mit einer vorher nie gesehenen ausgedehnten offenen Lungentuberkulose, die wöchentliche Vorstellung von Patienten in kleinen Ambulanzen im Süden des Landes, die regulär von Arzthelfern versorgt wurden und sporadisch der Besuch eines Leprosoriums außerhalb des Krankenhauses. In der Urlaubszeit musste er über mehrere Wochen die Kinderärztin wie auch die Gynäkologin bezüglich geburtshilflicher Probleme vertreten. Die Stationen wurden von je einer deutschen Schwester geleitet, im Labor wurden von einer deutschen MTA Routineuntersuchungen zur Blutgruppenbestimmung und Diagnostik häufiger Infektionskrankheiten, wie Malaria, Filariose, Bilharziose, Tuberkulose u.a. durchgeführt.

In den ersten zwei Jahren wurde die Verwaltung von einem Mitarbeiter aus dem Klinikum in Berlin-Buch, Herrn Elling, geleitet, der auch politische Aufgaben erledigte. Als „Nichtgenosse“ durfte ich an den wöchentlichen Parteibesprechungen nicht teilnehmen und erfuhr auch wenig über die besprochenen Probleme und Beschlüsse.

Jeder Arzt erhielt im reservierten Viertel Tibirinzi der Insel, wo sich auch das Gästehaus der Regierung befand, unentgeltlich ein kleines Wohnhaus mit einer spartanischen, aber in jeder Hinsicht ausreichenden Einrichtung, mit einem Telefon und einem Nebengebäude für die häusliche Hilfskraft, die gegen Bezahlung von der Jugendorganisation ausgewählt wurde.

Die Vergütung erfolgte mit ostafrikanischen Schilling, die bis Ägypten konvertierbar waren, wie für jeden Mitarbeiter des Krankenhauses, durch das Gesundheitsministerium in Sansibar monatlich in bar, sie war bedeutend besser als das Gehalt in Jena.

Die guten und erfolgreichen medizinischen Leistungen wurden bald anerkannt und gewürdigt, insbesondere die komplikationslosen chirurgischen Eingriffe sprachen sich rasch herum, sodass für Routineeingriffe lange Wartelisten erstellt werden mussten. In prophylaktischer Hinsicht bemühten wir uns um die Verhinderung des Neugeborenen-Tetanus durch Aushändigung steriler Materialien zur Versorgung der Nabelschnur nach der häuslichen Entbindung, um die Verbesserung der hygienischen Bedingungen (Latrinenbau mit leeren DDT- Fässern, Aufklärungsveranstaltungen etc.).

Nach der Beendigung der Tätigkeit von Frau Dr. Radvanyi wurde mir die Leitung des Krankenhauses übertragen. Diese Zeit in Afrika hat mich für mein ganzes Berufsleben geprägt und ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl, aber auch für Mut sowie Sicherheit bei Entscheidungen und Maßnahmen gegeben.

Vierteljährlich war für das Ministerium für Gesundheitswesen der DDR ein Bericht mit Ergebnissen der Arbeit, Problemen und Hilferufen bezüglich der fachlichen Tätigkeit aber auch privater Probleme abzugeben, der über die Diplomatenpost verschickt wurde.

Die Verantwortung für das Militär, die Sicherheit, den Hafen u.a. für die beiden Inseln übernahmen die Sowjetunion und China. Von China wurden auch die Ärzte für das Regierungskrankenhaus in Sansibar gestellt, als der Chirurg aus Dresden nach einem Jahr seine Tätigkeit 1965 beendete. Mit diesen Kollegen konnte kein Kontakt hergestellt werden, es war von beiden Seiten offensichtlich nicht erwünscht. Wenn wir durch das Konsulat als Konsiliararzt zu DDR-Patienten in dieses Krankenhaus gerufen wurden, konnten wir den Patienten untersuchen und Empfehlungen aufschreiben, ein Kontakt, Absprachen oder eine Zusammenarbeit waren nicht möglich. Bei einem Besuch der chinesischen Kollegen auf der Insel Pemba stellten wir ihnen eines unserer Ambulanz- Autos zur Verfügung; den Chevrolet und den Landrover lehnten sie als westliche Fahrzeuge ab, die Skoda-Ambulanz wurde akzeptiert; ein Treffen und Gespräch kamen nicht zustande.

Kontakte zu westlichen Auslandsvertretungen wie auch enge Verbindungen zur Bevölkerung waren ebenfalls nicht erwünscht/verboten. Wir haben uns über diese Anordnung gegenüber den Vertretern der WHO, die das Malaria-Eradikierungsprogamm auf den Inseln Sansibar und Pemba durchführten, hinweggesetzt und sowohl mit dem Generalvertreter, dem südkoreanischen Arzt Dr.Kim in Sansibar und den zeitlich befristet tätigen regionalen Beauftragten für Pemba, die in einem Nachbarhaus wohnten (ein Franzose, ein Libanese und ein Belgier) einen kollegialen und freundschaftlichen Kontakt gepflegt. Im Ergebnis ihrer Arbeit haben wir zwar noch unter einem Moskitonetz geschlafen, die Malariaprophylaxe aber abgebrochen.

Zweimal nahmen mich drei junge Lehrer zum Schnorcheln und Harpunieren von Fischen und Lobster mit, einmal waren wir zu einem Abendessen bei Einheimischen eingeladen.

An einigen Sonntagen mieteten wir ein großes Motorboot, mit dem alle nicht Diensthabenden zu den berühmten Korallenriffen fuhren und durch Schnorcheln und Tauchen eine einmalige Unterwasserfauna und zahlreiche Fischarten und andere Tiere beobachten konnten, das sind bleibende Erlebnisse.

Im März 1966 fand im Konsulat der DDR in Sansibar durch den Vizekonsul Stein die standesamtliche Trauung mit meiner Verlobten, Gabriele Steiding, statt, die das Medizinstudium nach dem Physikum für ein Jahr unterbrochen hatte. Ich habe aus Dankbarkeit auf den zustehenden 4-wöchigen Urlaub in der DDR verzichtet; stattdessen haben wir eine einwöchige Hochzeitsreise auf das Festland unternommen, sind nach Tanga geflogen, mit dem Nachtzug über Moshi nach Arusha gereist und haben von dort aus eine individuelle Safari zum Lake Manyara, dem Ngorongoro- Krater und der Serengeti unternommen. Die Rückreise erfolgte über Daressalam, Sansibar nach Pemba.

Zu meiner Verabschiedung fand auf dem Tennis Court eine von dem DDR-Konsulat großzügig ausgerichtete Party mit Tanz statt, an der auch einige Minister der Regierung teilnahmen.

Am 16. Dezember 1966 war ich nach einem 3-tägigen Zwischenaufenthalt in Kairo und Luxor wieder in Jena und begann am 2. Januar 1967 meine Tätigkeit in der Klinik, die am 31. Dezember 2004 endgültig endete.

Einige Verwandte, Freunde und Kollegen waren überrascht, dass wir nicht „abgehauen“ waren, sondern zurück in die in der gekommen sind. Diese Gedanken hatten uns tatsächlich nicht beschäftigt, weil wir eine sehr enge Familienbindung hatten und erdverbunden waren, aber auch ohne tägliche Nachrichten und Propaganda und fern ab von der täglichen Realität die Hoffnung bestand, dass sich die Lebensbedingungen verbessern würden. Diese Überlegungen wurden durch Gespräche mit hohen Parteifunktionären anlässlich ihres Besuchs in Pemba mit Sätzen wie, „wenn die DDR erst einmal Mitglied der UNO ist, wird alles viel besser…“ genährt.

Wir hatten etwas Geld gespart, um uns ein kleines Auto (Opel Kadett, Skoda o.ä.) zu kaufen, die Anträge beim Ministerium wurden jedoch abgelehnt; ein Konto durfte nicht angelegt werden. So haben wir in Kairo die in Europa nicht konvertierbaren ostafrikanischen Schillinge in englische Pfund umgetauscht und in einer leeren Zahnpastatube nach Hause „geschmuggelt“; mit diesem Geld oder nach Umtausch in die 3. Währung in der DDR, „Forumschecks“, konnte die eine oder andere Kleinigkeit im Intershop in der DDR gekauft werden.

Entwicklung der Nephrologie in Jena, Subspezialisierung für Nephrologie

1968 schloss ich die die Facharztweiterbildung ab und beschäftigte mich fortan vorwiegend mit den fachlichen und wissenschaftlichen Problemen nephrologischer Krankheiten.

  1. Gerhardt hatte 1967 im Rahmen einer Hospitation in der Charite die Nierenbiopsie und den Einsatz der Peritonealdialyse erlernt und in Jena eingeführt. Ab 1968 wurde die Anzahl der ärztlichen und pflegerisch tätigen Mitarbeiter im nephrologischen Arbeitsbereich erweitert. Die Station Nord 2 wurde zu einer erstmals gemischten Frauen-und Männerstation eingerichtet, auf der vorwiegend nierenkranke Patienten behandelt wurden. Eine ambulante Nachsorge („Dispensairebetreuung“) für Patienten nach Nierenbiopsie sowie mit chronischer Niereninsuffizienz, Harnwegsinfektion und Hypertonie wurde von mir und Schwester Susanne Fritze im Arztzimmer der Station eingerichtet. Eine ambulante Behandlung in der Klinik gab es bis dahin prinzipiell nicht, sie erfolgte in der Medizinischen Poliklinik.

1978 wurde die Station Nord 1 gegen den Widerstand der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin in der Chirurgischen Klinik zur ersten internistischen Intensivtherapiestation mit angrenzendem Dialysezentrum umgebaut, wodurch eine Erweiterung der Kapazität auf 4-8 (Sitzdialyse) Plätze zur Behandlung akuter, aber zunehmend auch chronisch niereninsuffizienter Patienten als langzeitiges Nierenersatzverfahren mit der Option einer möglichen Nierentransplantation erreicht wurde. Dennoch war die Ablehnungsquote behandlungsbedürftiger Patienten besonders im höheren Lebensalter oder mit Begleiterkrankungen, z.B. Diabetes mellitus, wie überall, sehr hoch.

Um eine möglichst gerechte Entscheidung fällen zu können, entstanden in den USA Komitees (z. B. in Seattle), die sich aus Ärzten, Priestern, Rechtsanwälten und Hausfrauen zusammensetzten; sie entschieden, welcher Patient den Dialyseplatz bekommen sollte. Es war eine Entscheidung in letzter Instanz, und sie bedeutete Leben oder Tod. In deutschen Kliniken waren es die Leiter der Dialyseabteilungen, die diese schwere Entscheidung allein zu treffen hatten.

Bei uns galten als Auswahlkriterien für die Aufnahme eines Patienten auf die Warteliste: „Nicht älter als 45 Jahre, keine Zweiterkrankung wie z. B. Diabetes mellitus, eine stabile psychische und soziale Situation; zum Teil wurde auch die Transplantationsfähigkeit einbezogen“.

Nachdem die Moeller-Niere nicht mehr produziert wurde, die in der Sowjetunion entwickelte künstliche Niere unhandbar war und der Import von westlichen Geräten aus finanziellen Gründen nicht realisiert werden konnte, wurden in der DDR eigene Dialysegeräte entwickelt („Störfreimachung“).

Die „Künstliche Niere“ Aue I 1965 war ein Flachdialysator im Piacrylgehäuse, der von Dr. W. Kaden, Chefarzt der Urologischen Klinik des Wismut Krankenhauses in Aue, der Fa. Scheibner in Bernsbach, dem Leiter des Forschungslabors der Chirurgischen Klinik Halle, Dr. M.Richter und dem Chemnitzer Ingenieur G.Fechner entwickelt wurde.  Die „Künstliche Niere“ Aue II 1967 war ein weiterentwickeltes Kompaktgerät mit einer im VEB Meßgerätewerk Zwönitz entwickelten Elektronik. Anfang der 70er Jahre kam die „Künstliche Niere“ KN 301 mit einer Umstellung auf Spulendialysatoren, die vom VEB Keradenta-Werke Radeberg unter Nutzung von „Nephrophan“-Schläuchen des VEB Film- und Chemiefaserwerk Wolfen entwickelt wurden, zum Einsatz.  Später wurde dieses Gerät – dem internationalen Trend folgend –auf Kapillar-Dialysatoren umgerüstet. Die Hohlfasern dafür bezog Keradenta aus dem VEB Kunstseidenwerk Pirna.Es folgten schließlich 1981 die „KN 401“ aus dem Messgerätewerk Zwönitz und den Technisch-physikalischen Werkstätten Thalheim und 1988 die „KN 501“ aus Thalheim – das letzte in der DDR entwickelte, dem internationalen Standard durchaus vergleichbare Dialysegerät. Mit all diesen Geräten haben wir im Jenaer Dialysezentrum gearbeitet. Wesentlicher, wahrscheinlich entscheidender Motor dieser Entwicklung war Prof. H. Klinkmann, Direktor der Klinik für Innere Medizin Rostock und Leiter und Koordinator der Hauptforschung (HFR-M28) „Künstlicher Organersatz und Biomaterialien“; wir bearbeiteten in diesem Projekt den Themenkomplex „Detoxikation“ mit in-vitro und  in-vivo Untersuchungen zur Dialysance und Adsorption mittels Adsorbentien (Kunstharze, wie Amberlite, Aktivkohle, verkohlte Harze etc.) verschiedener toxischer Substanzen und Arzneimittel.

Es herrschte ein Materialmangel auf verschiedenen Gebieten der Medizin, Einwegmaterial gab es so gut wie nicht, Aufbereitung und Wiederverwendung waren häufig die Regel. In der Dialyse wurden die zentralen Venenkatheter für Vv. femoralis, subclavia und jugularis aus Materialien für die Herzkatheteruntersuchung von den Schwestern hergestellt, gezogen, mehrere Öffnungen ausgestanzt und mit einer Konnektion versehen.

Die Nadeln für die Hämodialysebehandlung (dreimal pro Woche je 2 Nadeln zur Blutzirkulation mit einem Volumen von 200-300 ml/min) waren ziemlich grob, unscharf und bereiteten beim Stich erhebliche Schmerzen. Mehrere Versuche, eine diesbezügliche Besserung durch Kooperation mit der Firma Carl Zeiss Jena oder dem Fachbereich Technologie und wissenschaftlicher Gerätebau der FSU herbeizuführen, blieben frustran; Abhilfe kam erst Ende der 80er Jahre durch Importe aus der BRD.

Die importierten Kapillar-Dialysatoren der Firma Cordis Dow Artificial Kidney (seit Mitte der 70er Jahre auf dem Markt). Erhielten wir ab 1986 gönnerhaft und sporadisch in kleinen Mengen von unseren Kollegen aus der Klinik in Rostock, wurden aus Devisengründen eine Zeit lang nach Wiederaufbereitung mehrfach (4-10-mal) verwendet, obwohl klar war, dass damit die Oberfläche verkleinert und die Dialysance verringert werden, was durch eine Verlängerung der Behandlungszeit auszugleichen war. Die oben erwähnten in DDR-eigener Produktion hergestellten Kapillardialysatoren waren technisch nicht so ausgereift, die definierte Oberfläche, Porengröße etc. und damit die vom Hersteller vorgegebenen Dialyance- und Clearancewerte oft abweichend, meist geringer und damit der Therapieeffekt niedriger.

Anfang der 1970er Jahre wurde in Jena ein neues Städtisches Krankenhaus mit mehreren klinischen Abteilungen geplant. In Absprache der Stadt mit der Universität wurde dann jedoch festgelegt, dass in Jena die stationäre Behandlung ausschließlich von der Universität und die ambulante Behandlung von der Stadt unter Beibehaltung der Polikliniken des Universitätsklinikums realisiert wird. Damit wurde der ursprüngliche Plan umgewandelt und eine Klinik für Innere Medizin als 1. Bauabschnitt eines künftigen Gesamtklinikums auf der Vorbehaltsfläche der Universität in Lobeda-Ost errichtet.

Im Dezember 1980 konnte der Neubau der Klinik für Innere Medizin nach 5-jähriger Bauzeit bezogen werden. Hier wurden die Fachabteilungen sowohl der Klinik für Innere Medizin als auch des Städtischen Krankenhauses Jena in 2 Kliniken mit insgesamt 10 Stationen a´ 39 Betten und einer Internistischen Intensivtherapiestation mit 10 Betten untergebracht.

Die Klinik für Innere Medizin I umfasste die Abteilungen für Hämatologie/Onkologie, Gastroenterologie, Infektiologie, Diabetes und Stoffwechselerkrankungen sowie Medizinische Psychologie/Psychotherapie unter Leitung von Prof. D.Jorke; die Klinik für Innere Medizin II die Abteilungen für Kardiologie, Internistische Intensivtherapie, Rheumatologie, Pneumologie, Nephrologie unter der Leitung von Prof. G.Wessel.

Während in den alten Kliniken in der Bachstraße und den anderen Standorten die Unterbringung der Patienten zum Teil sehr schlecht, auch unwürdig war (große Zimmer mit vielen Betten, in der Chirurgie Säle mit 30 Betten, sanitäre Gemeinschaftseinrichtungen auf der Station) waren in der neuen Klinik die 3 Einbettzimmer sowie alle 4- Bettzimmer jeder Station komfortabel mit eigener sanitärer Einrichtung, aber ohne Telefon und Fernsehen ausgestattet. Fernsehen (nur DDR-Fernsehen, für prominente Patienten auf Wunsch auch Westfernsehen, z.B. für Sportsendungen Fußballtrainer G. Buschner) war nur im Aufenthaltsraum der Station möglich. Jeder Patient konnte über das Kopfkissenradio einen DDR-Radiosender hören, zudem gab es eine Wechselsprechanlage zum Raum der Stationsschwester.

Alle internistischen Disziplinen verfügten jetzt über ambulante Einrichtungen der Diagnostik und Therapie (zum Teil im Gebäude der Baustelleneinrichtung untergebracht), die 1985 nach Auflösung der Medizinischen Poliklinik in der Bachstraße und Eingliederung der Mitarbeiter personell erweitert wurden; in der Nephrologischen Abteilung betraf es Frau Dr. Jansa, die fortan die Konstante in der ambulanten nephrologischen Betreuung wurde. Daneben wurden Spezialsprechstunden für Patienten mit entzündlichen Nierenerkrankungen, angeborenen Nierenleiden, chronischer Niereninsuffizienz, nach Nierentransplantation, mit Hypertonie u.a. von den Oberärzten und dem Chef durchgeführt.

In einem Anbau waren eine moderne Röntgendiagnostik mit einem Rechtsherzkathetermeßplatz, das Zentrallabor und eine (zu) großzügige Physiotherapie untergebracht.

Die Kapazität zur Behandlung von chronisch niereninsuffizienten Patienten mittels Hämodialyse und Peritonealdialyse wurde auf 15 Behandlungsplätze erweitert und mit Geräten (Künstliche Niere Aue I 1965, Aue 2 1967, Künstliche Niere KN 301 1972, KN 401 1981, KN 501 1988;) und Dialysatoren (Schläuche zum selbst belegen, Spulendialysator von ORWO Wolfen, Kapillardialysatoren) ausgestattet. Damit konnte die restriktive Eingliederung von Patienten in diese Behandlung gelockert und weniger Patienten mussten ausgeschlossen werden. Dies war im Vergleich zu anderen Regionen in der DDR eine für Patienten und Ärzte komfortablere Situation. Zusätzlich wurden die extrakorporale Behandlung von Intoxikationen mittels Absorption und für immunologische Erkrankungen mittels Plasmapherese bzw. Immunadsorption möglich. Damit war diese Abteilung auf einem modernen Stand der Therapie.

Die Nierentransplantation war bis 1990 auf drei Zentren in Berlin, Rostock und Halle begrenzt. Die Nieren-bzw. Dialysezentren hatten die Aufgabe der Patientenauswahl und Platzierung auf einer zentralen Warteliste und die Nachbetreuung nach Nierentransplantation: und sie mussten darüber hinaus in den ersten Jahren auch bei der Organentnahme in den regionalen Krankenhäusern durch das Team der Urologischen Klinik aktiv mitwirken.

Ausstattung und Leistungen in ausgewählten Einrichtungen des Klinikums

Das Universitätsklinikum Jena war bezüglich der Ausstattung mit modernen Geräten der Diagnostik und Therapie  eine nicht bevorzugte Einrichtung der DDR.

Erst Mitte der 80er Jahre wurde ein Computertomograf im Röntgeninstitut in der Bachstraße installiert; der Direktor des Instituts für Röntgendiagnostik, Prof. U. Baudisch sagte bei der Einweihung sarkastisch, dass „Jena als letzte Universitätsstadt einen Eisenbahnanschluss erhielt, ohne den die Universität wahrscheinlich nicht weiter existiert hätte und als letzte universitäre medizinische Einrichtung der DDR einen Computertomografen erhielt“. Die internistischen Patienten mussten zu dieser Untersuchung von Lobeda in die Bachstraße transportiert werden.

Das einzige Ultraschallgerät für die ca. 2200 Betten des Klinikums befand sich in der Medizinischen Poliklinik in der Bachstraße (OA. R. Römer), wurde vorwiegend in der Gynäkologie und Geburtshilfe eingesetzt und stand den anderen Kliniken nur selten zur Verfügung.

Das Zentrallabor hatte einen Automatisierungsgrad von ca. 20 %, die Laborarbeiten wurden vielfach von Hand von über 150 MTA und ca. 15 Akademikern (Chemiker, Physiker, Biologen) verrichtet. Daneben gab es zwei selbständige, spezialisierte Labore in der Klinik für Neurologie zur Liquordiagnostik und in der Klinik für Chirurgie zur Spurenelementdiagnostik.

Die Behandlung mit modernen Medikamenten, z.B. Cyclosporin für erwachsene nierentransplantierte Patienten, AEC- Hemmer für Hypertoniker (Captopril durfte nur der Bezirksnephrologe für ausgewählte Patienten rezeptieren), neue Antibiotika u.a. war auch im Universitätsklinikum nicht oder nur eingeschränkt möglich.

Der universitäre Charakter der Klinik wurde nicht ausreichend berücksichtigt; es wurde zwar im Nachgang für 5 Millionen M ein Hörsaal angebaut, aber es standen zu wenig Seminarräume zur Verfügung. Die Seminartätigkeit musste vorwiegend auf den Stationen im Aufenthaltsraum der Patienten durchgeführt werden.

„Grundlegende Leistungen und Ergebnisse des „Bereiches Medizin“ aus dem Jahr 1989“:

Die 77 Stationen der Kliniken verfügten über 2045 geplante Betten, die Auslastung betrug 70,4 %; tatsächlich waren 1897 Betten belegbar, deren Auslastung betrug 75,8 %; 148 Betten waren gesperrt.

Die Anzahl stationärer Behandlungsfälle betrug 33.678, die durchschnittliche Verweildauer 15 Tage;

Ambulant erfolgten 245.127 Erstkonsultationen, 717.725 Konsultationen, versorgt von 80 Mitarbeitern.

Insgesamt waren 3575 Arbeitskräfte beschäftigt, darunter                                                                  471 Ärzte (darunter 174 Frauen, teilbeschäftigt 22, davon 18 Frauen)

48 ordentliche Professoren, 48 Hochschuldozenten, 19 a.o. Professoren, ein Honorarprofessor, 4 Honorardozenten;

184 wissenschaftliche Assistenten im befristeten Arbeitsverhältnis, 407 wissenschaftliche Mitarbeiter unbefristet, 44 Lektoren und Lehrer im Hochschuldienst;

782 sonstiges Heilpersonal, 1.435 mittleres medizinisches Personal, 529 medizinisches Hilfspersonal.

Zahnärzte 88, darunter 36 Frauen; Apotheker 19, darunter 16 Frauen

1989 wurde die Anzahl der Mitarbeiter der Militärischen Abteilung von 3 auf 5 Personen erhöht.

Verwaltungspersonal 163, Betriebspersonal 514, Wirtschaft-und Betreuungspersonal 139, Personal für Betriebswirtschaft und Betreuung 675 Personen.

In den medizinisch-theoretischen Instituten waren 124 Ärzte und Zahnärzte, 86 Apotheker, 128 mittleres medizinisches Personal, 102 medizinisches Hilfspersonal und 44 Verwaltung-, Betriebs-, Wirtschaftspersonal tätig.

1989 studierten an der FSU Jena insgesamt 4.523 Studenten, davon 673 Mathematik/Naturwissenschaften, 485 Technische Wissenschaften, 262 Wirtschaftswissenschaften, 509 Philosophie ,,Historische Wissenschaften, Staats- und Rechtswissenschaften, 126 Theologie, 37 Literatur-und Sprachwissenschaften, 1.232 Diplomlehrerausbildung.

Von den 1.218 Medizinstudenten waren 670 (55 %) weiblich.

An der FSU wurden 201 Promotionen-A abgeschlossen, darunter 107 im Bereich Medizin, davon 50 Frauen; die Promotion-B (Habilitation) schlossen 59 Wissenschaftler ab, davon 7 im Bereich Medizin, darunter eine Frau.

Probleme bei Investitionen und Ausrüstungen des „Bereiches Medizin“

Die Investitionen für Bau und Ausrüstungen beliefen sich 1989 auf 7.056 Mio. M; plus 2.706 Mio. M für themengebundene Grundmittel der Forschung wurde eine Gesamtsumme von 9.763 Mio. M (klinischer Bereich 7.487, nichtklinischer Bereich 2.275 Mio. M) aufgewendet.

Von 1974 -1977 war ich als Beauftragter des Medizinischen Direktors des Bereiches Medizin der FSU Jena für die Medizinische Fachschule Jena, von 1977-1979  unter der Leitung von Prof. D. Stech, nachfolgend Prof. J.Schneider als Stellvertreter tätig und in dieser Funktion Mitglied der sog. Gerätekommission des Bereiches Medizin, einer kleinen Gruppe bestehend aus Ärzten, Naturwissenschaftlern und Fachleuten aus der Verwaltung ,geleitet von  Oberassistent Dr.rer.nat.Kriester, Mitarbeiter der Klinik für Strahlentherapie. Im Herbst jeden Jahres wurde von dieser Kommission die Wunschliste aller Einrichtungen bezüglich Investitionen für Geräte der Diagnostik und Therapie sowie der Forschung für das nächste Jahr gesichtet und eine Rangfolge als Empfehlung für die Leitung des Klinikums erarbeitet. Geplant war meist ein Betrag von 2 Mio. M, die Summe der Wunschlisten erreichte meist >20 Mio. M, darunter die besonders teuren Geräte der Röntgendiagnostik und Strahlentherapie. Für Importgeräte aus dem nicht sozialistischen Währungsgebiet (Devisen) war der Betrag um den Faktor 4 zu erhöhen. Für die Einrichtungen bestand unter diesen Bedingungen keine Sicherheit der Planung, ob eine Bestellung erfolgte und wann mit der Lieferung zu rechnen ist, war ungewiss; manchmal erfolgte die Lieferung erst nach mehreren Jahren.

Der schlechte bauliche Zustand der Gebäude, die mangelhaften hygienischen und sanitären Einrichtungen sowie der zum Teil niedrige Stand der Ausrüstung mit modernen diagnostischen und therapeutischen Geräten in den Kliniken wie auch die Ausstattung der wissenschaftlichen Arbeitsplätze in den Theoretischen Instituten war offensichtlich und allen geläufig.

Wissenschaftliche Beziehungen der FSU Jena mit dem Ausland

Der fachliche und wissenschaftliche Austausch mit Einrichtungen und Kollegen im Ausland war sehr begrenzt. Im statistischen Jahresbericht 1989 der FSU (keine Differenzierung für die einzelnen Fakultäten und Bereich Medizin!), erstellt vom Büro für Planung und Datenverarbeitung, ist nachzulesen, dass für die wissenschaftlichen Beziehungen zum sozialistischen Ausland ein Fond von 67.300 M geplant und davon 56.600 M ausgegeben wurden.

1989 reisten bei einer Devisenplanung von 43,1 TM 628 Mitarbeiter in sozialistische Länder, darunter Sowjetunion 205, CSSR 150, Polen 109, Ungarn 95, Bulgarien 47.

In nicht sozialistische Länder reisten 602 Mitarbeiter der FSU, darunter 337 in die BRD, 66 nach Berlin-West, Österreich 41, England 36, Frankreich 48, Italien 20, Schweiz 14, USA 9, Japan 4; nach China und Indien 0.

Aus den sozialistischen Ländern besuchten 846 Personen die FSU, darunter aus der Sowjetunion 319, aus Polen 200, aus der CSSR 132, aus Ungarn 88, aus Bulgarien 55, aus Rumänien 25, aus Jugoslawien 16, aus China 9, aus Kuba 2 Personen.

Aus den nicht sozialistischen Ländern besuchten 971 Personen die FSU, darunter BRD 494, Berlin- West 54, USA 113, Schweiz 55, Österreich 48, England 43, Frankreich 28, Italien 29, Japan 19, Schweiz 14 Personen.

Für die Finanzierung von Reisen in die nicht sozialistischen Länder sind keine finanziellen Kennziffern angegeben; die Finanzierung erfolgte wahrscheinlich im Rahmen der zentralen Genehmigung in Berlin.

Diese niedrigen Zahlen sind nicht nur Ausdruck der zu geringen finanziellen Mittel für die Teilnahme an Kongressen, für Hospitationen und wissenschaftliche Kooperationen auch im sozialistischen Ausland, sondern auch Ausdruck einer häufig nicht vorhandenen Attraktivität. Dies galt in unserem Fachbereich auch für die damalige Sowjetunion, wie Erfahrungen unserer Mitarbeiter in Moskau und Kiew gezeigt haben.

Für den nicht sozialistischen Währungsbereich waren der Mangel an Devisen aber auch ein mangelndes Vertrauen (vertritt die Person unsere Positionen, kommt sie zurück etc.?) ursächlich.

Soziale Aufgaben und Probleme der FSU Jena

Alle größeren Betriebe in der DDR waren auch zuständig für eine ganze Reihe von sozialen Leistungen für die Mitarbeiter, wie Kindergarten, Feriengestaltung, Wohnraumbeschaffung etc.

Für alle Mitarbeiter der FSU standen 1.342 FDGB-Ferienplätze zur Verfügung, darunter 332 Plätze in betriebseigenen Ferieneinrichtungen (Trassenheide, Georgenthal, Bakenberg, Siegmundsburg, Steinheid, Finnhütte Porstendorf), sie wurden von 2.365 Personen genutzt. 115 Auslandsplätze in der UdSSR, VR Polen, Ungarn, Bulgarien, CSSR wurden von 132 Personen genutzt. Generell hatte jeder Mitarbeiter der Universität alle 6 Jahre ein Anrecht auf einen FDGB-Ferienplatz für 14 Tage; wann und wohin die Reise geht, war nicht planbar. Damit war die jährliche Gestaltung der Ferienzeit sehr problematisch, zumal es so gut wie keine Hotels und nie ausreichend, zum Teil unzumutbare Privatunterkünfte gab.

Die Wohnungsvergabe 1989 weist aus, dass 488 Mitarbeiter der Universität, davon 298 des Bereiches Medizin als dringlich Wohnungssuchende gelistet waren; 232 Probleme, davon für 105  Mitarbeitern des Bereiches Medizin konnten gelöst werden.

Von den Mitarbeitern wurden insgesamt 64.164 Überstunden geleistet, davon mittleres medizinisches Personal 18.428, medizinisches Hilfspersonal 5.963, Betriebs- und Wirtschaftspersonal 39.777; für das wissenschaftliche Personal und für die Verwaltung sind keine Angaben gemacht worden.

Wissenschaftliche Arbeit –  Möglichkeiten und Grenzen

Eine wissenschaftliche Tätigkeit war in den 1960er Jahren nur begrenzt möglich, nicht nur aus zeitlichen Gründen wegen der umfangreichen Aufgaben in der Krankenversorgung und in der studentischen Ausbildung, sondern wegen der in allen Einrichtungen nicht oder nur begrenzt vorhandenen Möglichkeit, bildgebende Verfahren, Laboruntersuchungen und invasive diagnostischen Maßnahmen in klinischen und wissenschaftlichen Fragestellungen zu nutzen. Es dominierten klinische Fallbeschreibungen.

Die Situation bezüglich der Laboruntersuchungen besserte sich nach der von der Leitung des Bereiches Medizin der FSU Jena beschlossenen Zusammenführung fast aller Laborkapazitäten (Ausnahme Liquorlabor der Klinik für Neurologie und Psychiatrie, Leiter PD H. Kluge und Labor der Chirurgischen Klinik zur Spurenelementanalyse, Leiter PD K. Winnefeld) und der Etablierung des Zentrallabors durch Dr. E. Keil, der zum Leiter und nach der Habilitation auch zum Professor berufen wurde. Allerdings blieb die zersplitterte räumliche und karge gerätetechnische Ausstattung zunächst erhalten. Die Stationslabore wurden geschlossen. Mit Bezug des Neubaus neben der Medizinischen Klinik in Jena-Lobeda und verbesserter gerätetechnischer Ausrüstung konnte die Palette der Parameter erweitert und die Logistik durch kurze Wege verbessert werden.

Ein Forschungslabor existierte 1961 in der Klinik für Innere Medizin nicht. Es herrschte kein wissenschaftliches Klima, keine herausragende Thematik, vielmehr galt die Devise des Klinikdirektors Prof. W. Brednow „Jeder für sich, Gott für uns alle“, womit eine wissenschaftliche Zusammenarbeit im Team nicht erwünscht war. Sehr wohl hat er uns zur wissenschaftlich fundierten fachlichen Arbeit angehalten, wobei der „Kranke und seine Krankheit“ ausschließlich im Blickpunkt zu halten waren, die eine oder andere Anregung in schriftlicher Form auf einem kleinen Zettel ins Fach gelegt; darüber hinaus hat er uns als Humanist, Ethiker und fundierter Kenner der Literatur immer wieder angehalten, diese Aspekte in unsere Tätigkeit und in das Leben generell einzubeziehen. Zu seinen Lieblingen gehörten die chinesischen Philosophen Laotse und Konfuzius, Schriftsteller (Goethe, Rilke, Stifter, russische Autoren, die er in Originalsprache las, und viele andere); politisch war er kein Freund der kommunistischen Ideen, die SED war für ihn „eine Partei unehrenhafter Männer“. Er war kein bequemer Chef, eine straffe Organisation, peinliche Ordnung, Pünktlichkeit und Sorgfalt charakterisierten seinen Arbeitsstil.

Ein Forschungslabor wurde Ende der 60er Jahre nur für die Rheumatologie im Rahmen der für die DDR von Jena (Prof. K. Seidel) aus geleiteten Hauptforschungsrichtung Rheumatologische Erkrankungen eingerichtet.

In der klinikeigenen Bibliothek waren die deutschsprachigen medizinischen Zeitschriften vorhanden, die Verfügbarkeit internationaler Literatur war dagegen hier wie auch in der Universitätsbibliothek aus Devisengründen sehr begrenzt; die Anforderung von Sonderdrucken war erforderlich und wurde stark genutzt. Publikationen in englischer Sprache waren nicht die Regel, „nicht üblich“.

Mit der Entwicklung der Subspezialitäten der Innere Medizin wurden die klinischen und wissenschaftlichen Fragestellungen evident.

1959 fand der letzte Internistenkongress beider deutscher Staaten in Wiesbaden statt. Am 5. April 1959 gründet die DGIM den Berufsverband Deutscher Internisten (BDI). Nach dem Bau der Mauer und strikten Abgrenzung gegenüber der Bundesrepublik 1961 mußten die meisten Kollegen die Mitgliedschaft in den westdeutschen wissenschaftlichen Gesellschaften beenden, und der damit oft verbundene Bezug der Fachzeitschrift unterblieb. Damit wurde die Situation bezüglich der Verfügbarkeit von Fachzeitschriften noch prekärer.

Der akademische Titel Dr. med. habil. musste in Dr. sc. med. umbenannt werden; diese Änderung wurde nach 1990 auf Antrag rückgängig gemacht.

In der DDR wurde als Gegengewicht zur Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin am 5. Juni 1962 die Deutsche Gesellschaft für Klinische Medizin gegründet, in die die Gesellschaft für Innere Medizin der DDR einbezogen war ;1966 wurde parallel zu anderen Fachdisziplinen die Gesellschaft für Nephrologie der DDR gegründet. Die entsprechenden Publikationsorgane waren die „Zeitschrift für die gesamte innere Medizin und ihre Grenzgebiete: Klinik, Pathologie, Experiment / Gesellschaft für Innere Medizin, Gesellschaft für Klinische Medizin der DDR“; die „Zeitschrift für Urologie und Nephrologie: Organ der Gesellschaft für Urologie der DDR und der Gesellschaft für Nephrologie der DDR“. Damit wurde der regionale Erfahrungsaustausch und wissenschaftliche Dialog aktiviert und verbessert; an den internationalen Veranstaltungen konnten aber nur die zentral festgelegten sog. Reisekader teilnehmen; in der Nephrologischen Abteilung in Jena erhielt nur R. Fünfstück diesen Status.

1977 habe ich mich mit der Arbeit „Untersuchungen zur klinischen Wertigkeit von Immunparametern bei Patienten mit einer chronischen Pyelonephritis und verschiedenen Formen einer chronischen Glomerulonephritis, Versuch eines Immunogrammes“ habilitiert.

Die Forschungsbedingungen verbesserten sich nach dem Umzug in die Klinik für Innere Medizin nach Jena-Lobeda zunächst nicht. Nach intensiven Bemühungen erhielt die Nephrologie 1981 einen Laborraum mit zunächst einer halben, später einer 2. halben MTA-Stelle und einer minimalen Geräteausstattung.

Die wissenschaftlichen Fragestellungen konnten nur in einer unkomplizierten Kooperation ohne finanzielle Erwägungen mit anderen universitären und außeruniversitären Einrichtungen bearbeitet und die Ergebnisse gemeinsam publiziert werden. Es galt, einen Partner zu finden, der über das methodische Spektrum der erforderlichen Untersuchungen verfügte oder bei Kenntnisnahme verfügbarer Methoden anderer Einrichtungen deren Einsatz für eigene Fragen zu gewinnen. Ich nannte das damals „hausieren gehen“. Die wichtigsten diesbezüglichen Partner waren das Institut für Medizinische Mikrobiologie Jena (mikrobiologische, immunologische Fragen), das Institut für Anatomie (Fragen der Erythrozytenmorphologie), die Sektion Tierernährung des Instituts für Veterinärmedizin Jena (Spurenelemente, Vitamine, Fettstoffwechsel), das Institut für Mikrobiologie Wernigerode (mikrobiologische Themen), aber auch Institutionen im Ausland (Kattowice, Bratislava) und ab den achtziger Jahren auch im kleinen  Rahmen mit westdeutschen nephrologischen Einrichtungen in Berlin, Heidelberg, Würzburg, Tübingen und München.

Die nephrologischen Themen und Publikationen in den 1960er und Anfang der 1970er Jahre waren die quantitative Analyse des Harnsedimentes und ihre Bedeutung für die Nierendiagnostik, Glitzerzellen in der Diagnostik der Pyelonephritis, exkretorische Pankreasfunktion bei Patienten mit einer Niereninsuffizienz, Serum- Amylase und Amylase-Clearance bei Nierenkranken, Wofatit zur Behandlung der Hyperkaliämie, Koinzidenz klinischer, laboranalytischer und histologischer Befunde bei chronischer Glomerulonephritis , Nitrofurantoin-Polyneuropathie, arzneimittelbedingte Nierenschäden, Ergebnisse von Dialysebehandlungen. Mit W. Linß und G. Völksch, Institut für Anatomie Jena (Direktor Prof. G. Geyer, später Prof. W. Linß) wurden elektronenmikroskopische Untersuchungen von Kapillaren des Dialysators C-DAK 4 unter dem Aspekt der mehrfachen Wiederverwendung durchgeführt und publiziert.

Mit der Erweiterung labordiagnostischer Methoden im Zentrallabor des Klinikums erfolgten Untersuchungen zum Protein- und Lipidhaushalt, zum Verhalten von Gerinnungsfaktoren während der Hämodialyse, zur Urokinaseaktivität im Urin, zum Nachweis von Antikörpern gegen Nierengewebe im Serum von Patienten mit Glomerulonephritis und Lupus erythematodes disseminatus u.a.m.

1957 wurde der Forschungsrat der DDR gegründet, der „langfristige Wissenschaftsprogramme ausarbeiten, die Forschung auf Schwerpunkte lenken und Forschungsressourcen steuern sollte“.

1968-70 erfolgte „ein erneuter Versuch von Partei und Staat, die wissenschaftliche Forschung stärker zu lenken“, nun weniger über Ideologisierung als unter Betonung der „auftragsgebundenen Forschung“ und ihrer „aufgabenbezogenen Finanzierung“, „also durch verstärkte Einforderung des Anwendungsbezugs“.

Im 1980 gebildeten Rat für Medizinische Wissenschaft beim Ministerium für Gesundheitswesen und durch das Programm „Biowissenschaften einschließlich der naturwissenschaftlichen Grundlagen der Medizin“ bei der Akademie der Wissenschaften (AdW) wurden „Medizinische Hauptforschungsrichtungen“, darunter für Tumorerkrankungen, Kreislaufforschung, Künstlichen Organersatz und Biomaterialien, Schwangerschaft und frühkindliche Entwicklung, Rheumatologie, Entwicklungspharmakologie u.a. festgelegt und in die Verantwortung einzelner Fakultäten der Universitäten gegeben, die eine überregionale Forschungskooperation mit allen am Thema bereits arbeitenden oder interessierten universitären, außeruniversitären und Forschungseinrichtungen der Industrie organisierten und rechenschafts-und berichtspflichtig waren. So wurde zum Beispiel die Hauptforschungsrichtung Rheumatologie an der Medizinischen Klinik Jena unter der Leitung von Prof. K. Seidel, Direktor der Klinik für Innere Medizin angesiedelt.

Die Jenaer Nephrologen beteiligten sich an der Hauptforschungsrichtung M28 Künstlicher Organersatz und Biomaterialien (Prof. H. Klinkmann, Rostock) und an der Hauptforschungsrichtung Entwicklungspharmakologie (Prof. W. Klinger, Frau Prof. A.Träger, später Hoffmann, Jena)

„Im Vordergrund vieler Forschungsanstrengungen stand die Einsparung devisenabhängiger Importe“ (H. Bielka).

Politische Einflüsse

Eine personelle oder finanzielle Unterstützung erhielt unsere Arbeitsgruppe für diese Mitarbeit nicht. Dies betraf auch alle anderen wissenschaftlichen Kooperationen, die allein auf der Grundlage der gegenseitigen Achtung und Anerkennung, in einigen Fällen auch Freundschaft und des gemeinsamen Nutzens durch die Publikationen möglich und erfolgreich waren. Ein eigenes Forschungsbudget hatten wir nicht, eine Vergütung der Labor- oder anderer Leistungen wurde nicht erwartet oder verlangt.

Nachdem ich mich 1977 habilitiert hatte und 1979 als Hochschuldozent für Innere Medizin ernannt wurde, war der weitere berufliche Weg trotz Bemühungen meines Chefs, Prof. G.Wessel wegen der Übersiedlung der Familie meines Bruders in die Bundesrepublik (promovierter wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule in Cottbus, Ausreiseantrag aus familiären Gründen, 2 Jahre arbeitslos, Ausreise 1978 unter Verzicht auf ein Grundstück mit verstaatlichtem Familienbetrieb durch Vermittlung des Anwalts Dr. Vogel, Berlin) und der nicht Zugehörigkeit zur SED verschlossen.

Der erste Aspekt führte auch dazu, dass der für 1978 vorgesehene, vom Ministerium für Gesundheitswesen angetragene 2-jährige Auslandsaufenthalt mit Familie und einer Professur für Innere Medizin an der Universität Luanda in Angola sofort „abgeblasen“ wurde, weil, wie mir der Direktor für Kader der Universität mitteilte, „man nicht mehr für meine Sicherheit garantieren könne“.

Ich hatte mich ein halbes Jahr lang mit einem Sprachintensivkurs für Portugiesisch in Berlin- Lichtenberg sprachlich vorbereitet. Mit 3 anderen Herren, die sich gleichfalls auf eine Auslandstätigkeit auf anderen Feldern als ich in einem Portugiesisch sprechenden Land vorbereiteten, wohnte ich im Studentenheim in der Coppistraße, Berlin-Lichtenberg, ganz in der Nähe der Stasi-Zentrale in der Normannenstraße und musste jeden Tag 1 Stunde lang mit der U-Bahn und dem Bus zum Unterricht in einer Einrichtung nahe dem Stadion der Weltjugend, im damaligen Stadtbezirk Mitte, fahren. Die Zeit vertrieb ich mich meistens mit dem Lernen von Vokabeln. Am Freitag, vor der Rückfahrt nach Jena, wurde noch schnell versucht, einige Dinge, die es zu Hause nicht immer gab zu kaufen, dazu gehörten Obst (Bananen, Apfelsinen), Gemüse (Gurken, Tomaten, neue Kartoffeln), „Nodussi“ (das dem Kult-Aufstrich des Westens seit 1965 „Nutella“, in Radebeul mit deutlich mehr Haselnüssen als im West-Produkt nachgemacht wurde, aber in der „Provinz“, kaum erhältlich war), Kosmetika aus Ungarn (Fabulon) u.a. ; mit diesem Gepäck in der Tasche wurde ich noch herzlicher empfangen.Danach musste ich weitere vorbereitende Seminare, Anleitungen und Veranstaltungen in verschiedenen Städten besuchen.

Dieser Lebensplan war nun plötzlich geplatzt, und von nun an war jegliche Reise in das westliche Ausland für mich unmöglich.

Mitte der 1980 er Jahre erhielt ich eine Einladung zum Vorstellungsgespräch bezüglich der Neubesetzung des Volhard-Lehrstuhls für Nephrologie am Universitätsklinikum in Halle; ein Berufungsverfahren im heutigen Sinne gab es in der DDR nicht. Nachdem der Kaderleiter erfuhr, dass ich nicht Mitglied der SED und auch kein Reisekader war, wurde dieses Gespräch bald beendet, ich war für die Position aus deren Sicht nicht geeignet. Für mich war diese Entscheidung allerdings auch keine große Enttäuschung, da die dortigen Arbeitsbedingen im Vergleich zu unserem Neubau deutlich schlechter waren, eine Wohnung in absehbarer Zeit nicht garantiert werden konnte und das soziale Umfeld und die notwendige Vernetzung bezüglich Versorgung (Handwerker, Autowerkstatt etc) neu hätte aufgebaut werden müssen. Diese Aspekte wird heute keiner verstehen, der nicht in der DDR gelebt hat!

1987, 10 Jahre nach der Habilitation, empfahl mir mein Chef, Mitglied der SED zu werden, um eine außerordentliche Professur zu erhalten. Ich lehnte ab mit der Bemerkung, dass auf meinem Grabstein nicht Professor stehen müsse.

1986 und 1987 meldete ich mich beim Rektor der Universität an und fragte ihn nach den Chancen bezüglich einer außerordentlichen (a.o.) Professur und dem Status eines Reisekaders; die Gespräche endeten mit freundlichem Lächeln ohne irgendwelche Versprechungen oder nachfolgende Aktivitäten. 1988 erfolgte überraschend die Berufung zum a.o. Professor für Innere Medizin im Junktim mit einem jüngeren Habilitierten und SED-Mitglied der Klinik.

Ich bin glücklicherweise niemals bezüglich einer Mitarbeit für die Staatssicherheit angesprochen, gleichwohl nach der Rückkehr aus Afrika, dem Kauf eines Hauses und bei anderer Gelegenheit nach 1989 einer Mitgliedschaft bezichtigt worden.

Die erwartete/verlangte „gesellschaftliche Arbeit“ erbrachte ich als Mitglied des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) mehrere Jahre als Vorsitzender der Abteilungsgewerkschaftsleitung (AGL) der Klinik mit den Aufgaben der Urlaubsplatzverteilung, Hilfe bei der Wohnungsbeschaffung, Anregung zu und Durchführung von kulturellen Aktivitäten und Organisierung der Demonstration am 1. Mai mit den genehmigten Losungen beim Marsch durch die Stadt an der Ehrentribüne vorbei.

Aus der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft (DSF) bin ich in den achtziger Jahren ausgetreten, eine Mitarbeit bei den Kampftruppen habe ich strikt verweigert.

Im privaten Raum habe ich stets die These wiederholt, dass „die Geschichte es nicht zulassen wird, dass dieses gesellschaftliche Modell ewig dauert“.

Gelegenheiten dazu gab es mehrfach,

-Nach Stalins Tod am 28. Februar 1953 – wir mussten aus diesem Grund den geplanten Faschingsball absagen – hofften wir zumindest auf Tauwetter/Erleichterungen in den politischen und wirtschaftlichen Bedingungen.

-Der 17. Juni 1953 mit Streiks, Massen-Demonstrationen und politischen Protesten in vielen Städten der DDR wurde ganz schnell durch den Einsatz der sowjetischen Armee beendet. Ich vergesse nicht die Panzer auf dem Kirchplatz von Lübbenau, als ich nachmittags aus der Schule in Calau kam; ich war in der 10. Klasse.

– Am 23. Oktober 1956 begann der sog. Ungarnaufstand mit einer friedlichen Großdemonstration der Studenten der Universitäten in Budapest, die demokratische Veränderungen forderten, der schnell in einen bewaffneten Kampf gegen das politische System und die sowjetische Besatzungsmacht mündete, für ein Ungarn der Selbstbestimmung und Demokratie; Ungarn trat aus dem Warschauer Pakt aus, erklärte seine Neutralität und rief die Sowjetarmee zum Verlassen des Landes auf. Dieser Aufstand des ungarischen Volkes wurde gleichfalls durch die sowjetischen Truppen blutig beendet und eine neue ungarische Regierung unter János Kádár eingesetzt. Im Rundfunk haben wir die Rede von Imre Nagy, dem Ministerpräsidenten der neuen Regierung, gehört, in der er die Völker dieser Welt um Hilfe bat, die von niemandem außer mit Worten des Westens geleistet wurde. Wir waren darüber traurig und wütend, weil eine neue Hoffnung gestorben war.

-Der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 war die große Zäsur in unserem Leben, ich vergesse nicht diesen Sonntag, als im Fernsehen zu unserer aller Überraschung der Bau der Berliner Mauer gezeigt wurde, damit der Kontakt mit dem Westen quasi abgebrochen und die endgültige Trennung zwischen Ost- und Westdeutschland besiegelt war. Die leise Hoffnung einer Wiedervereinigung war nun gestorben und die Zukunft mehr als ungewiss und eher düster, und die Gefahr bestand, dass sich bei einer kriegerischen Auseinandersetzung die Deutschen sich gegenseitig umbringen würden/müssten.

– Der Prager Frühling bezeichnete das Streben der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei unter Alexander Dubček im Frühjahr 1968, ein Liberalisierungs- und Demokratisierungsprogramm – „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ –  für das Land zu verwirklichen. Dubček war auch für unsere Hoffnungen und Wünsche eine Lichtfigur und ein Hoffnungsträger, wir skandierten seinen Namen bei allen möglichen Gelegenheiten. Am 20. August 1968 marschierte jedoch die Sowjetunion unter Führung der Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei ein, um gegen die Reformtendenzen in Prag vorzugehen. Wir waren zufällig mit Freunden auf dem Rückweg von einem Urlaub in Ungarn, durften noch die übliche Route fahren und den nicht einen Tag später angeordneten Umweg über Russland und Polen, haben jedoch die Truppenbewegungen gesehen und eine fürchterliche Angst bekommen. Für uns war damals ein wenig tröstlich, dass die Truppen der DDR nicht die Grenzen zur Tschechoslowakei überschritten haben. Aber eine weitere Hoffnung war zerschlagen.

-In der 2. Hälfte der achtziger Jahre keimte zunehmend eine neue Hoffnung für gesellschaftliche Veränderungen auf, nachdem die Ende der 1970er Jahre im Schutzraum der Evangelischen Kirche entstandene Friedensbewegung in der DDR, eine Sammelbezeichnung für eine Vielfalt von Friedensgruppen und -initiativen, die sich Anfang der 1980er Jahre zu einer politischen Protestbewegung entwickelte. ist Am 24. September 1983 wurde durch Friedrich Schorlemmer, Dozent am „Evangelischen Predigerseminar“, und Bürgerrechtler angeregt, von dem Kunstschmied Stefan Nau auf dem Wittenberger Lutherhof vor mehr als 2.000 enthusiastischen Zuschauern ein Schwert zu einer Pflugschar (Jesaja 2,4/Mi 4,3) um geschmiedet, ein Signal der Friedensbewegung junger Christen gegen die zunehmende Militarisierung in der DDR. Die unter diesem geprägten Leitwort „Schwerter zu Pflugscharen“ wirkenden Gruppen waren erheblichen staatlichen Repressionen ausgesetzt, sie entwickelten sich dennoch zu dem wesentlichen Bestandteil der Oppositionsbewegung, die den späteren gesellschaftlichen und politischen Umbruch 1989/90, die friedliche Revolution in der DDR, einleitete. Aber dieser Zeitpunkt blieb ungewiss. Ich hätte aus diesem Grunde unsere Tochter im August 1989 während unseres Ungarnurlaubes über die Grenze nach Österreich geschickt, die zwischen Sankt Margareten und Sopron für einige Stunden im jahrzehntelang geschlossenen Grenztor mit Zustimmung der ungarischen Regierung geöffnet wurde und für viele Menschen aus der DDR eine Chance, in die Freiheit zu fliehen bot, wenn sie das Abitur in der Tasche gehabt hätte (meine Frau war dagegen!).In der Nacht vom 10. auf den 11. September 1989 wurde dann  die Grenze zwischen Ungarn und Österreich geöffnet. Dieser „Eiserne Vorhang“ war nun für viele DDR-Flüchtlinge gefallen, in den folgenden drei Wochen flüchteten mehr als 25.000 DDR-Bürger nach Österreich.

Einige Wochen später, am 9. November, fiel die Berliner Mauer und einige Monate später wurde „Deutschland einig Vaterland“, die deutsche Einheit, wiederhergestellt.

Nach diesen Erfahrungen haben wir uns fest vorgenommen, bei einem erneuten derartigen gesellschaftspolitischen Experiment in die Placebo-Gruppe zu gehen!

Wissenschaftliche Veranstaltungen – Nephrologie

Für die Organisation und Durchführung wissenschaftlicher Veranstaltungen, zum Teil mit internationaler Beteiligung, erhielten wir weder von der Universität, der Stadt, der Industrie oder anderer potentieller Sponsoren eine finanzielle Unterstützung.

1979 wurde das 1. Nephrologie-Colloquium „Probleme der Glomerulonephritis“ der Medizinischen Klinik und des Pathologischen Instituts der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Hörsaal des Pathologischen Instituts Jena durchgeführt. Die Themen waren „Pathogenese und Klinik der chronischen Glomerulonephritis“ (Doz. G. Stein) und „Diagnostik der Glomerulonephritis im Nierenbiopsiematerial“ (Prof. G Waldmann); es wurde ndie Nierenbiopsie als neues und wichtiges morphologisches Diagnostikum von Nierenerkrankungen propagiert und eigene Ergebnisse vorgestellt.

Beim 1. Harnweginfektion- Symposium 1983 anlässlich des 425-jährigen Bestehens der Universität in der Fuchsturm – Gaststätte gewährte der Oberbürgermeister der Stadt ein Sonderkontingent für Rostbrätchen-Fleisch, Bratwürste und Holzkohle zur Gestaltung eines gemütlichen Thüringenabends für ca. 100 Teilnehmer.

Das 2. Harnweginfektion- Symposium fand 1989 im Hörsaal der Klinik für Innere Medizin in Jena mit einer ansehnlichen Gästeliste führender Wissenschaftler aus dem östlichen und westlichen Ausland statt. Der Oberbürgermeister der Stadt, Herr Spahn nahm an der Eröffnungsveranstaltung in der Rathausdiele teil und gab anschließend für die Teilnehmer einen kleinen Empfang; das hat uns sehr gefreut, da wir Derartiges nicht gewohnt waren.

Lehre

Die Aufgaben der Lehre bestanden in der Durchführung von Vorlesungen, Seminaren und Praktika nach einem festen Plan, in den fast alle Assistenten mit unterschiedlichen Aufgaben einbezogen waren. Die Hauptvorlesung wurde grundsätzlich vom Direktor bzw. Chef der Einrichtung gestaltet, nur selten ließen sie sich vertreten. In den klinischen Fächern stand die Falldemonstration mit Patienten im Vordergrund.

Alle Hochschullehrer mussten an einem einjährigen hochschulpädagogischen Kurs mit einer Abschlussarbeit und an dem jährlich einwöchigen Jahreskurs der Marxistisch-Leninistischen Abendschule für Hochschullehrer in Klausur außerhalb Jenas teilnehmen, wofür eine Teilnahmebescheinigung in Form einer Urkunde ausgestellt wurde. Zusätzlich fand Anfang September die sog. „rote Woche“ in Jena statt, auf die die Hochschullehrer in einer zentralen Veranstaltung in der Aula politisch-ideologisch auf das neue Studienjahr vorbereitet und eingeschworen wurden; die letzte Veranstaltung 1989 war eine Farce und hat nur Unverständnis, zum Teil Gelächter hervorgerufen.

1986 trat der Gustav Fischer-Verlag, Jena mit der Bitte an mich heran, ein Lehrbuch über die Nephrologie zu schreiben, da auf diesem Gebiet in der DDR keine ausreichende Literatur zur Verfügung stand. Auf dem Jahreskongress der European Dialysis and Transplant Association (EDTA) 1986 in Budapest besprach ich dieses Angebot mit meinem Kollegenfreund Prof. E. Ritz, Heidelberg, einem der führenden Nephrologen der Welt, und wir einigten uns sehr schnell auf eine gemeinsame Publikation. Der Grundstein wurde in zwei einwöchigen, sehr arbeitsintensiven, spartanischen Aufenthalten in der Pension von Frau Schmidt in Seitenroda unterhalb der Leuchtenburg gelegt. Die Sekretärin von Prof. Ritz, Frau Stelter, hat das Konzept und die meisten Kapitel in einer ersten Fassung von uns auf Band diktiert vor Ort geschrieben, sodass sofort Korrekturen erfolgen konnten. Die Fertigstellung unter Mithilfe meiner Sekretärin, Frau Loewa und externer Unterstützung durch Frau Mütze erfolgte 1989.  Die 1. Auflage der „Diagnostik und Differentialdiagnostik der Nierenerkrankungen. Für die medizinische Praxis“ von Günter Stein und Eberhard Ritz erschien aufgrund der besonderen Umstände 1989/90 erst 1991, die völlig überarbeitete und erweiterte 2. Auflage 1995.

 

Was hat sich nach dem ersehnten Fall der Mauer und der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten verändert?

Eine neue Struktur und Leitung

Für das Klinikum galt es zunächst, den Klinikbetrieb unter den neuen Regularien aufrechtzuerhalten und eine neue Struktur mit den in der Bundesrepublik gültigen Verwaltungs-und Finanzierungsformen zu entwickeln. Die Struktur des vorklinischen und klinischen Bereiches unserer Fakultät wurde in mehreren intensiven, kollegialen Beratungen mit der Leitung des Universitätsklinikums in Gießen (damals Ärztlicher Direktor und Dekan in einer Person!) in weitgehender Anlehnung an die dortigen Verhältnisse mit einigen Komponenten zu unseren Gunsten festgelegt und von unserer Fakultät beschlossen; das Ministerium hat diesem Vorschlag zugestimmt. Die Umsetzung der Empfehlungen erfolgte durch die Leitung des Universitätsklinikums in enger Partnerschaft zwischen dem Ärztlichen Direktor, dem Dekan mit seiner Strukturkommission und dem Verwaltungsdirektor mit seiner Behörde.

Die neue Leitung – der Klinikumsvorstand -, bestehend aus dem Ärztlichen Direktor, seinem Stellvertreter, dem Dekan nebst Prodekanen, dem Verwaltungsleiter und der leitenden Pflegekraft hat jahrelang einmal wöchentlich detailliert vorbereitete mehrstündige Besprechungen durchgeführt, um zügig die notwendigen Maßnahmen zu veranlassen und zu kontrollieren.

Erstmalig in der Geschichte des Universitätsklinikums wurde der Ärztliche Direktor in geheimer Wahl gewählt (1990-1995 Prof. G. Stein, Vergütung 560 DM/Monat).

Die fachliche und wissenschaftliche Evaluierung der Hochschullehrer bezüglich der weiteren Tätigkeit in ihrer Funktion erfolgte durch eine Kommission der Universität Gießen, die Eignung aus der politischen Tätigkeit in der DDR wurde von einer anderen Kommission bewertet. Schließlich wurde von der Leitung der Universität die Tätigkeit als informeller Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit überprüft.

Im Ergebnis mussten einige Hochschullehrer ihre Tätigkeit in Jena beenden (sie sind alle in Gesundheitseinrichtungen in der Bundesrepublik gut untergekommen) und die Funktion durch kommissarische Leiter ersetzt werden. Es begann eine Phase der Neuberufungen mit uns nicht vertrauten Regeln des Ablaufs und sehr intensiven und zeitaufwendigen Verhandlungen.

Eine Personalkommission der FSU Jena hat unter der Leitung von Prof. H. Bach (Direktor des Instituts für Humangenetik und Anthropologie) eine Evaluierung von Mitarbeitern bezüglich ihrer politischen Aktivitäten in der DDR als Grundlage für die Fortsetzung/Beendigung der beruflichen Tätigkeit am Klinikum vorgenommen.

Die Einrichtung der neuen Verwaltungsstruktur erfolgte durch die aus Gießen delegierten kommissarischen Verwaltungsleiter, Frau Weber und Herr Dr. König mit den 4 Abteilungsleitern aus dem eigenen Personalbestand, Frau E. Dittmar, Rechnungswesen und Controlling, Dr. B.Schlag, Personalangelegenheiten, Dipl.Ing. O.Franke, Betreibung und Beschaffung, Dipl.-Ing. W.Erbe Bauwesen.

Der administrative Bereich der gesamten Verwaltung wurde auf die SAP-Software umgestellt und mit modernen Diktiergeräten und neuer Schreibtechnik bis hin zur Computerisierung auf allen Stationen und in allen Ambulanzen ausgestattet.

Die neue Organisationsstruktur des Universitätsklinikums Jena

Von der Bauverwaltung wurden 1990 sofort Baumaßnahmen in die Wege geleitet, um Dächer, Türen und Fenster mehrerer Klinik- und Institutsgebäude dicht zu machen (z.B. mussten im Gebäude der Zahnklinik, der Gerichtsmedizin u.a. bei starken Regenfällen bis zu 20 Schüsseln aufgestellt werden) und dringlichste Reparaturen in verschiedenen Stationen durchzuführen. Zum Glück waren die administrativen Strukturen in der Universität und im zuständige Ministerium noch nicht etabliert (kein Hochbauamt); es war sehr viel Freiraum vorhanden, sodass freizügig und unkompliziert entschieden und die Firmen beauftragt werden konnten; die Finanzierung war erstaunlicherweise unkompliziert.

Zugleich erfolgten die Planungen für grundsätzliche Sanierungen und Modernisierungen, die zum Teil mit einem hohen finanziellen Aufwand in den folgenden Jahren vorgenommen wurden.

Als Beispiel soll die Klinik für Chirurgie angeführt werden, in der im Verlauf von mehreren Jahren die Operationskapazität durch Anhängen von 2 OP-Sälen erweitert wurde, die Intensivtherapiestation einschließlich eines Hubschrauberlandeplatzes (unter Protest des gegenüber liegenden Hotel Esplanade) auf den modernsten Stand gebracht wurde, eine Klinik für Neurochirurgie sowie für Kardiochirurgie (Voraussetzung für die Nutzung des Linksherzkatheter- Messplatzes in der Klinik für Innere Medizin) etabliert und die übrigen Stationen saniert und modernisiert wurden; die geschätzten Kosten dürften bei ca. 80 Mio. DM liegen.

Danach folgte der Umbau der Medizinischen Poliklinik (Bauzustandstufe 4 , abrisswürdig!)  in eine Klinik für Neurochirurgie mit 2 OP-Sälen,

6 Intensivüberwachungsbetten und einer Station mit 20 Betten, Baukosten ca. 20 Mio. DM.

Die generelle künftige Entwicklung des Klinikums und der Fakultät wurden im Rahmen eines mehrtägigen Besuches des Wissenschaftsrates festgelegt. Eine der Vorgaben lautete, dass ein Universitätsklinikum ca. 1400 Betten betreiben soll. Die Reduzierung der Bettenzahl im Jenaer Klinikum war durch die Schließung der Außenstellen der Augenklinik in Masserberg, der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe in Bad Klosterlausnitz und Kahla („Storchennest“) und des ehemaligen Städtischen Krankenhauses sowie durch die im Rahmen der Sanierung und Modernisierung verschiedener Stationen in den Kliniken einhergehende Verringerung der Bettenzahl gut realisierbar, zumal 1990 die Bettenauslastung der 1945 Planbetten 66 %, die der 1796 belegbaren Betten 71,5 % bei einer Verweildauer von 15 Tagen betrug.

Von der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen erhielt das Klinikum nach mehreren, zum Teil hart geführten Verhandlungen die Auflage, die Anzahl der ambulant zu behandelnden Patienten drastisch zu verringern, da der Versorgungsauftrag durch die ärztlichen Niederlassungen gesichert sei. Eine Ermächtigung für ambulante Sonderleistungen wurde nur selten und zahlenmäßig eingeschränkt erteilt.

Erneute Planung eines Klinikums an einem Standort

Der neuen Leitung des Universitätsklinikums mit den kommissarischen Verwaltungsleitern, Frau Weber und Herr Dr. König aus Gießen, die mit der Neugestaltung bzw. dem Neubau der Universitätsklinika in der Bundesrepublik vertraut waren, war klar, dass die Zukunft des Klinikums nicht in der Sanierung und Modernisierung der bisherigen Standorte liegen kann, da die Bauzustandsstufen schlecht waren und die Gebäude teilweise als abrisswürdig bewertet wurden, vor allem aber die notwendige Zentralisierung damit nicht zu erreichen war. So startete mit ausdrücklicher Befürwortung durch den Wissenschaftsrat der 4. Versuch, in Jena ein komplexes Universitätsklinikum zu errichten.

Die ersten diesbezüglichen Anstrengungen erfolgten in den 1920er Jahren; mit einer optimistischen Einstellung hatte Prof. W. Veil, 1926 zum Direktor der Klinik für Innere Medizin berufen, sein Privathaus in Altlobeda errichten lassen.

In den 1960er Jahren hat Prof. F. Bolck (Direktor des Pathologischen Instituts, später Rektor der Universität) mit einer Arbeitsgruppe unter Einbeziehung der Hochschule für Architektur Weimar eine umfangreiche Planung für ein künftiges Universitätsklinikum, zusammengefasst in 2 dicke, schwarz eingebundenen „Bibeln“ vorgelegt.

Anfang der 1980er Jahre erfolgte die Erarbeitung einer neuen umfangreichen Konzeption unter Führung des Verwaltungsdirektors des Klinikums, G Kühn (an der auch ich als Stellvertreter des Ärztlichen Direktors, Prof. J.Schneider teilnehmen und mitarbeiten durfte) mit dem Ergebnis eines Neubaus mit einem Bauvolumen von 200 Mio.M.

in Alle diese Projekte wurden vorwiegend aus finanziellen Gründen nicht realisiert; immerhin gelang es der Universität, in Lobeda eine Vorbehaltsfläche zu erwerben und Vorbereitungen einer künftigen baulichen Nutzung zu treffen.

Bereits im Frühherbst 1990 wurde Kontakt mit Heinle Wischer Partnerschaft freier Architekten mbB (HWP), einem international tätigen Architekturbüro in Stuttgart, das nach 1945 an den Planungen der meisten neuen Universitätsklinika in der Bundesrepublik beteiligt war, aufgenommen und vertraglich eine Planung des neuen Universitätsklinikums in Jena vereinbart. Die größte Unterstützung bei diesem Vorhaben erhielt das Klinikum vom Chef der Jenoptik GmbH, L. Späth, vom CDU-Abgeordneten des Bundestages R.Richwien und vom Kanzler der Universität Dr K. Kübel. In dem monatlich tagenden Beratungsgremium unter Leitung des Ärztlichen Direktors saßen auch je ein Vertreter der Ministerien für Finanzen, für Wissenschaft und des Gesundheitswesens des Freistaates Thüringen. Das großartige Ergebnis des in mehreren Bauphasen erstellten Universitätsklinikum Jena mit Ausnahme des Verbleibs der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am alten Standort ist jetzt für jeden sichtbar und erlebbar, es hat alle Voraussetzungen, nach internationalem Standard den Aufgaben der Lehre, Forschung und Krankenversorgung eines Universitätsklinikums gerecht zu werden.

Fast 100 Jahre nach den ersten Überlegungen, vier umfangreichen und aufwändigen Planungen im Abstand von Jahrzehnten für ein neues, komplexes Universitätsklinikum in Jena sowie 5 Generationen von Ordinarien in der Inneren Medizin ist diese Idee verwirklicht worden!

Moderne Ausstattung für die medizinische Betreuung und Forschung

Im klinischen Bereich erfolgte ab 1990 die längst fällige Komplettierung der Ausstattung mit modernen diagnostischen und therapeutischen Geräten, wie Ultraschall-Geräte, Linksherzkathetermeßplatz (1993), Magnetresonanztomografie, PET-CT (2009), Operationscomputer, moderne Bestrahlungsgeräte, eine erweiterte Palette nukleamedizinischer Untersuchungsmöglichkeiten etc.

Im Jahresbericht 1995 ist die nachfolgende Übersicht über ausgewählte Großgeräte am Klinikum, beschafft nach dem Hochschulbauförderungsgesetz (HBFG) enthalten, die zeigt, dass in wenigen Jahren nach der politischen Wende das Klinikum auf einem sehr hohen, international vergleichbaren Niveau der technischen Ausrüstung angelangt war.

Die Innere Medizin wurde 1990 in 4 Kliniken geteilt:

Klinik für Innere Medizin I (Direktor Prof. H. Bossseckert): Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie

Klinik für Innere Medizin II (Direktor Prof. G. Jorke): Onkologie, Hämatologie, Endokrinologie/Stoffwechselerkrankungen

Klinik für Innere Medizin III (Direktor Prof. S. Müller): Kardiologie, Angiologie, Internistische Intensivmedizin

Klinik für Innere Medizin IV (Direktor Prof. G. Stein): Nephrologie, Rheumatologie, Osteologie, Pneumologie

Die Nephrologische Abteilung erhielt 1989/90 das erste Ultraschall – Gerät und die ersten Diktiergeräte der Firma Siemens als Spende vom Lions Club Erlangen-Nürnberg; der Überbringer, Dr. Gmelin, hat die Mitarbeiter 2 Tage lang in die Methodik eingearbeitet. Vom St. Hedwig-Krankenhaus Berlin-West (Prof. K. Schaefer) erhielten wir als Spende eine moderne Schreibmaschine mit Bildschirm sowie einen Kopierer, beides angenehme Neuheiten für die Mitarbeiter.

1990 erhielt ich von den führenden Herstellern von Dialysemaschinen in Deutschland (Fa. Gambro, Fa. Fresenius) das äußerst lukrative Angebot, ein von ihnen zu errichtendes Dialysezentrum zur Behandlung ambulanter Patienten in privater Trägerschaft in Jena zu betreiben. Ich habe dies dankend abgelehnt, weil mich die neuen Möglichkeiten und Aufgaben der universitären Tätigkeit in Forschung, Lehre und Krankenversorgung fasziniert haben.

Zum Glück erhielt Jena nach einem Besuch einer Expertenkommission als eines von 7 Nephrologischen Zentren der DDR ein in wenigen Monaten vom gemeinnützigen Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation (KfH) finanziertes und errichtetes Dialysezentrum mit 24 Behandlungsplätzen in einem zeitlich begrenzt nutzbaren Barackenbau, das unter meiner Leitung in Personalunion mit der Nephrologischen Abteilung der Klinik betrieben wurde. Die mehrschichtige Auslastung dieser Einrichtung versorgte bis zu 132 Patienten mit terminaler, chronischer Niereninsuffizienz, mittleres Alter 61 Jahren, das der Diabetiker betrug im Mittel 67 Jahre; nun musste kein dialysepflichtiger Patient mehr abgewiesen werden ein hohes Alter oder erhebliche Komorbiditäten waren keine Ausschlusskriterien mehr.

Nach Absprache und in Zusammenarbeit zwischen der Klinik für Urologie (Prof. J. Schubert), der Nephrologischen Abteilung der Klinik für Innere Medizin IV (Prof. G. Stein), dem Institut für Immunologie (Prof. L. Jäger), dem Institut für Medizinische Mikrobiologie (Prof. E.Straube) und dem Institut für Blutspendewesen (Frau Dozent I. Schimmel, Frau Prof. D. Barz) wurde 1990 ein Nierentransplantationszentrum im Klinikum etabliert.

Am 13.11.1990 erfolgte die 1. Nierentransplantation im Nierentransplantationszentrum in der Klinik für Urologie, Jena mit Unterstützung durch Kollegen, einem Urologen und Nephrologen, des Transplantationszentrums Berlin – Friedrichshain. Die erste Nierentransplantation bei einem Kind erfolgte am 07.12.1993, die erste Lebendnierentransplantation am 10.09.1996; am 29.03.1999 wurde das „old for old“ Programm erfolgreich gestartet; damit war es möglich, unter Umgehung der zentralen Organvergabe in einer deutlich kürzeren Wartezeit lokal gewonnene Organspenden von Patienten im Alter über 65 Jahre den lokalen älteren Dialysepatienten mit gutem Erfolg zu transplantieren.

2008 wurde die erste Blutgruppen-inkompatible Nierentransplantation durchgeführt.

Die Medizinische Akademie Erfurt (MAE) wurde am 1. September 1954 neben Dresden und Magdeburg als Medizinische Hochschule mit Promotions-und Habilitationsrecht gegründet, in den Jahren 1992/1993 als Medizinische Hochschule Erfurt (MHE) bezeichnet. Das Studium an der MAE umfasste den klinischen Teil des Medizinstudiums, nachdem die Studenten den vorklinischen Teil bis zum Physikum an den medizinischen Fakultäten verschiedener Universitäten in der DDR absolviert hatten. Zum 31. Dezember 1993 wurde sie auf Grundlage verschiedener Gutachten, vor allem des Wissenschaftsrates und der Empfehlung einer vom Ministerpräsidenten Vogel speziell berufenen Arbeitsgruppe mit Fachvertretern aus mehreren Universitäten der Bundesrepublik geschlossen. Wesentliche Argumente waren die finanziellen Aufwendungen für die vorklinische Ausbildung, die Möglichkeit der für Thüringen notwendigen Ausbildung von ca. 250 Humanmedizinern und 50 Zahnmedizinern pro Jahr in Jena, eine nicht so gute Evaluierung der Leistungen u.a.m. Damit war Jena die einzige universitäre Ausbildungsstätte für Ärzte und Zahnärzte in Thüringen.

Ausgewählte Leistungen 1995

Stationäre Betreuung:

71 Stationen, 1.544 Planbetten, Belegung 72,7 %; 1.367 aufgestellte Betten, Belegung 82,1 %                                                                                                                   Fallzahl 43.402

Verweildauer 10,5 Tage

Ambulante Betreuung:

Erstkonsultationen 185.779, Gesamtkonsultationen 340.227

Personal:

Gesamt 4.646 Vollkräfte, Ärztlicher Dienst 662, Pflegedienst 959, Medizinisch-technischer Dienst 1.041, Funktionsdienst 338, Klinisches Hauspersonal 105, Wirtschaft-und Versorgungsdienst 211, Technischer Dienst 159, Verwaltungsdienst 267, Sonderdienst 38, Arzt im Praktikum 98, Drittmittel finanziert 193, Zivildienstleistende 191                                                                                              5.032 Personen waren beschäftigt.

Promotionen 132, Habilitationen 4

Studenten Humanmedizin 1.347

Studenten Zahnmedizin 267

Eingeworbene Drittmittel 17.374.122 DM

Der Vergleich der Leistungen von 1989 gegenüber 1995 zeigt, dass sich innerhalb dieser kurzen Zeit zu unserer Freude und Zufriedenheit Vieles verändert hat, für mich eine „blühende Landschaft“.

 

Statistischer Jahresbericht der FSU 1989              Jahresbericht 1995 Klinikum Jena

 

-Trotz erheblicher Reduzierung der Bettenzahl entsprechend den Vorgaben des Wissenschaftsrates stieg die Anzahl der stationär betreuten Patienten um ca. 10.000 pro Jahr, bedingt durch die Verkürzung der Verweildauer.

-Dies ging einher mit einer deutlichen Erhöhung der Anzahl der Ärzte, zum Teil bedingt durch die zunehmende Drittmitteleinwerbung; die Teilzeitbeschäftigung spielte eine untergeordnete Rolle.

-Die Zahl der ambulant betreuten Patienten sank dagegen aufgrund der Vorgaben der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen zur Einhaltung des sog. Versorgungsauftrages der niedergelassenen Ärzte.

-Aber auch des Verwaltungspersonal wurde erheblich erweitert und der bürokratische Aufwand der ärztlichen und der pflegerischen Tätigkeit wurde zunehmend größer, insbesondere nach der Umstellung auf das DRG – System, ein pauschalisierendes Abrechnungssystem, bei dem stationäre Krankenhausbehandlungen, weitestgehend unabhängig von der Verweildauer des Patienten über Fallpauschalen abgerechnet werden. „DRG“ steht dabei für „diagnosis-related groups“.

-Augenfällig und höchst erfreulich waren die Modernisierung und Neuausstattung mit modernen Geräten der Diagnostik, Therapie und Forschung und die Qualifizierung der Mitarbeiter für eine hocheffiziente Nutzung.

-Die Anzahl der Medizinstudenten stieg leicht an, der Anteil weiblicher Studenten bewegte sich ziemlich konstant um 55 %. Es wurden Reformen des Medizinstudiums auf den Weg gebracht.

Diesen Prozess konnte ich während meiner 6-jährigen Tätigkeit im Präsidium des Medizinischen Fakultätentages begleiten.

-Der Anreiz der Universitätsklinik für ehrgeizige Assistenten nicht nur als Stätte einer hervorragenden fachlichen Qualifikation, sondern auch der wissenschaftlichen Arbeit mit Zielen wie Habilitation, Professur, Chefarztposition etc. wurde deutlich größer.

-Die wissenschaftliche Arbeit wurde durch die verbesserte Verfügbarkeit von Forschungsräumen und die nun nicht mehr eingeengten Publikationsmöglichkeiten1 sowie Reisetätigkeit zu Hospitationen, wissenschaftlichem Austausch und Kongressen, nicht zuletzt durch die für uns zunächst ungewohnte Drittmitteleinwerbung deutlich und erfolgreich aktiviert.

Vom Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Dokumentation wurde ein jährliches Ranking der diesbezüglichen Leistungen aller 52 Einrichtungen des Klinikums und der Fakultät erstellt, die Klinik für Innere Medizin IV erreichte dabei den 2. und 3. Platz. Auf dieser Grundlage erfolgte die Raumvergabe für die wissenschaftliche Arbeit im neu errichteten Forschungsgebäude.

Die Anzahl der jährlich abgeschlossenen Promotionen wurde erhöht.

Es wurde uns bewusst, dass wir die gesellschaftlichen Umstände von den eigenen Antrieben und dem persönlichen Vermögen mitbestimmen können, die Chancen für eine berufliche wie wissenschaftliche Karriere wesentlich (unendlich?) größer und vielfältiger waren und dass die Erwartungen zu allererst an sich selbst und das eigene Verbringen von Lebenszeit gestellt werden, bevor man andere in Haft nimmt.

Forschung

Nach 1990 nahm die Forschungstätigkeit einen ungeahnten Aufschwung. Nach dem Strukturplan standen für die Abteilungen der Klinik für Innere Medizin kleinere Kapazitäten für Personal, Raum und Investitionen zur Verfügung.

Die Nephrologische Abteilung hat durch Einwerbung von Drittmitteln über BMBF-, DFG-, Volkswagen-Stiftung-Projekte und wissenschaftliche Zusammenarbeit mit der Industrie sowie Durchführung von klinischen Studien diese Kapazitäten erheblich erweitern können. Auf Grundlage der Forschungsaktivitäten, die in einem Ranking aller 52 Abteilungen des Klinikums ermittelt und veröffentlicht wurden, erfolgte die Raumvergabe Laboren im neu errichteten Forschungsgebäude. In den großzügig eingerichteten wissenschaftlichen Labors der Abteilung für Nephrologie und für Rheumatologie der Klinik, die gut abgestimmt und kollegial zusammenarbeiteten, waren zeitweise bis zu 4 Naturwissenschaftler, 4 MTA und zahlreiche Doktoranden tätig. Die technische und gerätemäßige Ausstattung wurde zunehmend erweitert, u.a.  ein Zellkultur- Labor für Grundlagenforschungen zur Pathogenese der chronischen Niereninsuffizienz, einschließlich tierexperimenteller Modelle, u.a. unilaterale Ureterligatur (UUL) bei der Ratte, ein Massenspektrometer, 3 Gaschromatographie- Geräte, hochauflösende Mikroskope für immunhistologische Untersuchungen etc.

Die Thematik ergab sich aus den aktuellen Fragestellungen und der engen Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland und im Ausland (USA, Japan, Australien, Frankreich, England, Polen u.a.). Ärztliche und andere Mitarbeiter mit wissenschaftlichen Ambitionen hospitierten und arbeiteten zum Teil über DAAD- Stipendien bis zu 3 Jahren in Einrichtungen in New York, Boston, Tokio, Nagoya, Paris, London, Adelaide, Heidelberg, Tübingen, Berlin.

Im Zellkultur – Labor (Privatdozent M. Sommer) erfolgten Grundlagenforschungen zur Pathogenese der chronischen Niereninsuffizienz, einschließlich tierexperimenteller Modelle, u.a.  5/6-Nephrektomie, unilaterale Ureterligatur (UUL) bei der Ratte zur Bedeutung der interstitiellen Nierenfibrose und der besonderen Rolle von Fibroblasten in diesem Prozess.

Es erfolgten Untersuchungen zu Risikofaktoren und Verlaufsparametern der Progression des Nierenfunktionsverlustes, des kardiovaskulären Risikos, der renalen Osteopathie, wie Advanced Glycation Endproducts (AGEs Pentosidin, N-Carboxymethyllysin, Imidazolon)), Homocystein und seine Metaboliten Methylmalonsäure, Cystathionin, Methylzitronensäure, Asymmetrisches (ADMA) und Symmetrisches Dimethylarginin (SDMA), ß2-Mikroglobulin u.a.

Die wissenschaftlichen Ergebnisse wurden auf den nationalen, europäischen (EDTA), amerikanischen (ASN) und internationalen (ISN) Kongressen vorgetragen und diskutiert. Aufgrund großzügiger Unterstützung war unser Team jeweils mit bis zu 5 Teilnehmern beteiligt. Dies war zugleich ein Ansporn für weitere wissenschaftliche Aktivitäten.

Die Liste der wissenschaftlichen Leistungen der Mitarbeiter der Klinik ist in diesem Rahmen nicht vollständig; die Darstellung erfolgt an anderer Stelle.

Wissenschaftlichen Veranstaltungen

Die Durchführung von Wissenschaftlichen Veranstaltungen in Jena war ein weiteres Anliegen unserer Klinik.

Die Harnweginfektion-Symposien wurden 1996 in Jena und 2006 in Weimar (unter der Leitung von Prof. R. Fünfstück) mit internationaler Beteiligung und großer Resonanz fortgesetzt.

Second Joint Meeting of the Israel Society of Nephrology and Hypertension“ und der Gesellschaft für Nephrologie 1992

Vom Vorstand der Gesellschaft für Nephrologie erhielt ich den ehrenvollen Auftrag, das „Second Joint Meeting of the Israel Society of Nephrology and Hypertension“ und der Gesellschaft für Nephrologie 1992 zu organisieren und durchzuführen. Das erste Treffen fand 1988 in Jerusalem ohne Beteiligung von Nephrologen aus der DDR statt. Bei der Vorbereitung und Organisation der Veranstaltung in Weimar war Dr.C. C. Hauffe eine außerordentlich große Hilfe.

Vorher besuchte mich der israelische Generalkonsul in Berlin in unserer Wohnung, um mir die Wünsche, besonderen Umstände und zu berücksichtigende Maßnahmen gegenüber den israelischen Teilnehmern und ihren Gepflogenheiten einschließlich der anzubietenden Speisen bei dieser Tagung zu erläutern. Vieles davon war uns fremd und deshalb für den Ablauf äußerst wichtig und hilfreich.

  1. Kongress der Gesellschaft für Nephrologie und 28. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Nephrologie 1995 in Jena

Im September 1990 fand in Badgastein der 21. Kongress der Gesellschaft für Nephrologie unter der Leitung von Prof. P.Deetjen statt, teilweise überlappend bzw. nachfolgend die 23. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Klinische Nephrologie. Erstmals war die Teilnahme für Nephrologen der DDR möglich und wurde zahlreich genutzt.

Auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Nephrologie der DDR 1989 in Magdeburg wurde der Vorstand der Gesellschaft neu gewählt; obwohl ich in geheimer Wahl die meisten Stimmen erhielt, wurde Prof. R.Schmicker, Rostock zum Vorsitzenden und ich zum Stellvertreter bestimmt. Wir beide verhandelten mit den beiden Vorständen der westdeutschen Gesellschaften und konnten eine Zusammenführung mit weitgehend unkomplizierter Übernahme der ostdeutschen Mitglieder in die westdeutschen Gesellschaften erreichen; die Gesellschaft für Nephrologie der DDR wurde aufgelöst.

Die Tagungsorte für die Nephrologischen Gesellschaften waren auf Jahre voraus von den Vorständen festgelegt. In der Mitgliederversammlung 1991 der Jahrestagung in Heidelberg wurde nach einer lebhaften, interessanten Diskussion per Akklamation dafür gestimmt, dass der Kongress 1995 in Abänderung des ursprünglichen Planes in Jena unter der Leitung von Prof. G. Stein stattfinden soll. Diese ehrenvolle Aufgabe haben wir gern übernommen, der Großteil der in der Nephrologischen Abteilung tätigen Ärzte und Wissenschaftler, aber auch technische Mitarbeiter des Klinikums waren in die Vorbereitung, Organisation und Durchführung des Kongresses vom 23.-26. September 1995 einbezogen und haben sich begeistert engagiert. Veranstaltungsort waren die Aula, Hörsäle und Seminarräume des Universitätshauptgebäudes, ein starker Kontrast zu den sonst in den renommiertesten Hotels bundesrepublikanischer Großstädte durchgeführten Tagungen; zu unserer Freude fand diese Veranstaltung auch diesbezüglich eine große positive Resonanz.

Prof. H. Thieler, Erfurt hat als Vertreter der Arbeitsgemeinschaft für Nephrologie an der Organisation aktiv teilgenommen. Der im Vorjahr in Zürich (Prof. H. Murer) begonnene Prozess der Zusammenlegung der beiden Gesellschaften wurde in Jena mit der Gestaltung des Programms fortgesetzt.

Für mich war es eine große Freude und Genugtuung, alle Vorsitzenden der Gesellschaft für Nephrologie der ehemaligen sog. Ostblockländer, mit denen wir zu DDR-Zeiten etwas Kontakt hatten und die sich nun in einer ähnlichen, neu einzurichtenden Situation wie wir befanden, nach Jena einzuladen und als Gäste zu bewirten. Bei einem Mittagessen im Lutherzimmer des Hotel Schwarzer Bär haben wir in einer sehr guten, optimistischen Atmosphäre viele Probleme besprochen und versucht, Fragen zu beantworten. Es war Aufbruchstimmung!

Symposium „Advanced Glycation Endproducts (AGEs)“ 2000 und 2003

Nachdem die wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema der Advanced Glycation Endproducts (AGEs) erfolgreich verliefen, zahlreiche Wissenschaftler auf diesem Gebiet der Einladung zum Vortrag und zur Diskussion nach Jena gefolgt waren, die internationale Kooperation mit den USA, Japan u.a. sich zunehmend entwickelte, entschlossen wir uns im Jahr 2000, das Symposium „Advanced Glycation Endproducts (AGEs)“ im Hotel Esplanade in Jena durchzuführen.

Der Erfolg dieser Veranstaltung ermutigte uns, das Second Symposium “Advanced Glycation Endproducts (AGEs)” 2003 ebenfalls im Hotel Esplanade in Jena zu veranstalten. Es verlief wieder auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau und war sehr erfolgreich. Dies war vor allem das Verdienst von Frau PD S.Franke.

Fortbildungsveranstaltungen

Akademie für ärztliche Fortbildung der DDR in Berlin-Lichtenberg und Akademie für ärztliche Fortbildung des Bezirks Gera in Gera Kaimberg

Die Hauptaufgaben der Akademie für Ärztliche Fortbildung der DDR Berlin-Lichtenberg waren die Qualifizierung von Führungskräften für das Gesundheitssystem in der DDR, die Ausbildung von Fachärzten, Fachzahnärzten und Fachapothekern sowie die Weiterbildung von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren zu Fachwissenschaftlern der Medizin. Die einwöchigen Lehrgänge für leitende Internisten und Weiterbildungsleiter zu Schwerpunkten der inneren Medizin fanden meist im Universitätsklinikum Jena statt.

Die auch meist einwöchigen Lehrgänge für Facharztkandidaten fanden in der Bezirksakademie Gera-Kaimberg statt. Die nephrologischen Themen bei diesen Veranstaltungen wurden von W. Gerhardt, H. Sperschneider, R. Fünfstück und G. Stein (Bezirksnephrologe) vorgetragen.

Nephrologie-Colloquien

1979 wurde das 1. Nephrologie-Colloquium „Probleme der Glomerulonephritis“ der Medizinischen Klinik und des Pathologischen Instituts der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Hörsaal des Pathologischen Instituts Jena durchgeführt.

Seit 1996 fanden jährliche Veranstaltungen des „Colloquium Nephrologicum Jenense“ (Prof. G. Stein, Dr. C.C. Hauffe) in Jena statt. Sie dienten als Fortbildungsveranstaltungen für die Nephrologen und andere Interessenten in Thüringen und darüber hinaus.

Jenaer Seminare zur Transplantationsmedizin

Bis 1990 erfolgte die Nachsorge der Patienten nach einer Nierentransplantation hauptsächlich in den Transplantationszentren, die lokalen Nephrologen folgten den dortigen Empfehlungen. Sie hatten aufgrund der geringen Anzahl an Patienten weniger Erfahrungen auf diesem Gebiet.

Mit der Etablierung des Transplantationszentrums in Jena, danach auch in Leipzig und Dresden stieg die Anzahl der transplantierten Patienten deutlich an, und bei Beibehaltung der Zentrumsnachsorge nahm die Versorgungsaufgabe für die niedergelassen Nephrologen zu. Mit den Seminaren zur Nierentransplantation sollte und wurde der Kenntnisstand zu den Besonderheiten der Betreuung nierentransplantierter Patienten optimiert und damit eine gute medizinische Versorgung der Patienten garantiert werden; andererseits dienten diese Veranstaltungen auch der erweiterten kollegialen Zusammenarbeit, der Vertrauensbildung und der Erhöhung der Anzahl der Patienten auf der Warteliste für eine Nierentransplantation in Jena.  Dies ist vor allem das Verdienst von Frau Prof. H.Sperschneider.

Arzt-Patienten-Seminar zu Fragen des hohen Blutdrucks

Seit 1990 fand jährliche eine Veranstaltung „Arzt-Patienten-Seminar zu Fragen des hohen Blutdrucks“ unter der Leitung von Prof. G Stein und Dr. U.Jansa in Jena statt, bei der Patienten über Ursachen, Folgen und Behandlung des hohen Blutdrucks und seiner Organschädigung informiert und viele Fragen aus dem meist sehr interessierten Publikum beantwortet wurden.

„Nierenwoche“

Des Weiteren wurde ab 1999 einmal im Jahr für die Bevölkerung eine Nierenwoche organisiert, bei der über Ursachen, Krankheitserscheinungen und Folgen der verschiedenen Nierenerkrankungen informiert und Presseberichte veröffentlicht wurden.

Fränkisch-Thüringisches Chefarztseminar „Herz und Niere“, alternierend Bamberg und Jena

Bei diesen Veranstaltungen von Kardiologen und Nephrologen aus Franken und Thüringen, aber auch darüber hinaus, wurden unter der Leitung von Prof. W. Schulz, Bamberg und Prof. G. Stein kardiologische und nephrologische Themen besprochen und kollegiale wie auch freundschaftliche Verbindungen geknüpft.

Ärzte-Seminare Karlsruhe (Prof. K. Kühn, Karlsruhe, Prof. C. A. Baldamus, Köln, Prof. G. Stein, Jena)

Prof. K. Kühn hat einen jährlich stattfindenden Intensivkurs Nieren- und Hochdruckkrankheiten ins Leben gerufen und Prof. C. A. Baldamus, Köln und mich in die Leitung einbezogen. Der Kurs richtete sich an Internisten, Allgemeinmediziner und Nephrologen und bot eine komplexe Vermittlung der Nieren-und Hochdruckkrankheiten durch die Beiträge der führenden Nephrologen in Deutschland an. Diese Veranstaltung war sehr angesehen und immer ausgebucht. 

Nephrologisches Colloquium Jena-Karlsruhe

Diese Veranstaltungsreihe entstand aus einer Verbindung zwischen K.W.Kühn, Karlsruhe und G.Stein, Jena, die während der Tagung der Gesellschaft für Nephrologie der DDR in Cottbus entstand. Prof. K. Kühn, Frankfurt a. M. hatte in einer von mir geleiteten Sitzung einen sehr interessanten Vortrag über tierexperimentelle Untersuchungen zur Pathogenese der Glomerulonephritis gehalten und im nachfolgenden lockeren Pausengespräch von seiner schönen Zeit im Thomanerchor Leipzig und über die „Republikflucht“ mit seiner Mutter berichtet. Beides hat mich sehr berührt und viel Sympathie hervorrufen.

Nach der Einheit Deutschlands wurde dieser Faden wiederaufgenommen –  Prof. K.  Kühn war inzwischen zum Chefarzt der Klinik für Innere Medizin in Karlsruhe berufen –  und das Nephrologische Colloquium alternierend in Karlsruhe und Jena durchgeführt, bei dem jeweils ca. 5 Vorträge von Mitarbeitern aus den beiden Kliniken gehalten und diskutiert wurden. Der Höhepunkt waren die nachfolgenden gemeinsamen abendlichen Zusammenkünfte und lebhaften Diskussionen.

Veranstaltungen des Kuratoriums der Gesellschaft für Nephrologie

Von Prof. P. Weidmann (Bern) wurde das Kuratorium der Gesellschaft für Nephrologie mit starker Beteiligung der Industrie gegründet. Zu den Schwerpunktaufgaben des Kuratoriums zählten die Organisation von Update-Seminaren in Nephrologie und Hypertonie gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Gesellschaft für Nephrologie in 7 osteuropäischen Ländern (Polen, Rumänien, Russland, Bulgarien, Slowenien und Kroatien, Ukraine, Slowakei). Diese Veranstaltungen wurden in hervorragender Weise von dem Vorsitzenden des Kuratoriums, Prof. A. Heidland, Würzburg mit überwiegend deutschen Nephrologen vorbereitet und durchgeführt; ich durfte mich beteiligen und habe mich ebenso wie die anderen Teilnehmer über diese Kontakte, die Aufgeschlossenheit und den Willen der Zusammenarbeit in der neuen europäischen Konstellation der Länder gefreut.

Endlich waren die Grenzen offen, der fachliche und wissenschaftliche Meinungsaustausch und die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit unbegrenzt gegeben. Nach diesen Veranstaltungen haben in unserer Klinik in Jena als Gäste zwei junge Kolleginnen aus Russland (Jekaterinburg) und aus Bulgarien (Sofia) zum Teil mehrmals hospitiert.

Mitgliedschaft und Tätigkeit in Wissenschaftlichen Gesellschaften

Zumeinen wissenschaftlichen Aufgaben gehörte auch die Tätigkeit in Wissenschaftlichen Gesellschaften, wie

International Society of Nephrology, American Society of Nephrology, European Society of Artificial Organs, European Renal Association, European Dialysis and Transplant Association, Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte e. V.,Gesellschaft für Fortschritte in der Inneren Medizin, Royal College of Physicians of Edinburgh, FRCP Edinb.

sowie in den Editorial Boards von

Kidney International, Blöd purification, Nephrology Dialysis Transplantation, European Journal of Medical Research, Kidney and Blood Pressure Research, Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Medizinische Welt, Medizin im Bild-Zeitschrift für Diagnostik, Therapie und Fortbildung, Intensiv- und Notfallbehandlung, Nephrologie im Dialog sowie als Mitherausgeber der Zeitschrift „Medizinische Welt“.

Mitgliedschaften und Leitungstätigkeit

Von 1991 bis 1995 war ich Mitglied des Vorstandes der Gesellschaft für Nephrologie, von 1994 – 1995 deren Vorsitzender sowie von 1991 – 1994 Stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Nephrologie.

1992 – 1998  Mitglied des Ausschusses der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. als Vertreter der Gesellschaft für Nephrologie

1999 – 2003  Vorsitzender der Gesellschaft für Innere Medizin Thüringens

1990 – 1995   Ärztlicher Direktor des Klinikums der FSU Jena

1997 – 1999   Dekan der Medizinischen Fakultät der FSU Jena

1996 – 2000   Fachgutachter der DFG für das Fach Innere Medizin/Nephrologie im Auftrag der Gesellschaft für Nephrologie

1996 – 2002   Mitglied des Präsidiums des Medizinischen Fakultätentages

2003 – 2012   Vorsitzender der Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung der LÄK Thüringen

Seit 1999 Mitglied Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, seit 2008 Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina

Ehrungen

1996   Bundesverdienstkreuz

2009   Franz Vollhardt-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie

2014   Ernst-von-Bergmann-Plakette für Verdienste um die

ärztliche Fortbildung der Bundesärztekammer

2017   Paracelsus-Medaille der Bundesärztekammer

Schlußbemerkungen

In der Bilanz meines beruflichen Lebens steht das Wort Dankbarkeit an erster Stelle, gefolgt von Demut und dem Glücksgefühl des Erfolges.

Ich bin dankbar für eine gute, solide und breit gefächerte kulturvolle Bildung in der Grundschule und in der Oberschule mit dem Höhepunkt des Abiturs.

Ich bin dankbar, dass ich an der Friedrich-Schiller-Universität Jena immatrikuliert wurde und mit staatlicher Unterstützung Medizin studieren durfte. Unser Studienjahr hat sich nach dem Staatsexamen bis 2021 in Abständen von 5, später 2 Jahren getroffen und die Erinnerung an die Studienzeit wachgehalten und gefeiert.

Mein beruflicher Weg als Arzt wäre sicher anders, wahrscheinlich aber nicht uninteressanter, nicht weniger aufregend oder zufriedener verlaufen, wenn mich die Universität nach dem Staatsexamen nicht eingeladen hätte, hier die Weiterbildung zu absolvieren. Hier bin ich dann durch die besonderen Umstände des politischen Systems „hängen geblieben“, darüber war und bin ich bis heute nicht unglücklich, sondern dankbar gewesen.

Die komplexe und anspruchsvolle Aufgabe als Universitätsangehöriger nicht nur die beste medizinische Betreuung den Patienten zukommen zu lassen, sondern auch den Nachwuchs heranzubilden sowie wissenschaftlich arbeiten zu können, hat mich von Anfang an begeistert und meinen beruflichen Werdegang bestimmt. Die Erfolge der 44-jährigen Tätigkeit wurden in der Zusammenarbeit mit vielen Kollegen und Mitarbeitern der Klinik darunter meinen Sekretärinnen, Frau M. Loewa und Frau B. Moxter, aber auch vieler Kollegen und Freunden anderer Einrichtungen und Institutionen in Jena, in Deutschland und im internationalen Raum erreicht. Die fachliche und wissenschaftliche Kooperation gehörte zu den Grundprinzipien der Arbeit mit der gemeinsamen Freude, wenn ein Ziel erreicht wurde. In der Klinik wurden zahlreiche Facharzt- Weiterbildungen, Subspezialisierungen Nephrologie abgeschlossen, 8 Mitarbeiter der Klinik haben sich habilitiert, 5 Diplomarbeiten wurden abgeschlossen, über 90 Doktoranden wurden durch mich promoviert, weitere ca.20 Promotionen wurden durch die Betreuung von Mitarbeitern, speziell von Prof. H. Sperschneider und Prof. R. Fünfstück abgeschlossen.

Ich war stolz, wenn meine Oberärzte und Fachärzte als Chefärzte renommierter Krankenhäuser oder in Wahrnehmung anderer leitender Funktionen sowie in die freiberufliche Tätigkeit gehend die Klinik verlassen haben. Ich habe dies immer als eine wichtige Aufgabe einer Universitätsklinik angesehen.

Ich bin dankbar, dass trotz mancher Hürden durch die gesellschaftspolitische Situation in der DDR der berufliche Weg bis 1989 zwar etwas langsamer als normal und auch etwas holprig nach oben führte, aber die Erfolge und die Zufriedenheit in der Tätigkeit wurden dadurch nicht maßgeblich oder gar anhaltend beeinflusst.

Unser großes Glück begann am 9. November 1989; am 11. November war ich nach 21 Jahren gemeinsam mit meiner Mutter und unserer Tochter wieder in West-Berlin, wir sind zu Fuß – der Bahnverkehr war nahezu zusammengebrochen – am Kudamm, im Zoo, im Lustgarten, am Brandenburger Tor unterwegs gewesen und unsere Freude, Hoffnungen und Erwartungen waren riesengroß; wahrscheinlich waren Einige zu euphorisch. Endlich durften wir sagen, singen, lesen, schreiben, hören was und reisen wohin wir wollten.

Für mich war es der Beginn einer außerordentlich intensiven und zeitaufwändigen Tätigkeit, die eigene Klinik für Innere Medizin mit zwei C3 Professuren zu strukturieren, die fachliche Qualifikation der Mitarbeiter zu organisieren, die Lehre zu gestalten (ich habe mich nie in der Vorlesung vertreten lassen) und die Grundlagen für eine moderne Forschungsabteilung zu schaffen, damit die wissenschaftliche Reputation der Klinik im nationalen und internationalen Rahmen durch Vorträge und Publikationen präsent wird. Ich erfuhr von vielen Mitarbeitern eine große Unterstützung, und wir hatten oft und viel Grund zur Freude und zum Feiern.

Zum anderen galt es kurz nach der Wende in einem „full time job“ als Ärztlicher Direktor des Klinikums in Zusammenarbeit mit der Leitung der Universität und des zuständigen Ministeriums die oben geschilderten komplizierten Aufgaben der Strukturierung mit zahlreichen Neuberufungen, der baulichen Erhaltung, Rekonstruktion und Planung des Neubaus eines Gesamtklinikums, den Veränderungen in der Lehre (Approbationsordnung) und der Aktivierung der wissenschaftlichen Tätigkeit aller Einrichtungen einschließlich der Einwerbung von Drittmitteln zu meistern. An diesem Strick zogen u.a. meine Studienfreunde, die Profs. W. Linß (Anatomie), A. Stelzner (Virologie), H.-J. Seewald (Geburtshilfe) kräftig mit; Frau CH. Marschner war als eine enge Mitarbeiterin und Vertraute maßgeblich an den erfreulich guten Ergebnissen beteiligt. Ihr gilt mein besondere Dank !.

Die Tätigkeit danach als Dekan der Fakultät (Vergütung 104 DM/Monat wurde von mir abgewiesen und auf das Konto von Tschernobyl überwiesen) war nicht weniger interessant und anspruchsvoll, aber nicht so zeitaufwendig und stressig.

Die für diese Tätigkeiten erhaltenen Ehrungen haben mich erfreut.

Ich bin dankbar, dass ich nach der Beendigung meiner Tätigkeiten im Klinikum nicht in ein tiefes Loch der Untätigkeit und des Unglücklichseins fiel, sondern zwölf Jahre als Vorsitzender der Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung der Landesärztekammer Thüringen zahlreiche Veranstaltungen organisieren und leiten durfte.

Darüber hinaus durfte ich mich als Gutachter für die Deutsche Rentenversicherung Bund, für die Außenstelle in Hannover, für mehrere Gerichte und für die Beihilfestelle des Thüringer Landesamt für Finanzen betätigen.

Ich bin dankbar, dass ich entgegen der Generation meiner Großeltern und meiner Eltern nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 keinen Krieg erleben musste. Nach der am 24.01.1962 in der DDR durchgesetzten und verordneten Wehrpflicht wurde ich für die Infanterie gemustert, jedoch nicht eingezogen und musste also keinen Wehrdienst ableisten, wie es Generationen nach mir tun mussten, wenn sie einen Studienplatz, insbesondere in der Medizin erhalten wollten.

Am Ende danke ich besonders meiner Familie, meiner Mutter, den Großeltern, meiner Frau, unserer Tochter nebst Schwiegersohn und Enkeltochter, dass durch sie neben dieser enorm zeitaufwendigen, intensiven beruflichen Tätigkeit auch viele schöne andere Aspekte des Lebens, wie Kultur, Musik, Reisen, Geselligkeit für uns bereitgehalten und genutzt wurden und uns sowie vielen Freunden und Bekannten Freude, Glück und Zufriedenheit bescherten.

Für all das bin ich sehr dankbar!

Publikationen

Stein, G., B. Osten, H. J. Stolpe                                                                      Möglichkeiten und Grenzen der Nephrologie in der ehemaligen DDR                       Nieren- und Hochdruckkr. 2009; 38: 553-560

Heidland, A., G. Stein, E. Ritz                                                                             Gemeinsame Tagungen der Gesellschaft für Nephrologie mit ausländischen Gesellschaften                                                                                                                    Nieren- und Hochdruckkr 2010; 39:367-374

Stein,G. ,W. Linß

Der Immatrikulationsjahrgang 1955 Human- und Zahnmedizin der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ein Rückblick auf Studium und Beruf.                                Ärzteblatt Thüringen 2012; 23: 298-304

Stein, G.                                                                                                                    Medizinische Versorgung in Pemba (Tansania) – Exemplarisch am Chake-Chake Hospital 1965/66 und 2011.Ein Erfahrungs- und Reisebericht                       Ärzteblatt Thüringen 2013; 24:426-434

De Santo, N., G, P. Altucci, A. Heidland, G.Stein, J. ST.B.Butkowski                       The role of emeriti and retired professors in medicine                                               QJM Advance Access 2014;105:405-407

Stein, G., S. Müller, R. Fünfstück                                                                           Geschichte der Gesellschaft für Innere Medizin Thüringens 1947-2015.                 Vom Neubeginn nach dem Krieg bis zur Gegenwart                                                       Ärzteblatt Thüringen 2016; 27:423-431

Stein,G., W. Linß                                                                                                                Die vorklinische Ausbildung der Immatrikulationsjahrgänge 1955 und 2015 in Jena als ein Beispiel für den Wandel des Medizinstudiums an der Friedrich-Schiller-Universität nach dem 2. Weltkrieg                                                                Ärzteblatt Thüringen 2017; 12:68

Stein, G.                                                                                                                             Nephrologie in Jena 1961-2004                                                                             Selbstdruck 2022

 

Prof. Dr. G. Stein
Foto: Scheere 24.03.2005