Für die diesjährige Ruhrtriennale hat der Neu-Intendant Johan SimonsRichard Wagners „Rheingold“ inszeniert und neben dem griechischen Dirigenten Teodor Currentzis mit seinem Ensemble Musica aeterna aus Perm auch den Elektromusiker Mika Vainio eingeladen.
Bereits im Foyer der Jahrhunderthalle in Bochum wirdder Besucher mit elektronisch-technoiden Klängen beschallt, die – man hat es gelesen- Richard Wagners Partituraufbrechen soll. Kann man sie überhaupt aufbrechen, und wie viel Walhall und Nibelheim passtzur Geschichte des Ruhrgebietes?
Walhall, das ist im oberen Drittel der Bühne eine Fassadeaus der Gründerzeit, ähnlich der der Villa Hügel, für Nibelheim muss die unterste Ebene reichen, wo sich der „Grund des Rheins“ in drei großen undflachen Wasserbecken ausbreitet. Und in der Mitte thront das riesige Wagnerorchester mit über hundert Musikern.und Statisten als Zuschauern. So wird schnell deutlich: Johan Simons führt das Dramain seiner Machbarkeit vor, als Werkstatt mit Illusionszerstörung im Sinne von Brecht. Die Rheintöchter sitzenauf Plastikstühlen und singen von dortihr „Wiegenlied der Welt“ ehe sie sich zu Alberich in die Wasserfluten begeben, Dort liegen drei Latexpuppen in Unterwäsche und der Schutt einer Stuckdecke samt Kohle (das Ruhrgold!), und es glitzert auch etwas Gold.Erda, die Ur-Wala, sitztschon am Rand, ein uraltes Mütterchen, mit derWotan dieBrünnhilde der „Walküre“ wohl nicht zeugen wird.. Simon scheint den „Ring“ bereits zu Ende gedacht zu haben, denn am Schluss stehen Fricka und Wotan statt zur bombastischen Musik Wagners nach Walhall einzuziehenim Wasserbecken herum, aufdemSchutt herrschaftlicher Architektur.„Ihrem Ende eilen sie zu“, singt Loge, aber die Götter sind schon am Ende.
Ein Diener begleitet das gesamte Geschehen (Frank Castorf lässt grüßen) und unterbricht vor dem Beginn der dritten Szene die Vorstellungmit einer ins Publikum geschleuderten Revolutionsrede.
Aber wie viel Revolution steckt in Wagners „Vorspiel“, dessen Prosa und Text er als letzten der vier Ringteile entworfen hat? 1848, noch im Vorfeld desRings hatte Wagner in optimistisch -revolutionärer Stimmungden Essay „Der Nibelungen-Mythus“ verfasst. Als er 1852 mit dem Prosaentwurf„Der Raub des Rheingolds“ begann, war die Revolution bereits gescheitert, und der ehemalige Barrikadenkämpfer saß in Zürich im Exil. Er war dabei, seine Weltanschauung zu ästhetisieren und seine Ideen zusehends in einem neuartigen Musiktheaterzu verwirklichen.Wohl auch deshalb fragte sich Johan Simons wiedie revolutionäre Kraft von Wagners Partitur in der „Industriekathedrale“ der Jahrhunderthalle neu zu erleben sei. Aber nebenWagners revolutionärer Musik wirkenVainios technoide Töne statt semantisch und klanglich zu verstärkennur wie Störgeräusche.
Johan Simons hat nichtals erster Regisseur das“Rheingold“ als Allegorie des Kapitalismus inszeniert und Sänger wie Menschen agieren lassen, die uns durchaus vertraut sind.. Mit Mythen und Märchen kann Simonnichts anfangen. Dabei gelingen ihm einige starke Bilder mit darstellerisch hoch motivierten Sängern wie Loge oder Alberich. Wegen des kammerspielartigen Charakters des „Rheingolds“ mit seiner psychologischen Ausrichtung aber läuft die Regie buchstäblich ins Leere. Und ohne jegliche Bühnentechnikkönnendie Sängerdarsteller nur in dem geschlossenen System des opulenten, Bühnenbildes und um das Orchester herum agieren..
Die Partitur von Wagner, seine Musik, bleibt immer ein Faszinosum. Von Minden bis Bayreuth, mit großen Orchestern und kleinen, ist sie immer „klüger“ als das Bühnengeschehen. Himmel, Erde und Wasser , Gefühle und Gedankenenhält sie, wechselt im „Rheingold“von Schwefelkluft-zu strahlenden Walhall- Klängen. „Alles mit furchtbarer Energie des Ausdrucks“ zu spielen, lautete eine Anweisung von Wagner anlässlich des ersten Bayreuther Rings. Und das gelingt Teodor Currentzis, dem jungen Dirigenten aus Perm mitseinen russischen Musikern samt Verstärkung im Wechsel von beseeltem Klang undAusbrüchen mit eruptiver Wucht.
Der Gesang,wo erlebt man dasbei Wagner, schmälert in manchen Szenendie Klangwirkung desOrchesters. Er ist notwendigerweise technisch verstärkt,undes ist schwer zu entscheiden, wie schön und klar gesungen wurde. Den Wotan (Mika Kares)möchte man auf jeden Fallmal ohne Headset hören, auch Alberich (Leigh Melrose).mit etwas weniger darstellerischer Intensität.
Das „Rheingold“ in Bochum als Abgesang auf das Industriezeitalter inmitten der Industriebrache der Jahrhunderthalle passt. Aber es ermöglichtauchganz andere Inszenierungen, denn vor dem Gott des Geldes kniet man auch heute noch nieder.
Die letzte Vorstellung findet am 26. September statt.
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