Gewichtige Gründe, die gegen Wirtschaftssanktionen gegen Russland sprechen

Sanktionen erreichen nicht ihr Ziel, insbesondere wenn die Ziele nicht benannt und nicht bekannt sind
Politische Entscheidungen zielen auf eine Richtung. Die Politiker erhoffen sich durch ihre Entscheidung, etwas bestimmtes zu bewirken. Das, was sie erreichen wollen, liegt in der Zukunft, die dem Menschen verborgen ist und erst dann sichtbar wird, wenn der zukünftige Zeitpunkt schon lange abgelaufen ist.

Ich erinnere an banale Ereignisse. Europäische Regierungen haben mit Hilfe hoch bezahlter Experten Gesetzte verabschiedet, um ihren CO2-Ausstoß zu minimieren. Trotz langer Debatten, hohen Mitteleinsatz und viel Gehirnschmalz hat der CO2-Ausstoß zugenommen. Weit weniger lustige Ereignisse sind Kriege, in denen der Westen und die Sowjetunion im Irak, in Libyen und in Afghanistan hereingeschlittert sind. Die Alliierten haben die Kriege geführt, um sie zu gewinnen, den Ländern Stabilität, Sicherheit und Wohlstand zu garantieren. Heute wissen wir, dass kein einziges Kriegsziel erreicht worden ist, die Sowjetunion hat in Afghanistan aufgehört zu existieren. Statt Al-Qaida droht nun der Islamische Staat, dessen Brutalität in seinen Anfängen uns in Europa bereits begegnet ist. Die bestialischen Anschläge werden erst noch kommen!

Es geht nicht darum nachzuweisen, ob die politischen Entscheidungen richtig oder falsch sind. Immerhin kennt jeder politische Entscheidungen, die sich als richtig herausgestellt haben. Es geht hier darum aufzuzeigen, dass keine Entscheidung ihr beabsichtigtes Ergebnis garantieren kann. Erschwerend kommt beim den Sanktionen Russlands, dass wegen divergenten Meinungen innerhalb der EU und der USA die Ziele, die erreicht werden sollen, nicht bekannt sind.

Folgende Ziele können vermutet werden, die Sanktionen rechtfertigen:

Russland soll den Krieg in der Ukraine beenden.
Russland soll die besetzte Ostukraine an die Ukraine zurückgeben.
Russland soll weiteren Ansprüchen auf Teile der Ukraine abschwören.
Russland soll die Krim an die Ukraine zurückgeben.
Russland soll sich verpflichten, keine weiteren Passagierflugzeug-Abschüsse über dem Territorium der Ukraine zu tolerieren.

Zumindest beim vorletzten Punkt „Krim“ herrscht zwischen den Mitgliedern der EU keine einhellige Meinung. Historisch und bevölkerungsmäßig ist die Krim ein Teil Russlands. Doch auch die übrige Ukraine mit Ausnahme der an Polen angrenzenden Gebiete ist Jahrhunderte lang ein integraler Bestandteil Russlands gewesen. Dem letzten Punkt der Liste hat Putin bereits zugestimmt.

Manche Sanktionen sind von Anfang an sinnlos

Die Sanktionen haben an Schärfe zugenommen, nachdem das Malaysische Passagierflugzeug über den umkämpften Osten der Ukraine abgeschossen worden ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben Separatisten das Flugzeug irrtümlich vom Himmel geholt, weil sie es für eine Militärmaschine gehalten haben. Als Konsequenz fliegen keine zivilen Flugzeuge mehr über die Ost-Ukraine. Ein solches schlimmes Ereignis wird sich somit (hoffentlich) nicht wiederholen. Wird der Tod der unschuldigen Passagiere durch Sanktionen rückgängig gemacht? Fühlen sich die Angehörigen der Getöteten besser, wenn Russland mit Sanktionen belegt wird?

Sanktionen als Rache

Wirtschaftliche Sanktionen sind ein vielschneidiges Schwert. Sie schaden nicht nur Russland, sondern auch der EU. Die Schäden der EU mögen geringer ausfallen als die Schäden für Russland. Doch was nützt es uns, den Europäern? Fühlen wir uns besser, wenn wir die steigenden Energiekosten nicht begleichen können, nur weil gleichzeitig die Russen frieren?

Als Konsequenz von Sanktionen ist eine wirtschaftliche Rezession in Deutschland und Europa nicht auszuschließen. Die Politiker, die die Sanktionen beschließen, werden auf Grund ihres Reichtums davon nicht berührt. Doch gibt es in Europa, auch in Deutschland, Menschen, die am Rande des Existenzminimums leben. Sie werden die Rezession schmerzhaft am eigenen Leib spüren. Sie werden die Bestraften sein!

Die Wirkungslosigkeit von Sanktionen, die von vornherein bekannt ist

Am Beispiel des Iran kann man die Wirkungslosigkeit von Sanktionen hautnah miterleben. Trotz wirtschaftlicher Sanktionen ist der Iran keinen Jota von seinem Ziel abgewichen, eine Atombombe zu bauen, um seine Nachbarn und den Westen zu bedrohen. Lediglich die Wortwahl hat sich geändert. Die Sanktionen haben das Iranische Volk verarmt, ohne dass es zum erhofften Aufstand der Massen gegen das Mullahregime gekommen ist. Ein militärisches Ziel lässt sich nicht wirtschaftlich erreichen! Wenn der Westen davon ausgeht, dass Iranische Atomwaffen eine Gefahr für seine Sicherheit ist, muss es militärisch vorgehen, um Erfolg haben zu können. Eine Garantie fürs Gelingen gibt es nicht. Es ist jedoch garantiert, dass wirtschaftlicher Druck unwirksam ist. Nicht nur weil viele europäische und deutsche Firmen die Sanktionen aus Gewinnsucht unterlaufen.

Russland als notwendiger Partner geht verloren

Gemeinsames wirtschaften bedingt gemeinsame Politik. Es gibt einige Brennpunkte, die nur mit Hilfe Russlands gelöst werden können. In Syrien und im Irak geht das Morden weiter, über das derzeit aus Opportunität und Desinteresse im Westen, wie im Osten, wie in der arabischen Welt geschwiegen wird. Unser NATO-Verbündeter Türkei unterstützt und bekämpft gleichzeitig die Kurden, indem er den Islamischen Staat militärisch unterstützt. Ein vom Westen sanktioniertes Russland wird alles tun, Krisenherde zu erhalten, sogar wenn es sich selber dadurch schadet. Putin wir es genügen, wenn der Westen ebenfalls geschädigt wird. Seine strategische Verhaltensweise unterscheidet sich in Nichts von der der EU und der USA.

Steigende Kriegsgefahr

Wenn der Westen die militärische Lage in der Ukraine zu seinen Gunsten verändern will, muss es militärisch tätig werden! Das will und kann der Westen nicht. Wirtschaftlicher Druck ist ein unvollkommener und nicht ausreichender Ersatz. Sollte der Herrscher Russlands sich an die Wand gedrückt sehen und keinen Ausweg mehr erkennen, dann könnte er den Krieg in der Ukraine auf die Baltischen Staaten ausweiten. Teile des Baltikums sind von Russen besiedelt. Putin rechnet damit, dass keiner seiner Gegner seinen NATO-Bündnisverpflichtungen nachkommen wird. Sollte Putin sich irren, dann findet 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges der letzte Weltkrieg statt.

Mit Sanktionen schaden wir uns politisch und wirtschaftlich, ohne ein einziges Ziel zu erreichen.

Finanzen

Über Nathan Warszawski 535 Artikel
Dr. Nathan Warszawski (geboren 1953) studierte Humanmedizin, Mathematik und Philosophie in Würzburg. Er arbeitet als Onkologe (Strahlentherapeut), gelegentlicher Schriftsteller und ehrenamtlicher jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft zu Aachen.

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