Bereits Anfang April verlieh Bundesgesundheitsminister Jens Spahn seiner Hoffnung Ausdruck, in Kürze effektive Medikamente zur Behandlung von Covid-19 einsetzen zu können. Es gebe „erste Hinweise“, so der Minister damals, dass gewisse Medikamente helfen könnten. Vor diesem Hintergrund zeigte sich Spahn überzeugt, dass ein Medikament wesentlich früher auf dem Markt sein werde als ein Impfstoff.
Die zeitliche Abfolge war dann doch eine andere. Erst kamen – in unzureichender Menge – die Impfstoffe. Jetzt hat Spahn von der Firma Regeneron Pharmaceuticals 200.000 Dosen des Antikörpermedikaments Casirivimab/Imdevimab gekauft (zum Preis von 400 Millionen Euro). Die Namen Casirivimab/Imdevimab bezeichnen zwei Komponenten, die auf dem Wege intravenöser Infusion gleichzeitig verabreicht werden müssen. Mit einer frühzeitigen Gabe des Medikaments sollen in Fällen von leicht bis mittelschwer erkrankten Risikopatienten schwere Krankheitsverläufe verhindert werden können. Noch ist das Medikament nicht zugelassen, darf aber dennoch eingesetzt werden und durfte in den USA im Rahmen einer Notfallgenehmigung ab 21. November 2020 verabreicht werden.
Auf den ersten Blick wirkt all dies durchaus positiv, scheint es sich doch um eine allgemeine Verfügbarmachung eines bislang relativ exklusiven Medikaments zu handeln, das eher prominenten Covid-19-Patienten wie Donald Trump zur Verfügung stand.
Allerdings fragt es sich, warum der Gesundheitsminister nun gerade auf das vergleichsweise teure Medikament Casirivimab/Imdevimab gesetzt hat. Denn im Frühjahr 2020 zeigte sich, dass die diesem Medikament zugeschriebenen Eigenschaften insbesondere auch bei Ivermectin anzutreffen sind. Und im Unterschied zu Casirivimab/Imdevimab ist Ivermectin seit Jahrzehnten – etwa zur spektakulär erfolgreichen Bekämpfung der Flussblindheit – erprobt. Nebenwirkungen konnten über Jahrzehnte studiert werden, wobei sich zeigte, dass sie vergleichsweise minimal sind. Im zurückliegenden Jahr erwies sich Ivermectin bei der Prophylaxe und Therapie von Covid-19 als erfolgreich. Dies betrifft sowohl internationale Studien als auch den Einsatz zumal in Südamerika, was u.a. durch diese detaillierte Studie von Dr. Pierre Kory et al. belegt wird: Review of the Emerging Evidence Demonstrating the Efficacy of Ivermectin in the Prophylaxis and Treatment of COVID-19.
Vor diesem Hintergrund stellen sich zwei Fragen: Wurden die bis auf Weiteres erfolgversprechenden Studien zu Ivermectin und Anwendungen von Ivermectin vom Gesundheitsminister gebührend berücksichtigt? Und wenn ja: In welcher Weise wurde darüber Rechenschaft abgelegt und was gab den Ausschlag zuungunsten von Ivermectin? Diese Fragen bedürfen einer Beantwortung, da Ivermectin im Hinblick auf Nebenwirkungen unvergleichlich besser erprobt und mit Blick auf die Anschaffungskosten unvergleichlich viel günstiger ist als Casirivimab/Imdevimab. Was bedeutet, dass mit Ivermectin – eine ähnliche Wirksamkeit vorausgesetzt – eine sehr viel größere Anzahl an Patienten versorgt werden könnte als mit dem neuen Medikament.
Bislang konnte gegen den Einsatz von Ivermectin vorgebracht werden, dass es für Covid-19-spezifische Applikationen noch Sicherheitsbedenken gibt. Aber diese Bedenken bestehen in noch größerem Maße im Hinblick auf Casirivimab/Imdevimab, worüber der Hersteller denn auch offen informiert:
„Für Casirivimab und Imdevimab gibt es keine FDA-Zulassung für die Anwendung. Die Sicherheit und Wirksamkeit von Casirivimab und Imdevimab sind für die Behandlung von COVID-19 nicht eindeutig nachgewiesen.“
„Ein therapeutischer Nutzen von Casirivimab und Imdevimab wurde bei Patienten, die aufgrund von COVID-19 hospitalisiert wurden, nicht beobachtet.“
„Casirivimab and imdevimab are not FDA approved for any use. Safety and effectiveness of casirivimab and imdevimab have not been fully established for the treatment of COVID-19.“
„Benefit of treatment with casirivimab and imdevimab has not been observed in patients hospitalized due to COVID-19.“
(https://www.regeneron.com/casirivimab-imdevimab [aufgerufen am 25.1.2021])