Schon Udo Lindenberg war der Meinung: „Hinterm Horizont geht's weiter!“ Nun ist der Begriff Horizont ein weites Feld. Den zuweilen beschränkten menschlichen hat wohl jeder schon einmal erlebt. Ein Beobachter, der sich auf der Erde unter freiem Himmel befindet, sieht den Horizont als Berandungslinie von Erde und Himmel. In der Relativitätstheorie wiederum trennt er Ereignisse (Weltpunkte) von einem Außenbeobachter (Ereignishorizont). Wenn es um die Sichtbarkeit von Gestirnen geht, spielt der Horizont gleichfalls eine Rolle. Das Wort, das aus dem Griechischen kommt und vollständig eigentlich horizon kyklos heißt, bedeutet 'begrenzender Kreis'. Allgemein gilt: Der Horizont trennt Beobachtbares von Unbeobachtbarem. Harald Lesch, der einer breiten Öffentlichkeit durch die Sendereihen „alpha-Centauri“ sowie „Abenteuer Forschung“ bekannt sein dürfte und Jörn Müller tragen in ihrem Buch ein wenig dazu bei, diese Trennlinie aufzureißen. Sie nehmen den interessierten Leser auf eine spannende und äußerst interessante Reise in die Weiten des Universums und wieder zurück bis ins Innere unserer Grundbausteine mit.
Dabei haben die beiden Physiker dem Fragewörtchen „wie“ eine zentrale Bedeutung beigemessen. „Denn mit einem 'wie' beginnen nahezu alle Verständnisfragen. Wie funktioniert das? Wie läuft dieser Prozess ab? Wie kann man sich das erklären?“, so die Autoren. Unser Universum ist für diese Fragen geradezu prädestiniert. Es präsentiert jede Menge ungewöhnliche Objekte und verwirrende Vorgänge. Da blasen sich Sterne regelmäßig auf, um sich hernach wieder zusammenzuziehen. „Oder aus den Tiefen des Alls erreicht uns urplötzlich ein nur Sekunden andauernder Strahlungsblitz, der mehr Energie transportiert, als unsere Sonne während ihres rund zehn Milliarden Jahre langen Sternenlebens erzeugt.“ Da existieren unvorstellbar große Sterne, die, setzte man sie anstelle unserer Sonne, diese nebst Mars verschlucken würden. „Auch die Tatsache, dass das Element Kohlenstoff, der Grundbaustein allen Lebens, in ausreichender Menge im Universum vorkommt, verdankt sich im Grunde einem glücklichen Zufall.“
In vierzehn Kapiteln stellen Lesch und Müller einige dieser merkwürdigen Objekte und bizarr erscheinenden Vorgänge vor. Dabei ist so ein extravagantes „Theater“ wie auf dem Merkur, der mit einem doppelten Sonnenauf- und -untergang aufwartet, noch leicht nachzuvollziehen. Auch der vom ehemaligen Staatsratsvorsitzenden der DDR geäußerte Slogan: „Überholen ohne einzuholen!“ bekommt bei Harald Lesch und Jörn Müller eine praktische, planetare Anwendbarkeit. Mitunter setzt der vermittelte Stoff allerdings ein gutes physikalisches Grundverständnis voraus. Vor allem dann, wenn einem Begriffe wie Schleifen-Quantengravitation, Triple-Alpha-Prozess, Charm- und Strange-Quark (nicht zum Verzehr bestimmt!), Myon-Neutrino oder Leptonen um die Augen wirbeln. Doch versuchen die beiden Autoren den Stoff auch einem interessierten Laien gut verständlich und gewohnt humorvoll zu vermitteln. Zumal es nicht einmal den „Experten“ gelingt, alles zu verstehen. Denn „noch immer bedürfen viele Theorien einer Bestätigung durch Experiment oder Beobachtung. Der Faszination tut das jedoch keinen Abbruch.“ Schon Einstein soll gesagt haben: „Wenn man gar nicht gegen die Vernunft sündigt, kommt man zu überhaupt nichts.“ Warum also nicht aus einem vielleicht isolierten Horizont einen vertrauten machen. Egal, ob es dahinter nun weitergeht oder nicht. Man muss sich ja nicht gleich mit den „Losern“ unseres Sonnensystems – den Asteroiden – identifizieren. Warum Loser? Lesen Sie selbst. Es lohnt sich.
Harald Lesch, Jörn Müller
Sternstunden des Universums.
Von tanzenden Planeten und kosmischen Rekorden
C. Bertelsmann Verlag, München (November 2011)
268 Seiten, Gebunden
ISBN-10: 3570100758
ISBN-13: 978-3570100752
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