Georg Büchner-Preis für die Lyrikerin Elke Erb

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Der höchste deutsche Literaturpreis, der seit 1951 von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung verliehen wird, ging in letzter Zeit überwiegend an Dramatiker oder Romanschriftsteller. Der erste Preisträger war Gottfried Benn (1951). Ihm folgten bald die bedeutsamsten Lyriker der Nachkriegszeit: Marie Luise Kaschnitz (1955), Karl Krolow (1956), Günter Eich (1959), Paul Celan (1960) und Ingeborg Bachmann (1964). Mit Elke Erb wird jetzt im Jahr 2020 wieder eine Lyrikerin mit dem Georg Büchner-Preis geehrt. Die längste Zeit ihres Lebens hat Elke Erb in der DDR verbracht. Sie war Mitglied der „Sächsischen Dichterschule“, wie auch ihre Schriftstellerkollegen Sarah Kirsch, Volker Braun und Urs Grünbein – die ebenfalls schon den Georg- Büchner-Preis erhalten haben.

Kurzbiographie

Elke Erb wurde am 18. Februar 1838 in Scherbach, einem kleinen Dorf in der Voreifel geboren. In dem kleinen Eifelort erlebte sie die Kriegsjahre. Sie erzählte von einem abgestürzten Flugzeug, das auf den Feldern lag, von amerikanischen Panzern, die über die Dorfstraße rollten. Ihr Vater war der Literaturwissenschaftler Ewald Erb, der nach dem Krieg an der Universität Halle lehrte. Er holte seine Familie im Jahr 1949 zu sich nach Halle. Elke hat noch zwei Schwestern. Ihre ältere Schwester Ute wurde ebenfalls Schriftstellerin. Nach ihrem Umzug in die DDR waren sie und ihre beiden Schwestern zwei Jahre lang in einem Kinderheim. Sie besuchte das Gymnasium und war eine sehr gute Schülerin. Nach dem Abitur war Elke Erb zwei Jahre lang Landarbeiterin. Von 1959 an studierte sie Germanistik, Slawistik, Geschichte und Pädagogik in Halle. Sie machte 1963 ihr Lehrerexamen, ging aber nicht in den Schuldienst, sondern wurde Lektorin im Mitteldeutschen Verlag. Seit 1966 ist sie freie Schriftstellerin und Übersetzerin. Von 1967 bis 1978 war sie mit dem Schriftsteller Adolf Endler verheiratet. Die jetzt 82 Jahre alte Schriftstellerin wohnt in Berlin und in Wuischke in der Oberlausitz.

Ihr dichterisches Werk

Elke Erb hat etwa 30 Bücher geschrieben und mehr als 20 davon sind Gedichtbände. Für ihren wohl bekanntesten Gedichtband „Kastanienallee“ erhielt sie im Jahr 1988 den Peter-Huchel-Preis. Eine Besonderheit der Schreibweise von Elke Erb ist die „poetische Selbsterkundung“ durch Kommentare. In mehreren Gedichtbänden fügte sie einem kurzen Gedicht von drei oder vier Zeilen eine Flut von Kommentaren bei, die manchmal zwanzig Seiten lang waren. In diesen Kommentaren wird der Prozess ihres Schreibens transparent. In der Zeit von 1975 bis 1987 sind ihre Gedichtbände überwiegend im ostdeutschen Aufbau-Verlag erschienen. Nach der Wende hat sie mit dem Verleger Urs Engeler in der Schweiz einen neuen Verlag gefunden.

Literaturpreise und Auszeichnungen

Elke Erb hat mehr als zwanzig Literaturpreise und Auszeichnungen erhalten. Die wichtigsten sind: Peter-Huchel-Preis (1988), Heinrich-Mann-Preis (1990), Erich-Fried-Preis (1995), Georg-Trakl-Preis (2012), Ernst-Jandl-Preis (2013), Mörike-Preis (2018). Und jetzt erfolgte die Krönung durch den Georg-Büchner-Preis.

„Königin der poetischen Renitenz“

Zu ihrem 80. Geburtstag schrieb Michael Braun in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ ein ausführliches Portrait über die Dichterin. Darin charakterisiert er sie als „Königin der poetischen Renitenz“. Unter der Überschrift des Beitrags ist zu lesen: „Ihre Sprachkonturen sind scharfsinnig, ihr flirrender Humor stets überraschend, ihre Aufsässigkeit einzigartig.“ Michael Braun betonte ihren „legendären Eigensinn“, beschrieb sie als „exzentrische Dichterin“ und hob ihre „poetische Aufsässigkeit“ hervor. Mit ihrer Art konnte sie im SED-Staat nur Anstoß erregen. Nicht nur Michael Braun nahm diese Charakterzüge wahr, sondern auch ihre Schriftsteller-Kollegen. Der mit ihr gut bekannte Volker Braun nannte sie „Flipout-Elke“ und der Dichter Bert Papenfuß sagte: „Elke Erb war, ist und bleibt ausgeflippt, dem Teufel sei’s gedankt.“

Politisches Engagement – im Visier der Stasi

Die geschilderte Aufsässigkeit und Renitenz von Elke Erb zeigte sich auch in ihrem politischen Engagement. Man könnte ebenso sagen, sie sei mutig gewesen, habe Zivilcourage, eine unbestechliche Moral und Wahrhaftigkeit. Elke Erb hatte den Mut zum Protest – auch zum Protest gegen den diktatorischen SED-Staat. Im Jahr 1983 protestierte sie gegen die Ausbürgerung des Bürgerrechtlers Roland Jahn. Gemeinsam mit ihrem Mann Adolf Endler, Bärbel Bohley und anderen Bürgerrechtlern schrieb sie einen Brief an Erich Honecker. Spätestens seit dieser Zeit hatte sie die Stasi im Visier. Sie wurde überwacht und teilweise von Schriftsteller-Kollegen denunziert, die mit der Stasi zusammenarbeiteten. Eine schroffe Antwort des SED-Regimes war der Versuch, Elke Erb aus dem Schriftstellerverband der DDR auszuschließen. Zu dieser Zeit war der Schriftsteller Hermann Kant der Vorstandsvorsitzende des Verbandes.

Das prozessuale Schreiben

Es wurde bereits ausgeführt, dass die „poetische Selbsterkundung durch Kommentare“ ein Stilmittel von Elke Erb ist. Sie macht damit den kreativen Prozess ihres Schreibens transparent. Ihr „prozessuales Schreiben“ entspringt einem „unterschwelligen Ich“. Ein Psychoanalytiker würde sagen, es ist der kreative Prozess aus dem Unbewussten. Elke Erb kommentiert dies wie folgt: „Es spricht sozusagen von selbst, automatisch und es gilt, es bringt Sichten ein, von denen du nichts ahnst.“

Sind Worte unter sich, entscheiden sie.“

Dieser Satz ist sehr charakteristisch für die Lyrikerin Elke Erb. Für sie haben Worte eine Eigendynamik, sie suchen das Offene. Poesie ist für sie das „immerwährende Drängen nach Wahrheit“. Die Texte entstehen in einem kreativen Prozess, sie sind „Figuren des Werdens“. Elke Erb neigt zu Gedankensprüngen und überraschenden Assoziationen, die Ausdruck ihrer Offenheit und Freiheit sind.

Die Würdigung der Jury der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung 

Es ist in der Tradition des Georg-Büchner-Preises Usus, dass die Jury eine Begründung veröffentlicht, warum sie gerade diese Schriftstellerin mit ihrem Preis ehrt. Hierzu hat die Jury folgenden Wortlaut veröffentlicht:

„Mit Elke Erb ehrt die deutsche Akademie für Sprache und Dichtung ein unverwechselbares und eigenständiges schriftstellerisches Lebenswerk, dessen Anfänge 1975 in der DDR lagen und das sich nach deren Ende unbeirrt bis in die Gegenwart fortsetzt. Elke Erbs poetischer Sachverstand, der sich auch in ihrer reichen übersetzerischen Arbeit zeigt, beeinflusste mehrere Generationen von Dichterinnen und Dichtern in Ost und West. Ihre Gedichte zeichnen sich durch eine prozessuale und erforschende Schreibweise aus, in deren Verlauf die Sprache zugleich Gegenstand und Mittel der Untersuchung ist. Elke Erb gelingt es wie keiner anderen, die Freiheit und Wendigkeit der Gedanken in der Sprache zu verwirklichen, indem sie sie herausfordert, auslockert, präzisiert, ja korrigiert. Für die unverdrossene Aufklärerin ist Poesie eine politische und höchst lebendige Erkenntnisform.“

Literatur:

Braun Michael (2018) Die Königin des poetischen Eigensinns. Elke Erb. Die Zeit vom 18. Februar 2018

Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (2020) Elke Erb erhält Büchner-Preis 2020.

Erb Elke (1975) Gutachten. Poesie und Prosa. Aufbau Verlag, Berlin, Weimar

Erb Elke (1987) Kastanienallee. Texte und Kommentare. Aufbau Verlag, Berlin, Weimar

Erb Elke (1991) Nachts, halb zwei, zu Hause. Texte aus drei Jahrzehnten. Reclam Leipzig

Erb Elke (1998) Mensch sein, nicht. Gedichte und andere Tagebuchnotizen. Urs Engeler Editor, Basel und Weil am Rhein

Erb Elke (2018) Das Gedicht ist, was es tut. Reihe: Berliner Rede zur Poesie, Bd. 3/2018. Wallstein Verlag Göttingen

Hayer Björn (2020) Am Anfang steht Staunen. Cicero Online vom 7. Juli 2020

Marggraf Andrea (2013) „Hoffnung brauch‘ ich keine“. Die Lyrikerin Elke Erb. Deutschlandfunk Kultur – Literatur vom 19.2.2013

Schwab Waltraud (2018) Mit den Gedanken fliegen. Taz vom 10.2.2018

Korrespondenzadresse:

Professor Dr. med. H. Csef

Schwerpunktleiter Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

 Zentrum für Innere Medizin, Medizinische Klinik und Poliklinik II

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E-Mail-Adresse: Csef_H@ukw.de

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Über Herbert Csef 150 Artikel
Prof. Dr. Herbert Csef, geb. 1951, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker. Studium der Psychologie und Humanmedizin an der Universität Würzburg, 1987 Habilitation. Seit 1988 Professor für Psychosomatik an der Universität Würzburg und Leiter des Schwerpunktes Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums. Seit 2009 zusätzlich Leiter der Interdisziplinären Psychosomatischen Tagesklinik des Universitätsklinikums. Seit 2013 Vorstandsmitglied der Dr.-Gerhardt-Nissen-Stiftung und Vorsitzender im Kuratorium für den Forschungspreis „Psychotherapie in der Medizin“. Viele Texte zur Literatur.