Miriam Meckel, Das Glück der Unerreichbarkeit, Wege aus der Kommunikationsfalle, 4. Auflage 2008, Murmann-Verlag GmbH, Hamburg 2008, ISBN: 978-3-86774-002-9, Preis: 18.00 Euro
Ein Buch sorgte in letzten Jahren für Aufsehen, nicht nur weil es auch von Frank Schirrmacher jüngst in „Payback“ goutiert wurde, sondern auch, weil es eine Mehrzahl von Neuauflagen erfuhr. Gemeint ist Miriam Meckel und ihr „Das Glück der Unerreichbarkeit, Wege aus der Kommunikationsfalle“. Dies ist um so bemerkenswerter, weil die Medienwissenschaftlerin Meckel, die einen Lehrstuhl in St. Gallen innehat und dort Professorin für Corporate Communication ist, nichts wesentlich Neues bringt, als dies der Mediengeplagte ohnehin schon weiß, wenngleich sie mit einer Vielzahl von Statistiken unsere Abhängigkeit von den Technologien immer wieder untermauert, was dem ganzen Unternehmen den Anstrich professoraler Gelehrtheit geben soll.
Nun mag es am ewigen Verfall der neuesten Literatur liegen, daß einer Vielzahl von Büchern deutlich die Qualität abhanden kommt, aber bei Meckel zeigt sich darüber hinaus, daß dort eine, die mit der Kommunikation und mit einer durchweg genossenen und zelebrierten Selbstmedialisierung groß geworden ist, diese nun verdammt und geradezu die Unerreichbarkeit zum letzten Ziel des Glücks stilisiert wissen will. Immer ist dabei von freiem Willen und Fremdbestimmtheit, von der „Tyrannei der Entscheidung“, von „Datenflut und Denkebbe“ die Rede, immer wieder schwankt das Ich zwischen Selbstreduktion und unerhörter Bedrängtheit, nur ist dies keineswegs neu, sondern neu ist nur die Form, in der dies nun geschieht.
Was aber gerade an dieser Art und Weise des Argumentierens stört, ist und bleibt, daß die einst so gepriesene Mediengeilheit, die egomanische Selbstverliebtheit in die Möglichkeiten der neuen Kommunikation, nunmehr Branchenintern gescholten wird, von einer Branche, die vor Jahren noch frenetisch die neuen technischen Errungenschaften bis zur Ermüdung feierte; die Vielzahl von Lehrstühlen, die in den letzten Jahren eigens für diese „Wissenschaft“ gegründet wurden, belegen die Nachhaltigkeit von einer Denke, die sich eine Revolution der Gesellschaft von den medialen Möglichkeiten erhoffte, einen Strukturwandel der Öffentlichkeit à la Habermas, die die sogenannte Globalisierung des Geistes im Anbrechen sah. Wer nicht für die neuen Medien war, war wahrhaftig unzeitgemäß und darüber noch ein Dummkopf sondergleichen.
Und wohin Meckel diese frenetische Begeisterung nun geführt hat, zeigt ihr neues Buch „Briefe an mein Leben, Erfahrungen mit einem Burnout“, das aber selbst wiederum nur um das Phänomen Meckel kreist, das sich nunmehr im Getümmel der Informationen selbst kaputtgelaufen und verloren hat – hätte sie doch ihre Warnungen beherzt angenommen, wäre es zu diesem Schicksalsschlag auch nicht gekommen. Das Glück der Unerreichbarkeit scheint zwangsläufig ein Burnout heraufzubeschwören, was aber auch dann nicht recht einleuchten will, weil Meckel einerseits für die Kraft der Ratio und die ihr immanenten Möglichkeiten, nämlich auf einen immer möglichen Verzicht auf das Mehr-Wissen aufmerksam macht, zum anderen aber von der mächtigen Allgegenwart des fremdbestimmenden Außen, das die Welt- und Daseinbezüge in aller Schrecklichkeit dominiert, spricht. Da muß man sich schon entscheiden – entweder vernünftige Wahlfreiheit oder Entscheidungsschwierigkeit.
Festzuhalten bleibt, wenngleich dies sicherlich nicht für die Generation der Jüngsten gilt, also derer, die im Zeitalter des Internets gehen gelernt haben und dieses auch wie eine liebenswerte Alltagskrücke behandeln, daß das Internet und das Blackberry niemals, wenn dies nicht gewollt ist, also kritisch reflektiert wird, jene Faszinationskraft auszuüben imstande sind, wie uns Meckel in ihrem „Glück der Unerreichbarkeit“ nachzuweisen sucht und empirisch nachweisbar beglaubigen will. Es bleibt dabei: Nur wenn es sich der Informierte, sei es aus eigenem Selbstgefälligkeitsbedürfnis oder von einem verlorenen Realitätsstandort aus, es sich zur Lebensmaxime gemacht hat, sich diesen äußeren Nötigungen selbstgefällig hinzugeben, um ja nichts zu verpassen, dann ist er letztendlich selbst daran schuld, so sehr er auch die Begründungspflicht an die neuen Medien weiterleitet. Meckel verliert sich – ganz medial – in reflexiver Bezüglichkeit, zerfasert sich, ganz wie die mediale Welt, gegen die sie anzuschreiben suchte; die Sehnsucht nach Anerkennung, wie bei vielen Medientheoretiker bemerkbar, ist auch hier deutlich zu spüren. Fast, so möchte man meinen, ringt hier eine ganze Wissenschaft nach Anerkennung um jeden Preis, nur unterscheidet sich dieser Versuch qualitativ von den Legitimationsversuchen der Sozialwissenschaften vor hundert Jahren gravierend.
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