Geistige Brandstiftung – Sebastian Jung und sein Relief zum NSU Prozess als Mahnmal

Sebastian Jung , Quelle: Omnis Terra Media

Der Künstler Sebastian Jung hat den NSU Prozess im Münchner Oberlandesgericht live miterlebt und seine Zeichnungen als Beobachter in ein 2 mal 4 Meter grosses Holzrelief für die Aussenfassade transferiert. Sein faszinierendes Kunstwerk, das gestern erstmals vorgestellt wurde, dokumentiert die politischen Kernfragen und wie wir unseren gesellschaftlichen Auftrag für jeden einzelnen Menschen aktuell begreifen. In Sebastian Jungs Relief gibt es eine markante Leerstelle, die uns zu einer Weiterbeschäftigung mit dem NSU Prozess ermutigt. Denn „Geld soll keine Hürde sein, sich mit unserer Geschichte zu befassen“, wie es die Münchner Bürgermeisterin Katrin Habenschaden formulierte. Welche Erkenntnis ziehen wir also aus einem Prozess, bei dem die Aufarbeitung nach 400 Prozesstagen noch nicht abgeschlossen ist und so manch drängende Fragen uns weiterhin bewegen?

 „Kunst stellt die richtigen Fragen und fördert das vertiefte Nachdenken. Und die besondere Verantwortung liegt im Handeln, nicht nur im Erinnern“, so  Justizminister Georg Eisenreich, der eine unmißverständliche Antwort gibt: „Antisemitismus und Rassismus haben bei uns keinen Platz“.

Sebastian Jung, geboren 1987, ist aufgewachsen in Winzerla, einem Stadtteil der thüringischen Stadt Jena in einer Plattenbausiedlung –  im gleichen Ort wie die prominentesten NSU-Mitglieder Beate Tschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Hier nahm die NSU in den 1990er Jahren ihren Anfang. Jung möchte die ökonomischen Zusammenhänge aufdecken und sich mit seinen Kunstwerken für eine umfassendere Sensibilisierung und Aufklärungsarbeit stark machen.

Was sich über die Jahre von 2013 bis 2018 im Münchner Oberlandesgericht abgespielt hat, soll nicht ohne Auswirkungen im öffentlichen Raum bleiben. Auch 13 Jahre nach den NSU-Morden, neun Jahre nach seiner Selbstenttarnung und den großen persönlichen Schicksalsschlägen der Opfer und leidvollen Erfahrungen der Hinterbliebenen bleibt unsere große menschliche Verantwortung, wie es Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern, in der Pressekonferenz sagte. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Was sich im NS- Dokumentationszentrum München als Teil der von der Kulturstiftung des Bundes geförderten Ausstellung „Tell me about yesterday tomorrow“ – ein interdisziplinäres Ausstellungsprojekt zur zeitgenössischen Kunst, angesiedelt zwischen Kunst, Wissenschaft, Erinnerungsarbeit, Bildung und Kultur –  zeigt: Die Themen der Vergangenheit mit der Anknüpfung an unsere Gegenwart können Massen mobilisieren. Mirjam Zadoff, die Direktorin des NS- Dokumentationszentrums, spricht von der Verwundbarkeit und daß wir uns nicht sicher sein dürfen. Umso mehr sei dem Engagement aller Beteiligten zur „Künstlerischen Intervention zum NSU-Prozess von Sebastian Jung“ zu danken. Denn hier an der Fassade des Münchner Oberlandesgerichts zeigt sich die „Trutzburg des Rechts“, trotz der steigenden Zahl von Gefährdern. Und wo ist die mobile Feuerwehr für geistige Brandstifter, die ihr Unwesen treiben, wenn nicht die Löschzüge bereit gestellt werden? Mutige Schritte wie die Kooperation vom Münchner Oberlandesgericht mit dem NS -Dokumentationszentrum München zur künstlerischen Aufarbeitung aktueller Probleme werden zweifelsohne ihre Wirkung zeigen. 

Relief zum NSU Prozess von Sebastian Jung, Foto: Omnis Terra Media
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Angelika Weber, M.A., studierte Bayerische Geschichte, Anglistik, Theaterwissenschaft, Philosophie und Geschichte der Medizin. Sie arbeitet mit nationalen und internationalen TV – Anstalten zusammen. 1997 erhielt sie für ihre Film- und Dreharbeiten das Bundesverdienstkreuz.