Kunstreferat und Künstlerseelsorge der Diözese Passau nehmen Papst Franziskus` Aufruf zur Barmherzigkeit – nicht nur beim Wort, sondern auch beim Bild. Nach einer feierlichen Marienvesper in der Stiftskirche St. Jakobus und Philippus lud am 1. Mai, dem offiziellen Beginn der Frühjahrs-Wallfahrts-Saison am bedeutendsten Pilgerort Bayerns, der Passauer Oberhirte Stefan Oster OSB. die Gläubigen zur Vernissage in Altöttings Neue Schatzkammer ein. Sie wird, nachdem sie bedauerlicherweise jahrelang ein Schattendasein führte, endlich wieder bespielt. Ab sofort – vor nun schon sieben Jahren als „Haus Papst Benedikt XVI.“ in den hierfür glückhaft umgestalteten, innenarchitektonisch spektakulären Räumen des ehemaligen Wallfahrtsmuseums am Kapellplatz eröffnet – aktuell zur Ausrufung des außerordentlichen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit passende außergewöhnlicheExponate. Unter dem Titel „Antlitz der Barmherzigkeit“ sind 30 ausgesuchte, meist öffentlich noch nie gezeigte, entweder aus Privatsammlungen entliehene oder von der Passauer Künstlerseelsorge gehütete Bildwerke zu sehen, die Angesicht und Gestalt Jesu Christi auf teils gewagte Art vor Augen führen.
Schon in diesem Leben, wird im Anschluss an die in der Jesustrilogie geäußerten Gedanken des mit Altötting tief verbundenen Alt-Papstes Benedikt XVI. behauptet, sei es dem Menschen, so unmöglich es auch scheinen mag, gestattet, einen „gefilterten“ Blick in das Antlitz Gottes zu werfen. In ihm sehe der Blickende, ob in die Krippe gerichtet oder in einen Tempel, aufs Kreuz oder bei Kranken und Randexistenzen, stets Barmherzigkeit. Sie würde konkret aufscheinen im Gesicht des Jesus von Nazareth.
Die Bildsprache der zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler, die den Ausstellungsbesucher mit jeweils ganz eigenen, immer anderen, fast stets leidenden, einmal fern liegenden, einmal nah heranziehenden, strengen und milden, erschreckenden, befremdlichen oder vertrauten Christus-Antlitzen und -Gestalten konfrontieren, lassen sich generell auf keinerlei Kompromisse ein. Sie gehen gestalterisch entweder von vorneherein bislang noch nie beschrittene Wege – wie etwa Andrea Cereda mit seiner Arbeit „I.N.R.I. OOO33 D.C.“ von 2008, die bereits im Foyer die ganze linke Wand einnimmt – oder knüpfen in Aussage und Themenwahl an altherkömmliche Bildtraditionen an, fesseln dann aber durch die Wahl der malerischen und materialen Mittel der Darstellung – wie etwa Mark Angus mit seiner blutrot bemalten expressiven Glasätzung „Crucifixion of Christ“ von 2007. Diese Arbeit zieht den die alte breite Eichentreppe ins Obergeschoß des „Hauses Papst Benedikt XVI.“ Hinaufschreitenden sofort in seinen Bann. In einem der Säle, der früher als Sitzungs-Zimmer verwendet wurde und rein weißen, unbemalten barocken Deckenstuck aufweist, fügt sich dann Jesusbild an Jesusbild, von Format und Machart jeweils völlig unterschiedlich. Gerade deshalb unmittelbar zur Meditation zwingend.
Das Schöne an diese fesselnden Ausstellung: Sie nimmt zwar gefangen, lässt aber, durch die kluge und bewusst zahlenmäßig gering gehaltene Auswahl, bald wieder frei atmen. So ist Jesus: Er litt für uns. Er durchlitt Todesangst und Sterbensschrecken. Er wurde von uns gedemütigt, gemartert und gekreuzigt. Sein gütiges Antlitz zieht uns, nein: ruft uns an, wendet sich uns zu. Aus Barmherzigkeit.
Die Sonderausstellung „Antlitz der Barmherzigkeit“ anlässlich des außerordentlichen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit in der Neuen Schatzkammer, Altötting, Haus Papst St. Benedikt XVI., ist täglich außer Montag von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Hierzu ist ein alle Exponate abbildender Katalog (4,50 Euro an der Museumskasse) mit Texten von Bernhard Kirchgessner und Bischof Stefan Oster sowie einem ausführlichen Werk- und Künstlerverzeichnis erschienen.
FOTO (Hans Gärtner) Mark Angus: „Crucifixion of Christ“, 2007, Glas, geätzt und bemalt, 98 x 127 cm
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