Die Künstlerin Silvia Bächli vor ihren Kunstwerken in ihrer jüngsten Aussstellung live zu erleben, hatte eine markante Wirkung, die dem Thema ihrer Ausstellung in der Pinakothek der Moderne ganz entspricht „Brombeeren“.Was sind das für Früchte, die als Steinfrüchte auf stacheligen Klettergerüsten ihre magischen Kraftfelder entfalten? Und welche Signale empfangen die Lebewesen rundherum? Zumindest ist bekannt, daß die Brombeeeren schon bei Dioskurides in der „Materia Medica“ als Heilmittel auftauchen – also nicht nur als Marmelade in süßen Speisen geschätzt sind. Und was sehen meine Augen? Linien, Gitter, Balken, Gerüste in allen Grau-Schattierungen.Ratlos versuche ich, einen inneren Bezug zu den glänzend schwarzen Steinfrüchten herzustellen. Da bekomme ich eine „Madame“ mit einem Artikel über Silvia Bächli in die Hand gedrückt und den Aussstellungskatalog und nähere mich auf Spuren im Beton der Schweizer Künstlerin. „Sie ist nicht von hier, den Unterschied merkt man“ meint ein Besucher und verschwindet.
Und ich bleibe mit ihr ganz allein vor einer Vitrine zurück.
„Das Gegenüber beobachten und das Werk im Raum erfassen“, sagt Bächli zu mir.
„Und hier, sehen Sie, die Zwischenräume? Zeit zum Atmen“ Jede Zeichnung hängt an einem ganz bestimmten Platz, nichts ist dem Zufall überlassen. Jede Formation stammt von ihr persönlich. Welche Gesetzlichkeit des Schaffens mag wohl dahinter stecken? Kann ich Bächlis Sprache überhaupt verstehen? „Jede Zeichnung entsteht spontan“, sagt sie. „Goldener Schnitt? Wie? Nein, auf keinen Fall, denn ihr Schaffen folge ausschließlich spontaner Eingebungen“. Die Künstlerin in ihrer Vorstellungswelt mit der Kamera unbemerkt zu begleiten, sie an konkreten Orten und Quellen ihrer Inspiration aufzunehmen, ein Gespräch in ihrem Umfeld zu dokumentieren. Das wäre als Filmemacherin meine eigentlicheAufgabe. So sollte es an diesem Eröffnungsabend jedoch nicht sein. Denn die Einladung kam ebenso spontan wie Silvia Bächli ihre Eingaben umsetzt. Und in neunzig Minuten hat sich im Staccato so manches ereignet, was die Ästhetik von einem Kunstwerk wie den Lidschlag erlebbar und greifbar macht. Die Spuren führten schließlich über geothermal geheizte Gewächshäuser mit echten Bananen auf Island, Südfrüchten auf Eis, Lavafeldern unterirdischer Vulkane, die Eiskristalle zum Schmelzen bringen, zu „alphabet“, einem Gedicht der dänischen Lyrikerin Inger Christensen, als Vorbild für Bächlis Meisterwerke..
Was ist nun das einzigartig Faszinierende an ihren Zeichnungen, ausheutigen Perspektive?
Es sind die Polaritäten, in derenKontrastprogramm die Schwingungen wie einst auf Pergament neu aufgerollt und verifiziert werden.Einer inneren Logik folgend, zeigen sich die Abstraktionen und deren Silhouetten, ob in Grautönen mit Farbspritzern, in fraktalen Gebilden oder Nachbildungen. Nachdenken, Nachfühlen, Nachempfinden, im Rhythmus,
mit Pausen zum Luftholen. Und wie sich die Schichten, verdichtet und komprimiert,konzentriert seit Urzeiten, nach und nach öffnen und sich in ihnen die Lebensformeln ablesen lassen, so zeigen sich in Bächlis Werken die aktuellen Netzwerke wie eine Offenbarung: Spiegeln gleichzeitiger Reduzierung auf eliptische Gebilde, deren Verkrustung man ad hoc aufbrechen möchte. So heißt die kausale Fortsetzung: Bächlis Impulse per videostream zu dokumentieren, damit von Nah und Fern sich alle einklicken und als Baumeister dabei sind.
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