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Was macht ein Meisterwerk zum Meisterwerk? Warum haben manche Werke die Kraft und Ausstrahlung, die Kunstgeschichte zu prägen und nachkommende Künstler mehr zu beeinflussen als andere? Und unter welchen Umständen sind diese Werke geschaffen worden? Die Galerie Thomas freut sich, diesen Fragen in ihrem sechsten Meisterwerkekatalog mit Arbeiten von Emil Nolde, Sam Francis, Max Liebermann, Alexej von Jawlensky, Max Pechstein, Otto Mueller, Oskar Schlemmer, Max Ernst, Erich Heckel und Alexander Calder nachzugehen.
Das Ölbild „Ziegelei“ der doppelseitig bemalten Leinwand ist 1908 entstanden. Die Mitglieder der Brücke zieht es von jeher in die Natur, an der rauen Nordsee erhoffen einige ein neues Landschaftsbild zu entdecken sowie die die nötige Ruhe zum Arbeiten zu finden. Die Wahl fällt auf Dangast im Oldenburger Land. Für Heckel sind die Sommerfrischen in dem Fischerdorf in den Jahren 1907 bis 1910 von größter künstlerischer Bedeutung. Farbgebung, Komposition und Duktus ändern sich in diesen Jahren: Aus der cremigen und pastosen Pinselführung der früheren Zeit entwickelt sich zusehends ein befreiterer Duktus, die Flächen werden großzügiger angelegt, der Farbauftrag leichter und gleichzeitig kontrastreicher. Die hier dargestellte „Ziegelei“ ist wohl die Ziegelei Günther Lauw in Bockhorn, westlich von Varel, unweit von Dangast.
Im Februar 1909 trat Erich Heckel seine erste Italienreise an, die ihn über Verona, Padua, Venedig und Ravenna nach Rom führt. Heckel arbeitet intensiv, es entstehen an die 130 Werke während seines viermonatigen Aufenthalts, eines davon die Häuser bei Rom. In seinen Briefen an die Kunsthistorikerin und Brücke-Förderin Rosa Schapire schickt er Skizzen, denen er eine Farbbeschreibung beifügt: „(…) aber ich möchte die Farbe angeben, die Hauptsache…Häuser und Äcker gelb, Himmel rot und blau dunkel, Grün sehr intensiv“. Bezeichnend für jene Zeit ist, dass er seinen lockeren Malstil mit verdünnten Ölfarben, die die Leinwand durchschimmern lassen, fortführt, und sein Pinselstrich noch entschlossener der Linie folgt, die im Nachhinein keinerlei Änderung mehr gestattet. |
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Unberechenbarkeit der Schöpfung Emil Nolde findet im Abbild des Meeres eine Metapher für Seelenzustände Die unendliche Weite der See verkörpert mehr als jede andere Landschaft die Ursprünglichkeit und Unberechenbarkeit der Schöpfung. „Das Meer als Metapher für Seelenzustände und als Spiegel der Unendlichkeit des Himmels stellte insbesondere für die Expressionisten eine existentielle malerische Aufgabe dar, die es künstlerisch zu erfassen galt“, sagt Raimund Thomas. Gerade die Gruppe der „Herbstmeer“-Bilder, zu denen das vorliegende Gemälde gehört, sind gar als konkreter Ausdruck von Emil Noldes eigenem aufgewühlten Seelenzustand nach seinem Bruch mit der Sezession im Jahr 1909 zu sehen. „Noldes malerisches Ziel ist es nicht, den Anblick, die körperliche Erfahrung des Meeres ins Bild zu bannen, sondern durch die Evokation dieser Empfindungen eine Metapher für Seelenzustände und für das Wesen dieser Kräfte zu schaffen“, so Thomas, „wenngleich die Voraussetzungslosigkeit und Eigenständigkeit von Noldes Seestücken immer wieder betont wird, so steht er mit dieser Motivwahl natürlich in einer großen Tradition.“ |
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Suche nach dem Wesen von Farbe und Licht Max Liebermanns unmittelbare plein air-Malerei
In dem Gemälde des Nutzgartens mit Blick nach Nordosten gewährt Max Liebermann einen ausschnitthaften Blick aus dem im vorderen Teil seines Grundstücks gelegenen Nutz- und Bauerngarten auf die Front des Wohnhauses. Das im Obergeschoss links durch das Blattwerk sichtbare Fenster gehört zu Liebermanns Atelier. „Nichts gemahnt daran, dass das Gemälde im vorletzten Kriegsjahr entstand und zum Zweck der Selbstversorgung große Teile auch der Rasenflächen in Kohlfelder umgewidmet wurden – sogar in der Idylle des Wannseearkadiens sind die Zeitumstände sichtbar“, so Thomas. Aber Liebermanns malerisches Thema ist all dies nicht. Das vorliegende Gemälde ist zum einen ein besonderes Beispiel aus der großen Gruppe der Wannseebilder für Liebermanns perspektivische Bildanlage. Der Standpunkt des Betrachters erscheint leicht erhöht, so dass sich durch die von oben abgewinkelte Draufsicht eine weitere Verfremdung und „Beschleunigung“ ergibt. Zum anderen wird in dem Farbwirbel der keineswegs naturalistisch wiedergegebenen Pflanzen und Blüten die Unmittelbarkeit der plein air-Malerei spürbar, durch die Liebermann eine Farb- und Massenverteilung zu erreichen sucht, die nicht in erster Linie den sichtbaren Eindruck fassen will, sondern das innere Wesen dieser Erscheinung von Farbe, Massen, Licht und Bewegung.
„Es ist immer wieder eine große Freude und spannende Herausforderung für uns“, sagt Raimund Thomas, „bei jedem einzelnen dieser hochwertigen Gemälde in unserem neuen Meisterwerkekatalog in die Tiefe zu gehen, genauer hinzusehen und dabei in die Zeit und den Kosmos des Künstlers einzutauchen.“ |
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Über die Galerie Gegründet
1964, avanciert die Galerie Thomas zu einer der führenden Galerien für
Meisterwerke des Deutschen Expressionismus, der Klassischen Moderne
sowie zeitgenössischer Positionen. Die Galerie liegt im Münchner
Kunstareal und nimmt seit vielen Jahren an folgenden internationalen
Kunstmessen teil: Art Basel, Art Basel Miami Beach, TEFAF Maastricht,
Art Cologne und seit Kurzem auch an der Art Basel Hong Kong. Gemeinsam
mit Silke und Raimund Thomas führen Heike Grossmann und Jörg Paal als
Direktoren die Galerie.
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