Avi Primor, von 1993 bis 1999 israelischer Botschafter in Deutschland, hat zwar bereits einige politische Bücher verfasst, ist bisher jedoch nicht als Romanschriftsteller aufgefallen. Deshalb die Neugierde, auch wenn das neue Buch als politisches Bekenntnis auffassen werden kann (oder will).
Weit war der Himmel über Palästina
von Avi Primor
Verlag Lübbe
336 Seiten ISBN-13: 978-3785726761
Februar 2020 22 €
Die Geschichte ist nett und flott geschrieben, langweilt nicht, ist nicht oberlehrerhaft, auch wenn nicht alle unbedeutenden Schreibfehler ausgemerzt worden sind. Die Geschichte beginnt 1869 in Jerusalem und endet kurz vor der Staatsgründung Israels. Erzählt werden die innigen Freundschaften innerhalb dreier Familien: Juden (Russen etc.), Christen (Templer) und Araber (Muslime), die zuweilen auch untereinander heiraten. Neben dem real-historischen Hintergrund erfährt der interessierte Leser die Sicht aller Beteiligten, die er annehmen oder verwerfen darf.
Die chronologischen Erzählungen sind meist fröhlich, ja lustig, zuweilen todtraurig, meist spannend. Bis 1917 sind die beschriebenen türkischen Besatzer Palästinas alle ohne Ausnahme korrupt, vor allem beim Eisenbahnbau. Sie beuten das Land und seine Menschen aus. Die Araber hingegen sind freundlich und begrüßen Herzl sogar als „Malik el Jahud“ (König der Juden). Wilhelm II hingegen fällt durch Feigheit auf. Jerusalem stinkt! Hat er das wirklich gesagt? Nun ja, die Kanalisation …
Die Gründung Tel Avivs wird durch horrende Bestechungsgelder an Türken und Beduinen erzwungen. Warum an Beduinen, wird hier der Spannung wegen nicht verraten. Je nach politischer Neigung wird sich der Leser dem Autor anschließen oder auch nicht.
Arabische Weisheit: Um der Wahrheit auf dem Grund zu gehen, muss man gegen den Strom schwimmen. Tote Fische schwimmen mit dem Strom.
Während des Esten Weltkrieges fließen enorme Bestechungsgelder. Dass die Türkei auf der einen Seite und Juden und die Araber auf der anderen sich nicht herzlich mögen, wird vom Autor genau und wahrhaftig erklärt. 1917 ziehen sich die Türken endgültig aus Jerusalem zurück. Sie wollen die Stadt dem Erdboden gleich machen. Manch einer wird sich wünschen, sie hätten es getan! Doch die mit den Türken verbündeten Deutschen verhindern die komplette Vernichtung Jerusalems. Bis heute ist ihnen deswegen niemand dafür dankbar, weder Juden, noch Araber. Vielleicht ein paar Christen? Ansonsten wird beschrieben, wie Araber die verlassenen Häuser der deutschen Templer zerstören, nachdem die siegreichen Briten die deutschen Templer vertrieben hatten.
Christen und Juden warten auf den Erlöser – wenn auch nicht auf denselben. Bei den Muslimen ist Mohammed bereits gekommen, nach ihm wird kommt keiner mehr! Die Konsequenz: Muslime werden nicht erlöst!?
Martin Buber spricht sich für einen binationalen Staat aus.
„Die Nazis kämpfen nicht gegen ihre Feinde, sie vernichten sie wegen ihrer Abstammung.“ Nur die Nazis? Wie sind denn die Armenier umgekommen?
Frage an Jeckes (Deutsche in Israel) nicht nur zu Kriegsende: Kommen Sie aus Überzeugung oder aus Deutschland?
Was will Avi Primor uns mit seinem (apolitischen) Buch sagen? Ist früher wirklich alles besser gewesen?