„Zuerst schneiden wir den Juden die Kehle durch, dann den Schwulen und zum Schluss den Christen“ – so werden zwei Mitarbeiter der Jugendhilfeorganisation Arche aus Berlin in dieser Woche in einer Zeitung zitiert. Sie beschreiben, wie sie ihren Alltag erleben und was sie hören in den Schulen Berlins, in denen ein hoher Anteil der Kinder und Jugendlichen aus Migrantenfamilien stammt. „Wir stehen vor einer Katastrophe“ ist das bittere Fazit dieser Erzieher, die den Mut aufbringen, mit Gesicht und Namen in die Öffentlichkeit zu gehen.
Diesen Mut hätte ich mir von vielen anderen auch gewünscht. Nicht nur von denen, die einen ähnlichen Alltag in Schulen und Universitäten erleben, auch von denjenigen, die in Kultur und Medien unterwegs sind. Rund 15.000 Teilnehmer kamen zusammen, als Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und viele weitere gesellschaftliche Gruppen zu einer Solidaritätskundgebung mit Israel vor drei Wochen nach Berlin eingeladen hatten. Immerhin 15.000, aber es hätten durchaus einige mehr sein dürfen. Namhafte Vertreter aus Kultur und Medien waren so gut wie nicht zu sehen. Aber wenn es um Israel geht und um Antisemitismus in Deutschland, dann kann es keine vornehme Zurückhaltung geben, schon gar nicht gleiche Distanz zu beiden Seiten. Der Terror in Israel richtet sich auch gegen uns, er richtet sich gegen unsere Freiheit und unsere Lebensweise, er wird gefeiert auf deutschen Straßen und mit den verbalen Attacken, die nicht immer verbal bleiben, fortgesetzt.
Wenn der Satz irgendwann richtig werden soll, dass Antisemitismus in Deutschland keinen Platz hat, dann muss diesem Treiben in Deutschland ein Ende gesetzt werden. Reden allein hilft nicht mehr, jetzt sind klare und unmissverständliche Entscheidungen gefragt. Ein Schwerpunkt müssen die Schulen und der Geschichtsunterricht sowie der Religionsunterricht dort sein.
In keiner Schule darf der Besuch eines Konzentrationslagers vor dem Schulabschluss mehr fehlen, auch und gerade in den Schulen mit einem hohen Anteil von Schülern aus Migrantenfamilien. Die Einbürgerung in Deutschland muss verbunden werden mit dem klaren Bekenntnis zur Religions- und Glaubensfreiheit ebenso wie mit einem Bekenntnis zum Existenzrecht des Staates Israel.
Wir haben das Ausmaß des Fremdenhasses und vor allem des Antisemitismus in Deutschland lange unterschätzt. Es wird ein langer und mühsamer Weg, diese Feindseligkeiten einzudämmen und zurückzudrängen.
Aber es gibt auch ermutigende Zeichen. In dieser Woche habe ich mich mit einer Gruppe von überwiegend türkischstämmigen Unternehmern, Lehrern und Kulturschaffenden getroffen. Sie alle waren entsetzt über das Ausmaß des Hasses unter einem Teil – und es ist nur ein Teil, wenn auch ein viel zu großer – ihrer Landsleute. Aber sie sind entschlossen, jetzt noch mehr als zuvor für die Werte unserer offenen Gesellschaft einzustehen, in einem Land, das ihre Heimat ist.
Und gerade eben habe ich auf dem Kurfürstendamm in Berlin zufällig einen Erzieher und einen Unternehmer getroffen, die von Geschäft zu Geschäft gegangen sind und Aufkleber für die Eingangstüren verschenkt haben mit dem Davidstern, einem Herzen in der Mitte und dem Wort WELCOME darunter. An vielen Türen war der Aufkleber schon zu sehen. Unsere Zivilgesellschaft meldet sich Wort, und das wurde auch Zeit. Die Botschaft ist ganz einfach und sehr klar: Wir überlassen den Feinden unserer Demokratie und unserer Freiheit nicht unser Land.
Quelle: MerzMail