Als Friedrich Merz vor knapp zwei Monaten den Ludwig Erhard Preis ablehnte, juckte es mir bereits in den Fingern. Ich überlegte, einen Artikel über seine politischen Ambitionen zu schreiben. Man hätte dies wohl als sehr spekulativ hingestellt, schließlich ist der Sauerländer seit beinahe zehn Jahren nicht mehr in der aktiven Politik.
Warum nur wollte er partout nicht mit Roland Tichy auf einer Bühne stehen? Mir schien es so, dass er um die Kraft der Bilder wusste. Jeder mag den Verrat, aber niemand den Verräter. So lautet das Sprichwort, weswegen dieser auch keine Karriere mehr macht. Man erinnere sich an das Jahr 2007, als Landrätin Pauly in Bayern zum Sturz des damaligen Ministerpräsidenten Stoiber erheblich beigetragen hatte. Sie wurde selbstverständlich nichts mehr in der bayerischen Spitzenpolitik.
Tichy gilt als einer der schärfsten und bisweilen polemischsten deutschen Kritiker der Bundeskanzlerin. Dass man ihn dann meidet, wenn man politisch in der CDU noch Pläne hat, scheint logisch zu sein. Dass Merz Tichy aus dem Weg geht, sah ich also als Indiz für seine Ambitionen, hielt es aber selbst für eine steile These.
Kyffhäuser
Der Kyffhäuser Mythos ist hierzulande sehr beliebt. Er verkörpert die Sehnsucht nach einem ehemaligen Spitzenpolitiker, der noch verfügbar wäre. Bei Bayern München kommt immer wieder Jupp Heynckes ins Gespräch, bei der SPD waren es lange Willy Brandt und Helmut Schmidt, in der CDU war es stets Friedrich Merz, der eigentlich nur zwei Jahre – von 2000 bis 2002 – ganz weit oben gewesen war. Entsprechend unverbraucht erscheint er neben der ewigen Kanzlerin.
Die ehrbare Alternative
Selbst verließ ich 2014 die CDU, nachdem ich auf Bundesebene Merkel, auf Landesebene Laschet und Laumann, im Europaparlament Juncker und auf kommunaler Ebene einen Bürgermeister vor mir sah, der mir eher grün als schwarz erschien. Die FDP kam als einzige Partei für mich infrage, zu der mich Lindner zog. Seinerzeit stand sie bei 2-3% in Umfragen, während Merkel mit 45% nach der im Jahr 2013 gewonnenen Bundestagswahl blendend dazustehen schien, hatte sie ja auch während ihrer damals neunjährigen Kanzlerschaft mit Ausnahme der Weltfinanzkrise 2008 kaum Bewährungsproben zu bestehen.
Vielleicht hätte ich die Union nicht verlassen, wenn statt Merkel Merz Kanzler gewesen wäre. Aber Merkel machte mir den Abgang ins Abenteuer FDP leicht, viele folgten mir. Parallel entstand die AfD, die inzwischen der SPD den Rang in Umfragen abgelaufen hat. Dies, obwohl bisher Rentenlücke und Wirtschaftsflaute ausgeblieben waren. Beide Krisen, die der Wirtschaft als auch die der Finanzierung unseres Sozialstaates kommen langsam, aber sicher auf uns zu.
Es wäre daher klug von Delegierten beim Bundesparteitag, Friedrich Merz die Stimme zu geben. Er erscheint vielen Wählern der 25-%-Partei als die ehrbare Alternative. Die AfD würde ein Kanzler Merz mindestens 5% abnehmen und diese direkt aufs Konto der Union einzahlen.
Verschlossen einem Jamaika-Bündnis scheint er mir nicht zu sein. Mit ihm als Kanzler könnte ich meiner FDP dieses Bündnis auch nahelegen.
Nun werden einige Leser sagen, dass eine Union mit 30% und Grüne mit 18% vielleicht keine dritte Partei mehr brauchen werden. Denen muss ich sagen, dass die Grünen immer wieder zwischen Bundestagswahlen bei 14-20% gelegen hatten, ohne diese Werte am Wahltag, wenn es ums Ganze geht, auch zu bestätigen.
Merkel
Noch ein Wort zur noch amtierenden Kanzlerin. Ihre asymmetrische Demobilisierung war eine der schädlichsten Ideen für die Demokratie in Deutschland. Am Ende haben sich Wähler sowohl gegen die SPD als auch die CDU entschieden und für Parteien wie AfD und Grüne.
Das hat viele Delegierte der Union ihren Job gekostet. Aus etlichen Landtagen und auch aus dem Bundestag wurden sie abgewählt, nachdem sie zuvor im Wahlkampf oft demütigend für sie selbst gegen ihre eigene Überzeugung Merkels Politik rechtfertigen mussten. Die Zerrüttung mit der CSU ist unübersehbar.
Mit einem Kanzler Merz hätte es das alles nicht gegeben und mit ihm wird es – im Gegensatz zur Kandidatin Kramp-Karrenbauer – eine Trendwende geben. Zurecht fürchtet die AfD Merz als Vorsitzenden sehr. Dann müssten sich ehrbare Konservative nicht mehr in die Schmuddelecke begeben, um ihren Interessen gemäße Politik umzusetzen.