Am Abend des 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz, war ich von der Berliner CDU zu einer Wahlkampfveranstaltung in Neukölln eingeladen. Ich stand am Abend dieses Tages noch sehr unter dem Eindruck der Gedenkstunde, die am Morgen im Plenum des Deutschen Bundestages stattgefunden hatte. Ich habe darüber ausführlich gesprochen, da brüllte plötzlich aus dem Halbdunkel des gut gefüllten Saales im Gemeinschaftshaus der Berliner Gropiusstadt irgendein Teilnehmer die Worte „Scheiß Rassismus“ in den Saal, und im selben Augenblick stand eine halbe Reihe von Zuschauern auf und verließ die Veranstaltung.
Ich war einigermaßen überrascht über diesen Vorfall, habe meine Rede aber fortgesetzt ohne den Hintergrund der Aktion zu kennen. Erst nach der Veranstaltung berichteten mir meine Mitarbeiter, was da abgelaufen war. Es handelte sich offenbar um eine gezielte Aktion einiger Bezirksvertreter und Funktionäre der örtlichen SPD. Ein Redakteur des Berliner Tagesspiegels twitterte unmittelbar nach der Aktion und offenbar ohne weitere Recherche, etliche „junge Neuköllner“ hätten nach „unklaren“ Aussagen von mir unter Protest die CDU-Wahlkampfveranstaltung verlassen. Nur der sofortigen Gegenreaktion aus meinem Team heraus war es zu verdanken, dass nicht eine größere Zahl von Medien die erste Berichterstattung ohne weitere Prüfung des tatsächlichen Sachverhaltes übernommen hatten.
Den Wahlkreis Rudow im Bezirk Neukölln gewann am letzten Sonntag bei der Wiederholungswahl in Berlin der CDU-Kandidat Olaf Schenk mit 45,3 Prozent der Stimmen, Berlins Regierende Bürgermeisterin blieb mit 29,6 Prozent der Stimmen in ihrem bisherigen Wahlkreis weit abgeschlagen. Eben diese bisherige Regierende Bürgermeisterin hatte besonders heftig auf meine Kritik an den Silvesterausschreitungen in „ihrem“ Neukölln reagiert. Von „Rassismus“ bis „Nazi“ war in der SPD und weiter links alles dabei. Die Quittung hat die gesamte SPD am letzten Sonntag in Berlin bekommen. Sie teilt sich jetzt mit den Grünen – so würde man es im Sport sagen – den zweiten Platz. Die CDU hat nicht nur 28,2 Prozent der Stimmen und damit fast 10 Prozentpunkte mehr erreicht als SPD und Grüne. Sie hat in Berlin auch 48 von 78 Wahlkreisen gewonnen, die SPD noch ganze vier. Rechnerisch kommt Rot-Grün-Rot in Berlin immer noch auf eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus, aber politisch ist diese Koalition und vor allem die SPD abgewählt worden.
Und trotzdem versucht die SPD aus diesem Wahlergebnis immer noch einen Wählerauftrag für eine Regierungsbildung herauszulesen. Zur Erinnerung: Bei der letzten Bundestagswahl lag die SPD ganze 1,6 Prozentpunkte vor der Union, die ihrerseits fast die Hälfte der Wahlkreise gewonnen hatte, 22 mehr als die SPD und mehr als die gesamte heutige Regierungskoalition zusammen. Trotzdem hat die SPD kein gutes Haar gelassen an den Sondierungsgesprächen, die Union, Grüne und FDP in den Tagen nach der Bundestagswahl geführt hatten und der Union jede Legitimation für eine Regierungsbildung abgesprochen.
Wie geht es in Berlin jetzt weiter? Die Berliner CDU braucht gewiss keine guten Ratschläge von außen. Aber sie hat als die mit großem Abstand stärkste politische Kraft in Berlin zunächst einmal den Auftrag, mit der SPD und den Grünen über das zu sprechen, was möglich sein könnte. Und offensichtlich scheint bei vielen Grünen vor allem auf kommunaler Ebene die Einsicht zuzunehmen, dass es zum Beispiel mit der großen Zahl der Flüchtlinge und mit den Integrationsproblemen so nicht weitergehen kann. Als der grüne Landrat aus dem Landkreis Miltenberg vor einigen Tagen bestätigte, es sei eigentlich noch viel schlimmer als von mir beschrieben, da blieben wenigstens die Rassismus-Vorwürfe aus. Und auch Frau Giffey meldete sich schon gar nicht mehr zu Wort.
Quelle: MerzMail