Das war kein Zufall: Pünktlich zu Beginn der Münchener Sicherheitskonferenz trifft die schockierende Nachricht ein, dass der bekannteste und in Russland sehr beliebte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny in einem sibirischen Straflager im Alter von nur 47 Jahren sein Leben verloren hat. Nawalny ist ein weiteres Opfer des russischen Regimes unter Putin, der seit Jahren systematisch Gegner und Kritiker gewaltsam aus dem Weg räumt. In Moskau und vielen anderen russischen Städten werden selbst die verhaftet, die Blumen für Nawalny niederlegen wollen. Die Botschaft des Putin-Regimes nach innen und nach außen ist klar: Uns stellt sich niemand ungestraft in den Weg. Und so wie Nawalny stirbt, so sterben täglich Menschen mit den russischen Bomben- und Raketenangriffen auf Wohnbezirke, Krankenhäuser und Kindergärten in der Ukraine. Das russische Regime macht schon gar nicht mehr den Versuch zu behaupten, es ziele nur auf militärische Infrastruktur. Es ist einfach nur der blanke Terror durch brutalste Kriegsverbrechen gegen ein Volk, das es wagt, sich der gewaltsamen Einverleibung durch Russland zu widersetzen.
So steht auch die diesjährige Münchener Sicherheitskonferenz unter dem Eindruck multipler Krisen in der Welt, vor allem unter dem Eindruck des seit zwei Jahren anhaltenden Krieges gegen die Ukraine. Alexej Nawalny gibt dem Tod durch staatlich angeordneten Terror ein Gesicht. Dieser Kämpfer für Freiheit und Demokratie in seinem Land, Ehemann und Familienvater, wird nicht das letzte Opfer einer skrupellosen und enthemmten russischen Staatsführung sein. Putins Regime wird sich nur mit Polizeigewalt und militärischer Aggression an der Macht halten können. Schon Alexander Solschenizyn hat in seinem „Archipel Gulag“ das Leben in den Straflagern und in der Verbannung unter dem zaristischen und bolschewistischen System Russlands beschrieben, den Weg der Häftlinge von der Einlieferung bis zum Tod durch Erschöpfung und den Sadismus der Bewacher.
Stellen wir uns also auf eine sehr lange Zeit ein, in der Russland auch nach Putin diesen alten Mustern weiter folgt und mit brutaler Gewalt einen Herrschaftsbereich versucht zu festigen und auszudehnen. „Glasnost“ und „Perestroika“ waren Phänomene des Übergangs und nur der kurzzeitigen Unterbrechung von dem einen gewaltsamen Herrschaftssystem zum nächsten. Es gibt auf absehbare Zeit keine Veranlassung darauf zu hoffen, dass sich daran etwas ändert. Russland bleibt eine ernsthafte Bedrohung auch für das Leben, das wir so gern in Freiheit und in Wohlstand führen wollen.
Diese Annahmen haben ernsthafte Konsequenzen auch für uns. Gegen Gewalt und die mutwillige Zerstörung unserer regelbasierten Ordnung helfen nur Stärke und Entschlossenheit. Wir werden die Prioritäten unseres politischen Handelns neu ausrichten und ordnen müssen. Die Bewahrung unserer Freiheit wird wieder auf Platz 1 aller politischen Verpflichtungen stehen. Dafür müssen wir etwas tun, erheblich mehr auch als in der Vergangenheit. Dahinter müssen viele Dinge zurückstehen, die wünschenswert, aber auf absehbare Zeit nicht mehr möglich sein werden. Eine erneute Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten sollte uns dabei weniger schrecken als die Ereignisse in Russland, auch wenn man hin und wieder den gegenteiligen Eindruck gewinnt. Wir müssen so oder so mehr für unsere Verteidigung tun, und je früher wir damit anfangen, umso weniger können uns Wahlergebnisse in den USA unsanft aus unseren Träumen wecken. Die gute Nachricht ist: Die meisten verantwortlichen Politiker in Europa haben das begriffen, und denjenigen, die immer noch in naiver Hoffnung auf einen kurzfristigen Frieden mit Russland hoffen, hat Alexej Nawalny am 16. Februar 2024 eine letzte bittere Nachricht hinterlassen. Wer jetzt immer noch an ein friedliches Russland glaubt, der wird selbst zur Bedrohung unserer Freiheit. Früher kam diese Bedrohung von links außen, heute kommt sie ganz überwiegend von rechts außen. Aber auch damit können wir fertig werden, wenn wir der Wirklichkeit ins Gesicht schauen.
Quelle: MerzMail