Lassen Sie mich zunächst sagen, dass wir den Dank und die Erleichterung teilen, die Sie, Herr Bundeskanzler, zu Beginn Ihrer Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht haben im Hinblick auf die Freilassung wenigstens einiger der Geiseln aus Israel, die sich in den letzten Wochen in der Hand der Hamasterroristen befunden haben. Und ich will ausdrücklich im Namen meiner Fraktion sagen: Wir danken denjenigen aus Ihrer Regierung, die daran beteiligt waren, dies zu erreichen. Ausdrücklich: Herzlichen Dank an Sie!
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sprechen heute – so war es jedenfalls bis auf den Beginn Ihrer Rede, Herr Bundeskanzler, mein Eindruck – über die Folgen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Entscheidung getroffen, die den Haushaltsgesetzgeber im Bund und in den Ländern in Zukunft zu einer strikten Ausgabendisziplin verpflichtet. Diese Entscheidung ist in der Sache richtig, sie kommt zum richtigen Zeitpunkt, und sie war vor allem notwendig.
Lassen Sie mich das hier einmal deutlich sagen, weil darüber in Teilen der veröffentlichten Meinung ein falscher Eindruck entstanden ist: Wir haben über dieses Urteil nicht triumphiert.
Uns ist die Tragweite dieser Entscheidung des Verfassungsgerichts sehr wohl bewusst. Aber, Herr Bundeskanzler, diese Entscheidung ist notwendig geworden, weil Ihre Regierung den Versuch unternommen hat, die Verschuldungsgrenzen des Grundgesetzes in einer in bisher in Deutschland nicht gekannten, geradezu dreisten Art und Weise zu umgehen.
Und um hier sogleich den Behauptungen zu widersprechen, die ganz sicher von den Rednern der Koalition vorgetragen werden: Das war eine Klage von uns weder gegen den Klimaschutz noch gegen die notwendigen Hilfen für die privaten Haushalte und die Unternehmen in Deutschland, noch war sie dagegen gerichtet, was auch frühere Regierungen schon einmal versucht haben. Es war eine Klage, die gegen die bereits in Ihrem Koalitionsvertrag aufgeschriebene, von jeder bisherigen Staatspraxis abweichende Manipulation unserer Verfassung notwendig geworden war, gegen eine Vereinbarung in Ihrem Koalitionsvertrag, die dem Ziel diente, zum einen dem Wunsch der FDP zu entsprechen, auf Steuererhöhungen und auf die Aussetzung der Schuldenbremse zu verzichten, zum anderen die ungehemmte Subvention aller Klimaprojekte der Bundesregierung weiter zu ermöglichen und des Weiteren die Aufblähung des Sozialstaates für die Sozialdemokraten zu ermöglichen.
Diese Quadratur des Kreises haben Sie versucht, und dieses Kartenhaus ist am 15. November 2023 zusammengebrochen. Das war das Ergebnis der Entscheidung von Karlsruhe.
Meine Damen und Herren, der Urheber dieser verfassungswidrigen Konstruktion war kein Geringerer als Sie, Herr Bundeskanzler. Sie haben nämlich in der Übergangszeit der früheren Regierung auf die neue Regierung noch in Ihrer Funktion als Bundesfinanzminister genau diese, wie wir heute nun dezidiert wissen, verfassungswidrige Konstruktion erdacht.
Ich hätte von Ihnen erwartet, nachdem Sie nun eine solche Niederlage vor dem Verfassungsgericht haben einstecken müssen – übrigens schon die zweite in wenigen Wochen -, dass es dazu wenigstens mal ein Wort des Bedauerns von Ihnen gegeben hätte, wenn nicht auch ein Wort der Entschuldigung hier angebracht gewesen wäre.
Herr Bundeskanzler, Sie wissen doch sonst immer alles. Vor allem wissen Sie immer alles besser als alle anderen. Sie haben hier eben die Vorentscheidung zitiert. Ist Ihnen aus dieser Vorentscheidung nicht aufgefallen, welche konkreten drei Punkte das Bundesverfassungsgericht für die Hauptsacheentscheidung genannt hat, die dann anschließend genau so gefolgt ist, wie eine ganze Reihe von Fachleuten, der Bundesrat, Ihre Mitglieder in der Bundesregierung doch teilweise auch, Ihnen vorausgesagt haben? Sie hätten wissen können, was das Bundesverfassungsgericht am 15. November 2023 entscheidet. „Absturz eines Besserwissers“ nennt das „Der Spiegel“ in seiner Titelgeschichte in dieser Woche, und besser hätte es gar nicht beschrieben werden können.
Nun will ich nicht nur Kritik üben, sondern ich will mich, weil es gerade von Ihnen so viele Zwischenrufe gibt, bei einem Mitglied der Bundesregierung auch einmal ausdrücklich und sehr herzlich bedanken, und das ist der Vizekanzler. Herr Habeck, Sie haben es für richtig gehalten, bei Ihrem Parteitag in der letzten Woche meine Partei, die CDU, als eine Partei aus den 90er-Jahren zu bezeichnen.
Wir hatten in den 90er-Jahren Wirtschaftsminister auf der Regierungsbank sitzen, die wirklich etwas von Wirtschaftspolitik verstanden haben.
Wir hatten Außenminister auf der Regierungsbank sitzen, die nicht mit erhobenem Zeigefinger durch die Welt gereist sind, die überall hoch anerkannt waren und von denen kein einziger auf den Gedanken gekommen wäre, sich bei einer Israelresolution bei den Vereinten Nationen für Deutschland der Stimme zu enthalten. Kein einziger wäre auf diese Idee gekommen.
Wir hatten einen Finanzminister Theo Waigel, der in zehn Jahren trotz größter fiskalischer Herausforderungen Deutschland sicher in die Währungsunion geführt hat.
Und, Herr Bundeskanzler, wir hatten mit Helmut Kohl einen Bundeskanzler auf der Regierungsbank sitzen, der mit der deutschen Einheit, mit dem europäischen Binnenmarkt und mit der Währungsunion wirklich Geschichte für Deutschland und Europa geschrieben hat.
Davon sind Sie doch Lichtjahre entfernt, insbesondere mit der Regierungserklärung, die Sie heute Morgen hier abgegeben haben.
Aber wenn Sie gesehen hätten, welchen Gesichtsausdruck Ihre Regierung bei Ihrer Regierungserklärung hatte! Das ist die Regierung der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt.
Es ist einfach nur noch peinlich, was wir von Ihnen hier sehen und hören. Herr Bundeskanzler, Sie haben im Februar des letzten Jahres von dieser Stelle aus eine vielbeachtete Regierungserklärung mit dem Wort „Zeitenwende“ abgegeben. Dieses Wort findet in Ihrer Regierungserklärung heute keine Erwähnung mehr.
Was Sie hier vorgetragen haben, sind doch rein technische Antworten auf eine hochpolitische Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. Sie sind ein Klempner der Macht. Ihnen fehlt jede Vorstellung davon, wie dieses Land sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln soll. Sie haben keine Ahnung von dem, was in den nächsten Jahren auf Sie und auf uns zukommt.
Es tut mir herzlich leid, aber ich muss es nach dieser Regierungserklärung einmal so deutlich sagen – ich will es nicht überstrapazieren und will Ihnen nicht zu viele Vergleiche zumuten -: Aber verglichen allein mit den Kanzlern, die Ihre einstmals so stolze Partei, die SPD, hier in Deutschland gestellt hat, verglichen mit Willy Brandt, verglichen mit Helmut Schmidt, sogar mit Gerhard Schröder, muss man doch spätestens nach dieser Regierungserklärung von heute Morgen zu dem Schluss kommen: Sie können es nicht!
Die Schuhe, in denen Sie als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland stehen, sind Ihnen mindestens zwei Schuhnummern zu groß. Die Lage unseres Landes ist zu ernst, als dass wir daran nun Freude haben könnten.
Sie gefährden mit Ihrer Politik den Wohlstand und die Zukunft unseres Landes, vor allem die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder. Wir müssen möglicherweise damit rechnen, dass Sie nach den Turbulenzen in Ihrer Koalition in den letzten zwei Wochen jetzt noch versuchen, zwei Jahre über Wasser zu bleiben, und die Streitereien und Konflikte in Ihrer Koalition einfach so weitergehen. Damit die nachfolgenden Redner der Koalition hier sofort die Antwort von mir bekommen:
Wir werden uns wieder an unsere staatspolitische Verantwortung erinnern, die wir in diesem Lande tragen. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen die Antwort geben, was wir als staatspolitische Verantwortung unserer Fraktion empfinden. Die wichtigste ist, Ihnen auf die Finger zu schauen und, wann immer dies notwendig ist, dafür zu sorgen, dass Sie jedenfalls mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln dazu gezwungen werden, unsere Verfassung einzuhalten. Das ist zunächst einmal das Allerwichtigste.
Damit Sie nicht wieder überrascht sind, was dann möglicherweise das Bundesverfassungsgericht später entscheidet, will ich Sie daran erinnern, dass noch fünf Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gegen Ihre Regierung anhängig sind:
zur Wahlprüfung hier in Berlin, zum Heizungsgesetz, zur Verkürzung der Informations- und Auskunftspflichten des Parlaments, zur Verweigerung eines Untersuchungsausschusses in Sachen Scholz/Warburg – ein einmaliger Vorgang in der Parlamentsgeschichte, dass Minderheitenrechte des Parlaments so missachtet werden wie von Ihnen – und schließlich zur Manipulation des Wahlrechts.
Auf diese weiteren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes können Sie sich für die nächsten Wochen und Monate einstellen. Legen Sie sich diese Liste ganz oben auf Ihren Schreibtisch, damit Sie nicht vergessen, was das Bundesverfassungsgericht in den nächsten Wochen noch zu entscheiden hat!
Unsere staatspolitische Verantwortung besteht außerdem darin, Ihnen immer dann, wenn wir es in der Sache für richtig halten, zuzustimmen und an den Gesetzen unseres Landes konstruktiv mitzuwirken. Das haben wir in den letzten zwei Jahren getan.
mich hat es auch etwas überrascht -, aber wir haben mehr als der Hälfte der Gesetze Ihrer Koalition im Deutschen Bundestag zugestimmt. Manchen hätten wir vielleicht gar nicht zustimmen sollen. Wir haben es aus der Überzeugung getan, dass hier im Parlament auch Kompromisse notwendig sein müssen.
Unsere staatspolitische Verantwortung, meine Damen und Herren, besteht auch darin, Vorschläge zu machen, wie wir wieder auf einen Weg mit umweltverträglichem Wachstum und hoher Beschäftigung zurückkehren können, ohne dabei unsere Staatshaushalte zu ruinieren.
Und damit Sie sich bitte keine Illusionen machen: Wir werden an der Schuldenbremse des Grundgesetzes festhalten.
Versuchen Sie erst gar nicht, einen Keil in die Union zu treiben! Versuchen Sie es nicht, meine Damen und Herren! Die Entscheidungen werden hier im Deutschen Bundestag getroffen und nicht im Rathaus von Berlin. Wir entscheiden hier darüber.
Meine Damen und Herren, wir reden nicht nur über Nachhaltigkeit in der Umweltpolitik, wir reden auch über Nachhaltigkeit in den Staatsfinanzen. Wir werden Ihnen nicht die Hand dazu reichen, wieder in die alten sozialdemokratischen Muster einer stetig steigenden Staatsverschuldung zurückzufallen.
Übrigens – an dieser Stelle, Herr Bundeskanzler – stehen in den nächsten Tagen in Brüssel einige Entscheidungen zur Wirtschafts- und Währungsunion und zur Fortsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes an. Wir müssen Ihnen dabei helfen,
dass aus Deutschland ein klares Signal der stabilen Staatsfinanzen in der Währungsunion kommt. Wenn in Deutschland die Dämme brechen, werden sie auch in allen anderen Ländern der Währungsunion nicht halten. Da hat Deutschland eine Vorbildfunktion, und die müssen Sie, ob Sie wollen oder nicht, auch wahrnehmen.
Zu den Themen, bei denen wir Ihnen anbieten, etwas besser zu machen, sage ich Ihnen sehr konkret: Wenn Sie Ihre Wirtschafts-, Energie- und Umweltpolitik neu ausrichten wollen, mit wirklicher Technologieoffenheit und mit marktwirtschaftlichen Instrumenten – Ja, ich weiß: Bei diesem Wort reagieren Sie sofort allergisch.
Marktwirtschaft verstehen Sie überhaupt nicht. Das Wort können Sie nicht mal schreiben, geschweige denn auch wirklich Politik machen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie das wollen statt der staatlichen Steuerung und Subvention aller Transformationsprozesse, dann haben Sie uns an Ihrer Seite. Wenn Sie Arbeitsmarktpolitik ändern wollen mit dem Ziel einer vernünftigen Balance zwischen Fördern und Fordern, wenn Sie wollen, dass sich Beschäftigung im Arbeitsmarkt immer und grundsätzlich mehr lohnt als der Bezug von Transferleistungen, dann haben Sie uns an Ihrer Seite.
Wenn Sie darauf verzichten wollen, unter der Überschrift der Kindergrundsicherung zunächst einmal 5 000 neue Stellen im öffentlichen Dienst zu schaffen, Herr Bundeskanzler, dann haben Sie uns an Ihrer Seite.
Wenn Sie überhaupt einmal aufhören, dieses Land mit einer bisher nie gekannten Bürokratie zu überziehen, dann haben Sie uns an Ihrer Seite.
Herr Bundeskanzler, wenn Sie mit uns reden wollen, wie wir das gegebenenfalls gemeinsam auf den Weg bringen, dann kommen Sie gern zu mir, und dann können wir über fast alles miteinander reden.
Aber wenn Sie mit Ihrer Regierung so weitermachen wie bisher – und Ihre Regierungserklärung von heute Morgen gibt einem das sichere Gefühl, dass Sie keinerlei Veränderungen an dem vornehmen wollen, was Sie in Ihrer Rechthaberei in den letzten Wochen und Monaten hier gesagt und getan haben -,
wenn Sie weiter uneinsichtig sind, wenn Sie weiter streiten, wenn Sie weiter unsere Staatsfinanzen gefährden und unsere Volkswirtschaft vor die Wand fahren, dann werden wir alles dafür tun, dass der Spuk mit Ihrer Bundesregierung so schnell wie möglich beendet wird, meine Damen und Herren.
Das ist die staatspolitische Verantwortung der Opposition in diesem Deutschen Bundestag mit Ihrer Bundesregierung, Herr Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Quelle: Bundestag