Dieser Text hat es in sich, und er wird die SPD – hoffentlich – noch lange beschäftigen. Fünf Historikerinnen und Historiker um den emeritierten, national und international hoch angesehenen Geschichtswissenschaftler Heinrich August Winkler, selbst Mitglied der SPD, haben der Führung der SPD vor einigen Tagen einen Brief geschrieben.
Sie fordern die Partei darin dringend auf, ihren Kurs in der Russlandpolitik zu korrigieren. Denn genau darum geht es den Autoren. Sie geben keinen Rat, welche Waffen wann und wohin geliefert werden sollen. Sie gehen aber hart ins Gericht mit dem Bild, das große Teile der SPD offenbar immer noch von Russland haben. Der letzte Auslöser des Briefes dürfte die Aufforderung des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Rolf Mützenich, in der vorletzten Woche im Deutschen Bundestag gewesen sein, man müsse jetzt über ein „Einfrieren“ des Krieges nachdenken. Ein Einfrieren des Ukraine-Krieges, so schreiben die Verfasser des Briefes, würde „faktisch eine Beendigung zugunsten des Angreifers“ bedeuten. Alles in allem bescheinigen die Historiker der SPD-Führung und mit ihr dem Bundeskanzler eine „hochgefährliche Realitätsverweigerung.“
Vermutlich werden wir in den nächsten Tagen trotzdem viele Funktionäre der SPD und der politischen Linken und Rechten in vorderster Front bei den „Ostermärschen“ mitlaufen sehen. Gerade in diesem Jahr, dem dritten Kriegsjahr in der Ukraine, dürfte die Friedenssehnsucht vieler Menschen im Lande besonders ausgeprägt sein. Und deshalb ist für den Frieden zu demonstrieren ja auch alles andere als verwerflich. Wir alle wollen Frieden und vor allem Freiheit für unser Land und für ganz Europa. Aber über die Voraussetzungen für einen dauerhaften Frieden müssen wir schon noch sprechen, und da ist Friedfertigkeit allein keine ausreichende Antwort. In der Ukraine könnte morgen am Tag Frieden herrschen – wenn das Land aufhört sich zu verteidigen. Das wäre der Diktatfrieden zu Putins Bedingungen. Es könnte aber auch sofort Friede herrschen, wenn Putin die Waffen schweigen lässt. Das wäre Friede in Freiheit für die Ukraine. Es wäre daher sehr zu wünschen, dass sich die Ostermarschierer in diesem Jahr vor allem an Putin und sein Regime in Moskau richten und ihn auffordern, den Angriffskrieg gegen die Ukraine sofort zu beenden. Alles andere wäre auch bei den Ostermarschierern eine „hochgefährliche Realitätsverweigerung.“
Quelle: MerzMail