Gesetzgebungsarbeit ist vor allem Textarbeit. Die Details verstecken sich oftmals in umfangreichen Dokumenten, die nur Fachleute verstehen und nachvollziehen können. Aber manchmal ist es auch ganz einfach, dann erschließt sich die Absicht des Gesetzgebers in nur ganz wenigen Worten – auch in Worten, die dazugeschrieben oder gestrichen werden. Diese Woche hat die Ampel zwei Worte gestrichen, und diese Gesetzesänderung hat es in sich.
Worum geht es? Wesentliche Vorstellungen der Ampel zur Einwanderung von Arbeitskräften nach Deutschland finden sich im bestehenden Fachkräfteeinwanderungsgesetz und im Aufenthaltsgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Das Aufenthaltsgesetz regelt alle Bedingungen der Zuwanderung nach Deutschland, also der Einreise, des Aufenthalts, der Erwerbstätigkeit und der Integration von Ausländern, und es soll zugleich der Erfüllung der humanitären Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland dienen. § 1 Absatz 1 Satz 1, also die erste Bestimmung des Aufenthaltsgesetzes, lautete bisher: „Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland.“
Über viele Details der sehr grundlegenden Änderungen dieses Aufenthaltsgesetzes ist in den letzten Wochen und Monaten intensiv diskutiert worden. Die zuständigen Ausschüsse haben getagt, Fachleute sind angehört worden, wir haben seitens der Unionsfraktion unsere Änderungsvorschläge eingebracht. Am Dienstagabend um 18.18 Uhr erreichte den zuständigen Innenausschuss des Deutschen Bundestages dann eine bisher gar nicht vorgesehene weitere Änderung des Aufenthaltsgesetzes, nämlich die ersatzlose Streichung der Worte „und Begrenzung“ in § 1 des Gesetzes. Genau so wurde das Gesetz heute, nur drei Tage später, im Bundestag von der Ampel-Mehrheit verabschiedet. Die Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland ist zukünftig nicht mehr der Zweck des Aufenthaltsgesetzes. Damit ändert sich das Ausländerrecht in Deutschland fundamental: Vor allem im Verwaltungsvollzug werden die Ausländerbehörden in Zukunft noch weniger Möglichkeiten haben, einen Aufenthalt in Deutschland zu beenden, denn die Begrenzung des Zuzugs ist nicht länger ihre Aufgabe.
Last-Minute-Änderungen eines Gesetzes gehören zum Markenzeichen der Ampel. Wir erleben das regelmäßig, beim Wahlrecht war es ähnlich. Nur wenige Abgeordnete bekommen solche Manöver überhaupt mit, eine geordnete Beratung ist nicht mehr möglich und auch gar nicht gewollt. Von den Ministerien und ihren Helfern im Parlament werden grundlegende Änderungen unseres Rechtssystems im letzten Augenblick durchgezogen. Es sind Änderungen, die auch von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt bleiben und bleiben sollen. Vermutlich wird noch nicht einmal die Mehrheit der Abgeordneten der Regierungsfraktionen diese letzte Änderung im Aufenthaltsgesetz bemerkt haben. Aber die Rechtsfolgen für unser Land werden erheblich sein. Erst in einigen Jahren wird sich herausstellen, wie weit die Konsequenzen einer solchen Rechtsänderung reichen, und es werden vermutlich auch die Gerichte entscheiden müssen, was es für das Aufenthaltsrecht in Deutschland bedeutet, dass die Begrenzung der Zuwanderung kein Gesetzeszweck mehr ist. Wer aufmerksam zugehört hat, wird im Übrigen festgestellt haben, dass vor allem die Grünen im Bundestag in der Debatte um die Zuwanderung nach Deutschland schon in den letzten Monaten jede Festlegung auf die Notwendigkeit einer Begrenzung dieser Zuwanderung vermieden haben. Für die Grünen darf es keine Begrenzung der Migration geben, ganz gleich aus welchem Land und aus welchem Grund die Zuwanderung nach Deutschland erfolgt. Die Grünen haben mit der unauffälligen, aber wirkungsvollen Streichung der beiden Worte im § 1 des Aufenthaltsgesetzes heute einen großen Erfolg erzielt. Die Umgestaltung des Landes durch die Ampel schreitet munter voran. Ob die Mehrheit der Bevölkerung das auch so gut findet wie die Grünen?
Quelle: MerzMail